Was einen Bayern begeistert, kann für einen Hamburger langweilig sein. Und während in Mecklenburg-Vorpommern die Uhren langsamer ticken, hat man im Ruhrpott ganz andere Probleme. Es liegt auf der Hand, dass Werbung mit der Gießkanne schon immer eine schlechte Idee war. Zum Glück kennen Algorithmen die lokalen Befindlichkeiten. Im Online-Display-Advertising und im Digital-Out-of-Home haben programmatisch ausgesteuerte Kampagnen bereits vielfach gezeigt, wie wirkungsvoll diese regional sind.
Jetzt wird ein weiterer Kanal mit Geo-Targeting aufgepeppt: Das gute alte lineare Fernsehprogramm. Und zwar nicht über Werbeoptionen in regionalen Spartensendern, sondern in den Hauptprogrammen. Addressable TV (ATV) macht es möglich, also die Auslieferung digitaler Werbung im linearen Fernsehen.
Regionalfernsehen 2.0
Kürzlich nutzte die Bäckerei-Kette Backhaus Bickert eine ATV-Kampagne, um im Fernsehen seine Standorte im Großraum Aschaffenburg differenziert zu bewerben. Je nach Postleitzahl wurden Filial-Informationen, Produktdaten und Aktionen automatisch im Werbemittel angepasst, um Fernseh-Zuschauer*innen auf die nächstgelegene Filiale aufmerksam zu machen.
Selbst Bewegtbild-Spots können mittlerweile via ATV differenziert ausgespielt werden, beispielsweise indem allgemeine Werbespots durch regionale Spots ersetzt werden. Jüngstes Beispiel ist das Autohaus NEFF aus Heilbronn, das in einer TV-Kampagne in der Primetime und im Frühstücksfernsehen den Citroen DS4 und das Thema Elektromobilität bewarb. Die Kampagne war auf das eigene Händlergebiet regional begrenzt und lief auf verschiedenen Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe und der RTL Mediengruppe Deutschland. Die Zielgruppe wurde exakt auf eine gewünschte Altersgruppe eingegrenzt, die über ein bestimmtes Haushaltsnettoeinkommen verfügt. Entsprechend wurde die Kampagne ausgesteuert.
Insbesondere, wenn ein renommiertes Medium wie TV auf granulare, digitale Aussteuerungsmöglichkeiten trifft, sind Advertiser verzückt. In der Konsequenz kann diese Entwicklung jedoch dazu führen, dass jemand auf demselben TV-Sender, während der gleichen Sendung, eine andere Werbung sieht, als seine Nachbar*innen. Eine Differenzierung, die sich mittlerweile durch alle Kanäle zieht. Ob Konsument*innen langfristig davon begeistert sind oder ihnen womöglich der Gesprächsstoff für einen Plausch ausgeht, weil jede und jeder zunehmend in seiner Blase lebt – das bleibt abzuwarten.
Schon gehört?
Retail Media wird zum Massengeschäft, das zeigt unter anderem die Entwicklung bei Obi: Bisher nutzen mehr als 50 Marken die Werbemöglichkeiten der Obi First Media Group; jetzt wird das Angebot für Werbekund*innen außerhalb des klassischen Do-it-yourself-Segments (DIY) geöffnet. E-Commerce-Anbieter Otto hat seine Retail Media Unit jetzt sogar in Otto Advertising umbenannt, weil man mittlerweile Werbelösungen entlang des gesamten Funnels anbietet. Und der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) meldet, dass die Handelsunternehmen ihre Interessen in der digitalen Werbevermarktung nun unter dem Dach des BVDW bündeln – in der neu gegründeten „Initiative Retail Media“.
Über neuen Zuspruch darf sich auch die europäische ID-Lösung NetID freuen: Der Data-Clean-Room-Anbieter Optable unterstützt künftig den NetID-Standard und führt ihn als „Matchable Identifier“ für seine Clean-Room-Technologie ein. Immer weniger Zuspruch gibt es hingegen für Third-Party-Cookies: Obwohl Google das Cookie-Sterben bis 2024 hinauszögert, hat der Markt einem aktuellem IAB-Report zufolge bereits die Hälfte der Datensignale von Drittanbietern verloren.
Übrigens: Heineken zeigt dieser Tage, wie man Nachhaltigkeit mit Werbung, Technik und praktischem Nutzen verbinden kann. In Rio de Janeiro hat der Biergigant Solarmodule auf einer Werbetafel installiert, die mit einer berühmten lokalen Bar verbunden ist. „Diese Werbetafel kühlt Ihr Heineken. Cheers“, heißt es auf der Plakatwand.
In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!