Frau Bzdega, Ikea hat vor drei Jahren angefangen, neben den klassischen Einrichtungshäusern auch auf neue Formate zu setzen, die für Innenstädte konzipiert sind. Warum?
NELE BZDEGA: Wir wollen dort vertreten sein, wo wir die meisten Menschen treffen. Wir sehen zum Beispiel, dass die Menschen zunehmend in die großen Städte ziehen und kein Auto mehr besitzen oder nutzen. Daher ist es wichtig, dass wir auch für diese Zielgruppen erreichbar bleiben. Zudem wird beim Einkaufen der Convenience-Part wichtiger. Ikea möchte mehr Service bieten und die Kunden beim Einkaufsprozess stärker beraten.
Aus diesem Grunde haben Sie im September im Berliner Stadtteil Pankow ein erstes „Planning Studio“ eingerichtet, ein zweites eröffnet Ende Oktober in Potsdam. In den kommenden Jahren sollen drei bis fünf weitere in Berlin folgen. Wie kam es zu dem Konzept?
Der Planungsprozess etwa für eine neue Küche ist komplex, er kann mehrere Termine mit unseren Beratern erfordern. Die Menschen haben aber immer weniger Zeit und wollen diese qualitativ nutzen. Deshalb wollen wir mit den Studios kurze Wege bieten. Wir fokussieren uns auf Flächen zwischen 400 und 800 Quadratmetern klar auf die Planung von Küchen und Schlafzimmern und bieten mehr persönlichen Service. Hierfür kann der Kunde einen Termin vorab online buchen.
Ein weiteres neues Konzept sind die sehr klein geschnittenen XS-Formate. Wie schnell wollen Sie diese ausrollen?
Das Format gibt es schon unter anderem in Paris und Moskau. In Deutschland suchen wir für den ersten Standort ebenfalls eine Fläche in Berlin, das für uns auch in diesem Fall der Startpunkt ist.
Wie darf man sich eine XS-Filiale vorstellen?
Sie zeigt auf bis zu 10.000 Quadratmetern das gesamte Angebotsspektrum von Ikea. Der entscheidende Unterschied ist, dass nicht alles zur Mitnahme zur Verfügung stehen wird. Möbel etwa kann man sich nach Hause liefern lassen oder in einem der vier Einrichtungshäuser im Berliner Raum abholen. Bei den XS-Formaten interessieren wir uns für Einzelhandelsgebiete, wo heute schon Einkaufen stattfindet. Das Layout ist darauf ausgerichtet, dass der Kunde vielleicht wenig Zeit hat und nur schnell etwas mitnehmen will. Aber auch hier findet personalisierter Service statt, also beispielweise Beratung zu modularen Systemen wie Küchen oder Aufbewahrungslösungen.
Inwiefern erreichen Sie hier andere Zielgruppen als auf der grünen Wiese?
In den Innenstädten leben vermehrt Singles in allen Altersgruppen – weshalb auch der Service wichtig ist: Allein einen Kleiderschrank aufzubauen, das ist für manchen eine echte Herausforderung.
Ist die Expansion der klassischen Einrichtungshäuser vor diesem Hintergrund zunächst beendet?
Die neuen Formate ergänzen das Netz der klassischen Stores, sie werden sie nicht ersetzen. Wir haben gerade erst unser 54. Einrichtungshaus in Karlsruhe eröffnet. Bei guter Erreichbarkeit mit dem Auto und enger Anbindung des ÖPNV sind auch weitere Standorte für uns interessant, allerdings liegt unser Fokus bei Neuansiedelungen im Moment klar auf Innenstadtlagen in Metropolen.
Inwiefern wird die Digitalisierung neue Fakten schaffen?
Nicht zuletzt in der Corona-Zeit haben wir natürlich einen starken Anstieg des Online-Geschäfts gesehen. Auch Click & Collect wurde wichtiger – man konnte zu Hause bestellen und die Produkte dann vor dem Einrichtungshaus abholen. Das haben die Kunden stark genutzt, auch die Nach-Hause-Lieferung. Aber als wir die Häuser wieder geöffnet haben, gab es dort sofort wieder starken Andrang.
Der Kunde braucht bei vielen Einkaufsprozessen den Support unserer Mitarbeiter, und auch das Gefühl, etwas anfassen zu können, der „Touch & Feel“ ist durch das Internet nicht zu ersetzen. Entscheidend wird aber auch künftig sein, physisches und digitales Geschäft optimal aufeinander abzustimmen. Wir wollen einen möglichst nahtlosen Einkaufsprozess, auch an unseren Innenstadt-Standorten.
Wie stellen Sie sich die Innenstädte in Zukunft vor? Wird Shopping weiterhin eine große Rolle spielen?
Wir glauben nach wie vor an den Handel in den Innenstädten! Daher haben wir unser Angebot darauf ausgerichtet – aber eben mit einem speziellen Schwerpunkt auf den Themen Service und Nahtlosigkeit.
Das Interview erschien als Teil der Titelgeschichte über Strategien für die Innenstädte der Zukunft in der November-Ausgabe der absatzwirtschaft.