Seit Anfang des Jahres geht Anja Timme nach 20 Jahren im Beruf wieder zur Uni – allerdings online. Sie macht über die Plattform Coursera ein Seminar der The Wharton School zum Thema „AI for Business – Big Data, Artificial Intelligence, Blockchain and Algorithms”. Jedes Wochenende nimmt sie an Vorlesungen und Seminaren teil. Das bedeutet: Neun Stunden Input, lernen und vor allem verinnerlichen.
„Das Schöne ist, ich kann am Montag wieder ins Büro gehen und das Gelernte anwenden”, sagt Timme, die als VP International & General Manager Germany bei JIN arbeitet. Alle Uni-Inhalte sind eng mit der Praxis verknüpft. Sie besucht eine bestimmte Anzahl von Lesungen und Seminaren und wird anschließend geprüft – dabei wird immer gefragt, wie man die Theorie ins Daily Business implementieren kann.
Laut Hays HR-Report aus dem Jahr 2020 sind die Hauptgründe für Weiterbildungen die schnelle Verfallszeit des erforderlichen Wissens und die Entstehung neuer Tätigkeitsprofile – Künstliche Intelligenz ist das beste Beispiel dafür.
Wissen gezielt vermehren
Durch ihre Weiterbildung habe Timme gemerkt, wie sie auch in Zusammenarbeit mit Kund*innen ein ganz anderes Selbstbewusstsein hat: „Ich kann aufzeigen, wie KI ihr Arbeiten, ihre Ergebnisse und ihre Strategie verändern und verbessern kann.”
Um ihr Wissen aus der Uni weiterzugeben, teilt Timme es mit ihren Kolleg*innen – entweder in Gesprächen oder durch Präsentationen, die sie in der JIN Academy hochlädt. Das ist eine interne digitale Plattform, die allen Mitarbeiter*innen zur Verfügung steht. Sie kommen das erste Mal während des Onboardings damit in Berührung und haben von da an die Möglichkeit, sich in vielerlei Bereichen weiterzubilden; auch unabhängig ihres Fachbereichs.
„Alle Teammitglieder haben einen Fokus von etwa 80 Prozent auf ihre Kernexpertise. Die anderen 20 Prozent können sie nutzen, um sich in einem zweiten Interessengebiet weiterzubilden. Wenn man beispielsweise im Bereich PR einsteigt, kann man sich noch im Bereich Data & Insights Expertise aneignen”, erklärt Timme. Die Angebote der JIN Academy reichen von Analytics über kreatives Schreiben hin zu kleinen Kursen über Skills wie Rechnungswesen. Alle Mitarbeiter*innen des Unternehmens sind Teil der Academy, hier werden alle wieder zu Student*innen – vom Jobeinsteiger bis zur Geschäftsführerin.
Interne Weiterbildung als wichtige Säule des Unternehmens
Die JIN Academy ist allerdings kein Selbstläufer. Dafür wurde eine Managerin eingestellt, die sie führt und mit Inhalten füllt. Diese kommen teilweise von den Mitarbeiter*innen selbst, wenn sie ihr Wissen und ihre Insights über Events, Vorträge oder ihre Fähigkeiten weitergeben möchten. Andere Inhalte stammen von externen Partner*innen wie Journalist*innen, Autor*innen oder Social-Media-Anwält*innen. Es braucht also die Bereitschaft der Arbeitgeber*innen, Angebote wie diese zu schaffen und vor allem stetig weiterzuentwickeln.
Der Hays HR-Report zeigt auf, dass knapp die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer*innen berichten, das Angebot in ihren Unternehmen sei in den letzten Jahren gleichgeblieben, nur in 37 Prozent der Fälle wurde es erhöht.
Der Forderung nach Weiterbildung nachgehen
Dass die Erwartungen von Mitarbeiter*innen an Weiterbildungsprogrammen steigen, weiß Juliane Seack. Sie arbeitet als Head of People & Culture bei Piabo Communications und betont, dass es wichtig sei, neben den fachlichen und methodischen Kompetenzen auch die persönlichen und sozialen Fähigkeiten in Weiterbildungskonzepten zu berücksichtigen. „Dafür muss ich aber wissen, auf welchem Wissensstand das Team ist”, erklärt sie.
Im Sommer dieses Jahres kam im internen Innovation Council von Piabo die Idee auf, sich als gesamte Organisation mit Künstlicher Intelligenz und deren Möglichkeiten zu beschäftigen – und das nicht nur in Form der internen Montagsimpulse, sondern als umfangreiches Barcamp. Konzeption und Planung erfolgten initiativ aus dem Team heraus und mit voller Unterstützung der Geschäftsführung. Für die Teilnahme wurde jedem Beschäftigten Zeit freigeräumt, sodass sich Ende August alle Mitarbeiter*innen in Form von verschiedenen Workshops, einem Hackathon und bei einer Paneldiskussion weiterbilden konnten.
Natürlich sind solche zeitintensiven Angebote nicht immer möglich. In der Xing Learning & Skills Studie vom Februar 2023 gaben 35 Prozent der Befragten an, sie würden sich aufgrund der fehlenden Zeit im beruflichen Kontext nicht weiterbilden. Dennoch gilt es, Möglichkeiten zu schaffen.
Wenn sich persönliche und berufliche Entwicklung ergänzen
„Bei unseren Personalgesprächen achten wir darauf, immer herauszufinden, welche Bedürfnisse und Talente die Mitarbeitenden haben. Um nicht nur einmal im Jahr individuelle Potenziale und Lernräume zu beleuchten, gibt es alle sechs Wochen kleinere Check-ins. So kommen neue Weiterbildungsthemen deutlich schneller auf den Tisch und wir können individuelle Lösungen und Lernpfade gestalten”, sagt Seack.
Ein wichtiger Punkt bei internen Weiterbildungen ist die Bindung der Mitarbeiter*innen. Die Rechnung ist einfach: Je zufriedener jemand im Unternehmen ist, sich weiterentwickeln und seinen eigenen Bedürfnissen nachgehen kann, desto länger bleibt er oder sie. Außerdem wäre es paradox zu denken, dass die Weiterbildungsangebote nur auf die Entwicklung der Mitarbeiter*innen einzahlen – dadurch wird auch die Unternehmenskultur innoviert und dafür gesorgt, dass man generations- und wissensübergreifend zusammenarbeiten kann.