Höchste Eisenbahn 

Die Green Claims Directive kommt: Alle Werbetexte (und Bilder) sollten sofort auf den Prüfstand. Außerdem: Google ist nicht mehr „C02-neutral“ und: Kopenhagen motiviert Tourist*innen total kreativ zu mehr Nachhaltigkeit.
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„Wenn eine Werbeaussage nicht begründbar ist, dann ist sie illegal.“ (© Unsplash)

Die European Green Claims Directive (GCD) wird aller Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahr beschlossen. Zwar wird noch verhandelt und an einzelnen Formulierungen geschraubt. Es ist auch noch immer nicht klar, wer wie die Einhaltung der GCD genau kontrollieren wird, aber sei es drum: Wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, dann kommt die Richtlinie und wird dann binnen 24 Monaten in nationales Recht umgesetzt.  

Wer eine Marke führt, die noch mit umweltbezogenen Aussagen, wie etwa umwelt-, klima- oder bienenfreundlich, grün, nachhaltig, CO2-neutral oder (meine Lieblingsirreführung:) „rifffreundlich“ und dergleichen wirbt, wird sich hoffentlich längst mit Alternativen beschäftigt haben. Oder diese Aussagen hieb- und stichfest beweisen können. Selbstgebastelte Siegel sollten ebenfalls besser schon von den Verpackungen verschwunden sein.  

In der Agenturszene, namentlich im GWA, kümmert man sich schon seit längerem darum, die Werbungtreibenden über das Go und No-Go in der Nachhaltigkeitskommunikation zu informieren. Aktuell meldet die Peter Schmidt Group ein neues Angebot in Sachen Green Claims: Die Agentur arbeitet künftig mit Britta Klingberg, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz und Partnerin der Kanzlei Boege Rohde Luebbehuesen (BRL), zusammen, um die Nachhaltigkeitskommunikation von Marken auf deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.  

„Wenn eine Werbeaussage nicht begründbar ist, dann ist sie illegal“ 

Laut der Juristin ist es für Unternehmen „höchste Eisenbahn“, ihre Kommunikation auf den Prüfstand zu stellen. „Die großen Marken werden zwar sicher viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit stehen als die kleinen, aber die kleinen Unternehmen betrifft die GCD eben auch“, erklärt sie. Auch wenn sie vielen Werbungtreibenden vielleicht lästig erscheine, verfolge die Richtlinie „der Sache nach die richtigen Ziele“.  

Auch Aleksandar Djordjevic, Junior Strategist bei der Peter Schmidt Group, kann der GCD nur positive Seiten abgewinnen: „Für die Konsument*innen ist die Richtlinie super, denn sie wollen nicht getäuscht werden, und für Unternehmen macht sie die Nachhaltigkeitskommunikation viel einfacher, denn wenn sie nachweislich gut handeln, können sie das herausstellen.“ Somit haben diejenigen Marken das Nachsehen, die lügen, tricksen, schummeln und beschönigen. Der Stratege bringt das auf die eingängige Formel: „Wenn eine Werbeaussage nicht begründbar ist, dann ist sie illegal.“  
 

Er prophezeit: Die Produktkommunikation werde künftig konkreter, einfacher und nachvollziehbar. Statt „aus recyceltem Material“ heißt es dann zum Beispiel „zu 80 Prozent aus recyceltem Material“ oder statt „klimafreundlich“ zum Beispiel „produziert mit selbst erzeugtem Solarstrom“. Übrigens: Auch die Bildwelten stehen auf dem Prüfstand. Wer beispielsweise auf der Verpackung eines Frischkäses grasende Kühe im Alpenvorland zeigt, sollte auch die Milch grasender Kühe aus dem Alpenvorland verwenden. Und nicht die Milch von Tieren, die im Stall gehalten werden. Man darf jetzt schon gespannt sein, welche Dinge mit der GCD ans Licht kommen werden.  

Was war sonst noch?

Google bezeichnet sich neuerdings nicht mehr als CO₂-neutral. Grund dafür ist unter anderem der KI-Boom, der die Treibhausgasemissionen von Google in den vergangenen fünf Jahren um 48 Prozent nach oben schnellen ließ.  

Laut dpa will Ultra-Fast-Fashion-Konzern Shein in den kommenden fünf Jahren 250 Millionen Euro in der EU und Großbritannien in eine „zukunftsfähige Modeindustrie“ investieren, davon sollen 200 Millionen Euro in einen Kreislaufwirtschaftsfonds fließen. Viele, viele Kritiker*innen mögen nicht an die hehren Versprechungen glauben.  

Vertraut man der 6. Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) – und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun –, dann wissen 57 Prozent der befragten Deutschen nicht, dass niedrigere Tempolimits zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen können. Immerhin 67 Prozent gaben an, dass öffentliche Verkehrsmittel besser sind als das eigene Auto. Was die Frage aufwirft, ob 33 Prozent glauben, ihr Auto sei nicht klimaschädlich. Bitte, liebe Kommunikationsprofis da draußen, tut was! 

Super Idee, Kopenhagen!

Zum guten Schluss noch ein Tipp für alle Nachhaltigkeits-Fans auf der Suche nach dem richtigen Urlaubsziel: Die Tourismusorganisation Wonderful Copenhagen testet vom 15. Juli bis zum 11. August das Pilotprojekt CopenPay, das Tourist*innen belohnt, die sich an „climate-friendly actions“ beteiligen. Wer Fahrrad fährt, Öffentliche Verkehrsmittel nutzt, dabei hilft, Parks zu pflegen, Müll zu sammeln oder beim Urban Farming mitmacht, bekommt dafür zum Beispiel einen Kaffee, ein vegetarisches Essen, eine Kajak-Tour, rabattierte Museumseintritte oder ein Eis.  

Das dürfte schon deshalb ein großer Spaß sein, weil man bei vielen der Aktionen mit Einheimischen in Kontakt kommt. Die Kampagne dient übrigens explizit nicht dazu, den Tourismus zu fördern, sondern, so Mikkel Aarø Hansen, CEO von Wonderful Copenhagen: „With CopenPay, we’re empowering people to experience more of what Copenhagen offers while placing less burden on our planet. It’s about creating meaningful and memorable experiences that are enjoyable and environmentally responsible.“ Eine super Idee! 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“