Es werden Handlungen daraus abgeleitet.„Wolfgang Schäuble plant unter 70 Prozent des BIP bis Ende 2017“ meldet das Handelsblatt. „Die EBIT-Umsatzrendite erreichte 13,9% nach 12,6% im Vorjahr“, freut sich Beiersdorf. Doch diese und andere Zahlen sind nur ein Teil einer Wahrheit. Denn diese Zahlen „lügen“.
Wer die Macht hat – bestimmt die Zahl
Der BIP war vor dem zweiten Weltkrieg so gut wie unbekannt und ist inzwischen nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Kennziffer geworden. Das Zahlensystem wird durch die Staatsmacht definiert und genutzt. Vergangenheitsbezogene Statistik wird zur Prognose. Letztendlich benutzen wir – gezwungenermaßen – den Wohlfahrts- und Wachstumsbegriff der Amerikaner. Andere Betrachtungen zeigen, dass Glück und Wohlfahrt einer Gesellschaft auch von anderen Faktoren abhängig sind. Schwarzarbeit, illegale Prostitution, Drogenhandel gehen heute zum Teil und sollen immer mehr in die BIP-Berechnung einfließen. Steigt der BIP, so sinkt automatisch die Schuldenquote. Ein Schelm, wer etwas Böses bei den Schätzberechnungen denkt.
Doch ist das in der Betriebswirtschaft anders? Wer Gewinne zeigen oder verschleiern will, bestimmt die Bandbreite der Abschreibungsmöglichkeiten nach dem gewünschten Ergebnis. Markenwerte können mit ein paar hundert Prozent Unterschied in Bewertungen einfließen. Pro Kopf-Umsätze verändern sich drastisch, ob man Menschen angestellt hat oder die Arbeit zu identischem Preis von außen hinzu kauft.
Mediadaten, Kundendeckungsbeiträge, Marketing-ROI… eine exakte Wahrheit transportieren sie alle nicht.
Messzahlen sind Berechnungsmethoden
Diese Messzahlen stellen kein Maß wie Celsius, Ohm oder Meter da. Sie sind Berechnungsmethoden verschiedener ganzer oder relativer Zahlenwerte. Wer die Macht hat, wer Interessen hat, wer den Zugriff hat – der bestimmt die Methode und versucht auch, sie durchzusetzen.
Und damit arbeiten wir nicht selten mit „lügnerischen“ Tendenzzahlen. Oft unvergleichlich zwischen den Staaten, wie Arbeitslosenquoten, oft bereits auch im Unternehmen umstritten. So kann die Kostenlage alleine durch veränderte Rüstkostenzuordnungen in der Produktion zu besseren oder schlechteren Produktdeckungsbeiträgen führen.
Sollte man darum komplexe Berechnungszahlen überhaupt nicht mehr nutzen? Das wäre falsch. Aber es gilt für jeden, der sich ein klares Bild machen und danach steuern und entscheiden will, folgende Überlegungen anzustellen:
- Welche Daten stecken in dem Berechnungsmodell?
- Welche Daten sind absolut und welche relativ?
- Welche Daten gehen in erlaubten Bandbreiten in die Berechnungen ein?
- Welche Quellen haben diese Daten?
- Wer ist der „Inhaber“ der einzelnen Daten?
- Wer hat Interesse an den Einzeldaten?
- Welche Daten fehlen im Berechnungsmodell?
- Wer hat Interesse am Ergebnis des Berechnungsmodells?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Berechnungsmodell?
- Welche Konsequenzen werden mit dem Berechnungsmodell verhindert?
Wenn es heißt „nicht an unseren Taten, an unseren Daten werden wir gemessen“, haben Modelle Staat oder Unternehmen übernommen! Die Bevölkerungszentrierung einer Nation wie die Kundenzentrierung eines Unternehmens sind verloren.Jetzt steht der Zahlen-Demagoge stets auf der richtigen Seite – indem er sie mit der Berechnungsmethode wechselt.
Über den Autor: Malte W. Wilkes ist Seniorpartner der Management Consultancy Erfolgsketten Management Wilkes Stange GbR in Hamburg, Redner, Moderator, Diskutant, zigfacher Buchautor, Pionierexperte in Customer Centricity sowie Ehrenpräsident des BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater.