Von Anne-Kathrin Keller
H&M scheint in allen Bereichen der Gesellschaft angekommen. Die schwedische Modekette bietet Massenkollektionen für ein junges Publikum und preisbewusste Konsumenten. Inzwischen existieren über 2.300 Filialen in 43 Ländern, davon ein Großteil in Deutschland mit 346 Geschäften in 202 Städten. Der Umsatz liegt bei gut 14 Milliarden Euro.
Mit Kollektionen von David Beckham, Versace oder Lagerfeld schafft das Unternehmen es immer wieder hochwertige begehrenswerte Mode preisgünstig und imagefördernd an Mann und Frau zu bringen. Jetzt scheint die Marke H&M sogar den Sprung auf den heißumkämpften roten Teppich großer Veranstaltungen geschafft zu haben.
Helen Hunt, Preisträgerin von 1998, erschien am vergangenen Wochenende in einem strahlend blauen Kleid auf dem roten Teppich der Oscarverleihung. Auf die Frage der Reporter, was sie trage, antwortete Hunt: H&M. „Ich mag, dass sie tragbare Kleidung machen.“ Die Schweden dürfte es freuen, nutzen die großen Hollywood-Diven das Schaulaufen auf dem roten Teppich normalerweise, um die teuersten Kreationen der angesagtesten Designer zu zeigen und deren Umsatz zu fördern.
Recycling von Kleidung und Image
Nicht nur mit seinen Kollektionen, sondern auch mit seinen Nachhaltigkeitsaktionen will das Unternehmen wahrgenommen werden. Vergangene Woche startete die Modekette eine weltweite Initiative zum Kleidersammeln. Kunden sollen künftig getragene Kleidung gegen einen Rabatt-Gutschein eintauschen können. H&M-Chef verkündete in der vergangenen Woche: „Wir wollen der Umwelt Gutes tun“. So selbstlos ist der Ansatz wohl kaum, denn die Aktion ist nicht nur werbetechnisch brilliant und imagefördernd, sondern sollte vor allem den Umsatz erhöhen.
Der Gutschein, den Kunden erhalten, wenn sie ihre Kleidung abgeben, gewährt 15 Prozent Rabatt auf einen neuen Artikel. Eine Win-Win-Situation: Das Unternehmen sorgt dafür, dass weniger Kleidung im Müll landet und setzt gleichzeitig gezielt Kaufanreize. Die Menge der abgegeben Kleidungsstücke ist nicht entscheidend. Pro Tag dürfe ein Kunde allerdings maximal zwei Tüten abgeben. Akzeptiert werden Kleidungsstücke von allen Marken, egal in welchem Zustand.
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema für die junge H&M-Zielgruppe. Nach wie vor werden Kleidungsstücke zwar nur ein paar Mal getragen, dann aber anderen zur Verfügung gestellt. Tauschportale wie kleiderkreisel.de könnten zukünftig den Umsatz der Modehäuser beeinflussen. Auch dem wirkt H&M mit seiner Aktion entgegen.
Kritik folgt sofort
Doch nicht nur die umsatzfördernde Seite des H&M-Recycling steht in der Kritik. Generell ist das Geschäft mit getragener Kleidung stark umstritten. Ein großer Anteil alter gesammelter Textilien wird noch Afrika gebracht, wo dadurch heimische Produzenten vom Markt verdrängt werden.
H&M möchte mit der Aktion im Rahmen der gegründeten „Conscious Stiftung“ zusammen mit seinem Partner I:Collect einen geschlossenen Kreislauf für Textilien und deren Weiterverarbeitung anbieten. Zu viele Kleidungsstücke würden im Müll laden, obwohl diese fast vollständig erneut genutzt werden könnten.
Bei H&M heißt es, die gesammelten Kleidungsstücke werden von H&Ms Partner I:Collect übernommen, “der eine etablierte Infrastruktur für eine Weiterverarbeitung bietet, um Konsumgüter einem neuen Nutzen zuzuführen.” Das bedeutet laut H&M-Angaben: I:Collect holt die zurückgegebenen Kleidungsstücke ab und sortiert diese in einem Werk bei Leipzig. Kleidung, die noch tragbar sei, werde als Secondhand-Ware weiterverwendet. Textilien, die nicht mehr tragbar seien, würden zum Beispiel zu Putzlappen verarbeitet oder zur Herstellung von Dämmstoffen genutzt.
In deutschen 80 Pilotfilialen hat H&M die Kleidersammlung bereits begonnen. Ein Teil des Geldes, das H&M mit der Aktion einnimmt, will das Unternehmen auf diesem Weg in die Forschung stecken und so herausfinden, wie aus abgetragenen Kleidungsstücken umweltschonend neue werden können.
Arbeitsbedingungen, Baumwollanbau und Produktionsrouten
Bei allen Erfolgen, die H&M feiern kann, steht das Unternehmen seit Gründung immer wieder in der Kritik. Die günstigen Preise von T-Shirts und Co. geben Anlass die Produktionsbedingungen zu prüfen. Vorwürfe über nicht nachhaltigen Anbau von Baumwolle, Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitern in Entwicklungsländern werden immer wieder laut. Zeitreporter Wolfgang Uchatius wollte beispielsweise herausfinden, wie ein T-Shit, das fünf Euro kostet, hergestellt wird. Er begab sich auf eine Reise um die Welt um die Produktionsschritte von der Baumwollernte bis zur Auslieferung zu dokumentieren. Sein Artikel kritisiert die Subventionspolitik der Amerikaner für den Baumwollanbau und deren Auswirkung auf die Weltmarktpreise, die Zustände in Fabriken in Dharka und die Frachtraten auf der Asienroute der T-Shirts.
Derartige Kritik bleibt nicht ungehört. H&M gibt das Versprechen den Preis weiter niedrig zu halten, kämpft aber für sein Image. Knapp 100 Seiten umfasst der Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens. Die Homepage präsentiert die Werte der Modekette. Sie trete gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung ein. So stellt das Unternehmen mit der „Conscious Collection“ recycelte Kleidung her und spielte eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der „Sustainable Apparel Coalition“, die an der Erstellung eines übergreifenden Verzeichnisses arbeitet, um die Auswirkungen der Kleidungs- und Schuhindustrie auf die Umwelt darzustellen und gerechte Arbeitsbedingungen zu unterstützen.