Heute gibt es wieder geballtes Know-How rund um Arbeit und Unternehmenskultur. Den Anfang macht eine kleine, aber schöne Geschichte vom Bundesverband der Personalmanager, der sich auf seinem Jahreskongress in Berlin jetzt sehr klar gegen Rassismus positioniert hat. Klar positioniert sich auch TLGG-Chefin Annabelle Jenisch – allerdings in einer völlig anderen Mission. Indeed beschert uns aktuelle Zahlen über die (sinkende) Entwicklung von Jobanzeigen hierzulande, während eine neue Studie der International Workplace Group Belege dafür findet, dass Hybrid Worker deutlich weniger unter Burnout leiden.
Doch bevor wir zu den Fakten kommen, hier erstmal eine Geschichte aus dem harten Recruitingleben im Jahr 2024 – oder anders gesagt: eine Geschichte über einen bizarren Streit zwischen Bahn und DEHOGA.
Kein feiner Zug?!
Am 3. Juni schrieben die KollegInnen von Personalwirtschaft.de: „Thomas Geppert, seines Zeichens Landesgeschäftsführer der DEHOGA Bayern, schäumt“. Was die Bahn derzeit mache sei „unanständig“ und „unverschämt“, so Geppert. Tatsächlich versucht die Bahn im Rahmen einer Recruitungkampagne vor allem Quereinsteiger anzusprechen – und zwar gezielt aus der Gastronomie.
Ein Werbemotiv lautet beispielsweise: „Früher in der Gastro tätig, heute Lokführer“. DEHOGA-Mann Geppert findet das nicht witzig. Auf LinkedIn schreibt er: „Deutsche Bahn und S-Bahn München wollen sich auf Kosten unseres Gastgewerbes einen Vorteil verschaffen. Ein hochdefizitärer, wesentlich aus Steuermitteln finanzierter Staatsbetrieb darf so nicht in der Öffentlichkeit agieren.“
Dass Unternehmen Quereinsteiger ansprechen, ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht neu. Doch dass auch sehr gezielt in Gefilden anderer Branche gewildert wird, zeigt, wie groß die Not im Kampf um bestimmte Talente inzwischen ist.
Raus aus der Blase
Auch das nächste Thema ist nicht neu. Doch selten hat jemand die (mangelnde) Vereinbarkeit von Job und Familie so deutlich auf den Punkt gebracht, wie vergangene Woche Annabelle Jenisch. In einem Gastbeitrag schrieb die Co-Geschäftsführerin der Agentur- und Beratungsgruppe TLGG jetzt: „Seien wir ehrlich: Die Debatte um Vereinbarkeit findet nach wie vor größtenteils in einer privilegierten (feministischen) Blase statt.“ Leider würde die Debatte lautstark von Personen geführt, „die besondere Voraussetzungen haben, um Karriere und Familie zu vereinen.“ Jenisch fordert deshalb: „Die Debatte muss raus aus der Eliten-Blase, die nicht die Mehrheit repräsentiert! Was wir brauchen, ist vielmehr eine Debatte, die vielstimmig ist und unterschiedliche Lebensrealitäten aufzeigt: Wie geht Vereinbarkeit im Schichtdienst? Wie geht Vereinbarkeit im Einstiegslevel? Wie geht Vereinbarkeit in gleichberechtigen Beziehungen? Und wie machen das Alleinerziehende?“
Ziemlich gute Fragen, wie ich finde, die – so auch mein Eindruck – in der Öffentlichkeit und bei Arbeitgebenden noch viel zu wenig gestellt werden. Von schlüssigen Antworten darauf ganz zu schweigen. Der Beitrag von Jenisch ist dabei doppelt lesenswert. Denn die – in wenigen Wochen – zweifache Mutter legt nicht nur den Finger meinungsstark in die Wunde, sondern beschreibt auch sehr genaue Lösungsansätze.
Weniger Stellenanzeigen, weniger Gehalt, weniger Home Office
Derweil sind die Zahlen der Personalsuchen deutschlandweit noch immer rückläufig. Laut aktuellem Arbeitsmarkt Index von Indeed wurden von Januar bis Mai 2024 rund 15 Prozent weniger Stellenanzeigen geschaltet als im Vorjahreszeitraum. Damit sei der Index im Mai auf das Niveau von September 2021 zurückgefallen. Allerdings: Noch immer liegt das gesamte Stellenanzeigenvolumen um 36 Prozent höher als kurz vor der Corona-Pandemie.
Zwei Berufsgruppen aber liegen mittlerweile sogar unterhalb des Vor-Covid-Levels: Stellenanzeigen für Softwareentwickler werden inzwischen fast 17 Prozent weniger geschaltet als vor der Pandemie, Jobangebote im Marketing um 0,6 Prozent weniger. Auf das größte Plus verglichen mit der Vor-Covid-Phase kommen in den ersten fünf Monaten 2024 hingegen Sozialarbeiter mit 101 Prozent.
