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Als CEO hatten Sie auch eine Vorbildfunktion. Meinen Sie, dieser Rolle gerecht geworden zu sein?
RUZICKA: Wenn ich mir vier oder fünf Firmenwagen zu meinem privaten Vergnügen halten würde, wäre das kein gutes Vorbild. Das habe ich auch nicht gemacht. In England oder Frankreich hat Aegis Kosten für Firmenwagen, Flugzeuge, Hubschrauber und Repräsentanzen bezahlt. Ich habe lediglich einen Weg gefunden, wie Aegis diese Güter nutzen und geschäftsfördernd einsetzen kann, aber die Kosten nicht mehr zu tragen hat. Diese wurden denjenigen berechnet, die die Vorteile der daraus generierten Mehrwerte bekommen haben – nämlich den Kunden. Es gab keine einzige Ausgabe, die nicht für Aegis um ein Vielfaches höhere Einnahmen bedeutet hätte. Zu meiner Zeit haben wir weder massiv Kunden verloren noch Mitarbeiter in größerem Stil entlassen müssen. Gerade vor diesem Hintergrund glaube ich meiner Vorbildrolle durchaus gerecht geworden zu sein.
Ein Beispiel: Sie hatten einen 7er BMW als Dienstwagen. Wie konnten Sie annehmen, dass nur für Ihre Tätigkeit weitere BMW X5, BMW M6 Cabrio, Aston Martin, Aston Martin Cabrio, Wrangler Jeep, Audi TT, BMW Z8 und ein Kleinwagen für Ihre Haushälterin im Interesse von Aegis Media sein könnten?
RUZICKA: Diese Fahrzeuge standen im Eigentum verschiedener Firmen und erfüllten bestimmte Zwecke. So haben wir bei Watson beispielsweise mit dem Jeep Kunden zur Jagd nach Ungarn gefahren. Die Fahrzeuge standen an verschiedenen Orten zur Verfügung. Mein Dienstwagen bei Aegis war nur in Wiesbaden. Ich habe diesen kaum genutzt. Dieser diente beispielsweise dem Transport der Londoner Aegis Konzernspitze vom Flughafen nach Wiesbaden und zurück. Es ist üblich, dass Firmenwagen dort stehen, wo sie gebraucht werden. So auch an den vier deutschen Niederlassungen von Aegis. In einem Punkt möchte ich sie korrigieren. Es handelt sich nicht um eine Haushälterin, sondern um eine Mitarbeiterin von Watson, die mit dem Kleinwagen Besorgungen erledigt hat.
Sie haben sich Ihr Haus selbst vermietet und sich selbst tilgungsfreie Kredite in Millionenhöhe gegeben. Ich nenne das kriminell und dreist. Sie auch?
RUZICKA: Nur, wenn man nicht genau hinschaut. Die unterste Etage des Hauses am Sonnenberg ist zur temporären Nutzung an Camaco vermietet worden. Es gab keine Woche, in der nicht irgendein betrieblich veranlasstes Event oder Einladung in diesem Haus stattgefunden hat. Vom Kaminabend mit Kunden, Arbeitsessen mit Kollegen, aber auch Treffen mit Journalisten. Es gab eben nicht nur einmal im Jahr ein Sommerfest. Die Darlehen waren Spesenvorschüsse. Spesen, die dann tatsächlich angefallen sind. Jeden Cent dieser Ausgaben habe ich belegt und diese Darlehen dadurch abgebaut. Ich halte es für einseitig, nur die Spesenvorschüsse aufzulisten, aber die dem gegenüber stehenden Ausgaben gar nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Für Sie stellte es sich vor Gericht so dar, dass sich Ihre ehemaligen Mitarbeiter nicht an ihre tägliche Arbeit erinnern konnten: Welches Motiv sollte Aegis Media haben, ein Komplott zu inszenieren?
RUZICKA: Nochmals zu meinem Arbeitsvertrag. Darin steht auch, dass der Arbeitnehmer bei Verlust des Arbeitsplatzes unabhängig vom Beendigungsgrund eine Abfindung in Höhe seines zuletzt bezogenen zweifachen Jahresgehaltes multipliziert mit den Jahren der Betriebszugehörigkeit bekommt. Im Jahr 2000 waren dies 16 Jahre. Allein aus diesem Vertrag stehen mir demnach 80,56 Millionen Euro zu. Mag sein, dass das für Außenstehende absurd klingt. Aber es ist eine durchaus übliche Abgeltung für 22 Jahre Arbeit, die ich für dieses Unternehmen geleistet habe. Inzwischen habe ich auch Klage erhoben, um von Aegis diese Gelder zu bekommen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema Kostenvermeidung bei Aegis auch dabei Anwendung finden sollte. Um diese Summe sparen zu wollen, könnte man durchaus auf die Idee kommen, anonyme Anzeigen zu schreiben. Das erklärt auch, warum nie eine interne Lösung versucht oder ich sofort freigestellt oder gekündigt wurde, sondern die Staatsanwaltschaft vermeintlich anonym instrumentalisiert wurde.
Warum war für Andreas Bölte das Kapitel Ruzicka schon Anfang 2007 abgehakt, als er im Februar 2007 in W&V doppelseitig interviewt wurde?
RUZICKA: Andreas Bölte war nie an Aufklärung interessiert. Das zeigt auch, dass er Rechtsanwalt Gaedertz nicht von der Schweigepflicht entbunden oder die vom Gericht angeforderten Verträge freiwillig herausgegeben hat. Andreas Bölte ist mit Sicherheit davon ausgegangen, dass ich diese Haft nicht durchstehe. Zum Zeitpunkt des Interviews im Februar 2007 saß ich bereits seit vier Monaten in U-Haft. Andreas Bölte wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich über sichergestellte Festplatten Zugriff auf eine Vielzahl von Unterlagen habe, mit denen ich meine Aussagen belegen kann. So wurde noch im Prozess die Existenz von Unterlagen solange bestritten, bis ich diese physisch habe vorlegen lassen. Daher muss es für Andreas Bölte eine furchtbare Überraschung gewesen sein, dass ich Unterlagen vorlegte, von denen er wohl glaubte, sie vernichtet zu haben.
In unserem letzten Interview vor mehr als zwei Jahren sagten Sie, dass dieser Prozess die Agenturlandschaft nachhaltig verändern wird. Wie genau meinten Sie das?
RUZICKA: Nachdem eine Kriminalisierung eingetreten war, rappeln sich gerade alle wieder hoch. Eine Konsequenz daraus wird meiner Einschätzung nach eine Rückkehr zum Mediaberater sein. Das Thema Mediaeinkauf wird durch den Druck der Werbekunden zum Leidwesen der Mediaagenturen über kurz oder lang als Geschäftsmodell verschwinden. Das wird automatisiert und direkt zwischen Kunden und Medien abgewickelt werden. So kommen Mediaagenturen wieder dahin, wo sie hingehören: an die Seite der Kunden als eine Untergruppe von Unternehmensberatern. Damit rücken beispielsweise Beratungsleistungen für tatsächlich objektive und ausschließlich kundenorientierte Mediastrategien wieder in den Vordergrund. Es wird sich zeigen, wer darauf ausreichend vorbereitet ist. Das wird auch etwas sein, mit dem ich mich auseinandersetze, wenn ich wieder so agieren kann, wie ich das möchte.
Herr Ruzicka, vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde persönlich geführt. Die Fragen stellte Michael Ziesmann.