Ebenfalls weiter gesunken sind laut Indeed Gehaltstracker auch die Lohnerhöhungen. „Der jährliche Anstieg der in Stellenanzeigen ausgeschriebenen Löhne fiel im April 2024 auf 3,8 Prozent, verglichen mit 6,1 Prozent zur gleichen Zeit im Vorjahr“, schreibt Indeed. Damit setze sich der Rückgang des Lohnwachstums fort.
Unverändert geblieben ist indes ein anderer, nicht minder interessanter Wert: Rund 15 Prozent der analysierten Stellenanzeigen nennen explizit eine Home-Office-Option. Diese Stabilität, so die smarte Schlussfolgerung der Indeed-Studienmacher, deute darauf hin, dass alle Arbeitgebenden, die ihren Mitarbeitenden Homeoffice als Mehrwert anbieten wollen, dies mittlerweile auch tun. Besser kann man es gar nicht formulieren, dass mit einem weiteren Wachstum von Home Office-Möglichkeiten in der nächsten Zeit wohl eher nicht zu rechnen. Im Gegenteil. Ich wage mal die Prognose: Die Home-Office-Optionen werden künftig eher weniger werden. Der RTO-Trend (Return to Office) hat bekanntlich gerade erst begonnen – und wird uns sicher in den nächsten Monaten noch viel begleiten.
Hybrides Arbeiten ist gesünder
Das ist auch insofern spannend, als dass eine neue Untersuchung der International Workplace Group gerade belegt hat: 75 Prozent von über 1.000 befragten Arbeitnehmenden verspüren seit der Umstellung auf ein Hybrid-Modell weniger Burnout-Symptome. Der Umfrage zufolge habe der zusätzliche Freizeitgewinn durch hybrides Arbeiten zu einer besseren Work-Life-Balance (86 Prozent), mehr körperlicher Betätigung (54 Prozent), gesünderer Mahlzeitenzubereitung (58 Prozent) und besserer Schlafqualität (68 Prozent) geführt.
Nicht abgefragt haben die Studienmacher, warum Hybrid Worker einen derart gesunden Freizeitgewinn haben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser einzig durch den Wegfall langer Arbeitswege entsteht – alles andere wäre schließlich ein gefundenes Fresse für die RTO-Befürworter.
Hauptsache, die Kohle stimmt
Ein interessantes neues Stimmungsbarometer liefert auch die digitale Jobplattform Zenjob, die Anfang Mai 2024 gut 1.140 Vertreter der Gen Z in Deutschland zu ihren Ansichten zur Arbeitswelt befragt hat. Ein Ergebnis: Die Generation der zwischen 1997 und 2012 geborenen Arbeitnehmenden ist ziemlich gespalten zwischen dem Wunsch nach einem sicheren Arbeitsverhältnis (52 Prozent) und dem Bedürfnis nach Flexibilität (68 Prozent). Tatsächlich verblüfft hat mich aber ein anderer Wert. Im Vergleich zur Umfrage im Jahr 2022 haben zwei Jobkriterien bei der Gen Z auffallend stark abgenommen: Die Suche nach persönlicher Identifikation im Job sank von 54,7 auf 19 Prozent, der Wunsch nach vielfältigen Aufgaben von 52,5 auf 38 Prozent. Eine Erklärung dafür liefert Zenjob leider nicht. Und ehrlicherweise kann auch ich mir das nicht so richtig erklären. Wenn Sie also eine Idee oder Vermutung haben, lassen Sie es mich gerne wissen.
Im Gegenzug liefere ich Ihnen hier schon mal die – von Zenjob ermittelte – aktuelle Top Five-Liste der Dinge, die junge Leute an Arbeitgebenden besonders schätzen: 1. Gutes Gehalt, 2. Karrieremöglichkeiten, 3. Ehrlichkeit und offene Kommunikation, 4. Möglichkeit zur Weiterbildung und beruflichen Entwicklung, 5. Offenheit für neue Ideen und Konzepte.
Das bringt mich gedanklich noch mal ganz kurz zurück zum Jahreskongress der Personalmanager. Denn dort ging es – neben der klaren Ansage gegen Rassismus – um sehr viel menschenzentrierte Führung, um Karrieremöglichkeiten, Ehrlichkeit und offene Kommunikation, Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung und natürlich auch um neue Idee und Konzepte. Bloß um gute Gehälter ging es nicht. Seltsam, oder?
In diesem Sinne: Eine gehaltvolle Woche und bleiben Sie gut drauf.