Wie Churn Rates den Marketingmix bereichern

Die Churn Rate oder auch Abwanderungsrate ist eine der wichtigsten Kennzahlen, um den Erfolg von Newslettern zu messen. Warum? Weil sie ein zentraler Indikator ist, wenn man mehr über seine Kund*innenbeziehungen erfahren und nachhaltig wachsen will.
Hiergeblieben! Newsletter-Abonnenten sind manchmal leichter zu gewinnen als zu halten. (© Hinterhaus Productions, Getty Images)

„Newsletter sind ein machtvolles Instrument, das anders als Social Media unabhängig von Algorithmen funktioniert“, sagt Kathleen Jaedtke, Marketingchefin von HubSpot. „Außerdem sind sie kostengünstig, wenig zeitintensiv und skalierbar.“ Kurz: Sie gehören unbedingt in den Marketingmix.

Dass Inhalte automatisiert erstellt und verschickt werden können, bedeutet aber noch lange nicht, dass man den Kanal Newsletter durchgespielt hat. Im Gegenteil: Es geht bei diesem Tool eben nicht nur um schnellen Abverkauf und Reichweitensteigerungen. Es geht vielmehr um langfristiges Wachstum und Kundinnenbindung.

Nachhaltigkeit heißt nicht nur Grün

Und da kommt die Churn Rate ins Spiel. Die Abwanderungsrate berechnet sich aus der Anzahl der Kundinnen, die sich in einem vorher definierten Zeitraum abgemeldet haben, geteilt durch die Anzahl der Kundinnen, die der Verteiler zu Beginn dieses Zeitraums hatte. Je niedriger die Churn Rate, desto besser. Obwohl … Henning Borchers, Geschäftsführer der Hamburger Agentur June, schränkt ein: „Man muss unterscheiden zwischen einer transparenten und einer nicht­transpa­renten Churn Rate. Leute, die den Newsletter gar nicht erst öffnen, laufen in die nichttransparente Churn Rate rein.“ Diese Unterscheidung ist wichtig, denn eine hohe Zahl sogenannter Hard Bounces, der transparenten Churn Rate, oder auch von Spam Traps, der nichttransparenten Churn Rate, kann zur Sperrung eines Absenders führen. Und das, so Borchers, gelte es unbedingt zu vermeiden. Wie aber gelingt es einem nun, die Churn Rate zu senken? Wir haben 14 Tipps zusammengestellt, die Sie ganz einfach umsetzen können.

Zalando nutzt die Newsletter-Anmeldung, um mehr über seine Abonnent*innen rauszufinden: Interessieren sie
sich für Damen- oder doch eher für Herrenmode? ©Zalando (Screenshot: absatzwirtschaft)

Vor der Anmeldung

1 – Die Frage nach dem Mehrwert

Als Absender sollte man sich immer wieder fragen, worin der Mehrwert des eigenen Newsletters liegt. Will man informieren? Oder unterhalten? Hauptsache, man kann die Frage klar beantworten. „Ein guter Newsletter befriedigt die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser und deckt dabei im besten Fall verschiedene Ebenen ab: Information und Service, Unterhaltung und Emotionalität“, sagt Franziska Bluhm, freie Digitalberaterin. Und sie ergänzt: „Auch Reibung kann die Verbundenheit mit einer Marke stärken.“

2 – Die Tonalität der Ansprache

Die Tonalität in der Ansprache
Statt mit standardisierten Textblöcken zu arbeiten („Vielen Dank für Ihre Anmeldung“), können Sie diese ersten Touchpoints auch dafür nutzen, Ihre Markenwerte zu transportieren.

3 – Transparenz in eigener Sache

Damit die Userinnen wissen, was sie erwartet, lohnt es sich, einen alten Newsletter zu verlinken – die Rückschau als Vorschau, wenn man so möchte.

4 – Weitere Daten abfragen

Weitere Daten abfragen Jedes zusätzliche Formularfeld reduziert die Zahl der Anmeldungen. Überlegen Sie deshalb sehr genau, welche und wie viele Informationen Sie direkt nach der Bestellbestätigung abfragen möchten. Digitalstrategin Bluhm nennt die Newsletter von ­MyMuesli und Zalando als Positivbeispiele. Ersterer würde über die Frage nach dem nächstgelegenen Laden Geo-Daten sammeln, zweiterer würde das Sortiment eingrenzen (Damen/Herren/Kinder). „Eine frühe Segmentierung der Zielgruppe ist wichtig, um Inhalte gezielt ausspielen zu können“, sagt auch HubSpot-Managerin Jaedtke. Auch die Frequenz, mit der man den Newsletter versendet, sollte man austesten: „Dafür kann man entweder KPIs auswerten oder noch besser direkt nach Feedback fragen.“

In der Kund*innenbeziehung

5 – Das eigene Versprechen halten

Was man den Nutzerinnen versprochen hat – Stichwort: Mehrwert –, sollte man auch einlösen. Das versteht sich von selbst, ist aber durchaus die anspruchsvollste Aufgabe in dieser Liste. „Im Gegensatz zu Social Media landen Newsletter im Postfach, und Leserinnen entscheiden, ob und wann sie lesen. Im besten Fall wird ein Newsletter zum Ritual, und man freut sich schon darauf“, sagt Franziska Bluhm.

6 – den Verteiler pflegen

„Es macht keinen Sinn, mit Karteileichen zu kommunizieren“, sagt Nico Zorn, Geschäftsführer der CRM- und E-Mail-Marketing Agentur Saphiron. Im Gegenteil, das berge sogar Gefahren. „Wird der Newsletter von einer Person als Spam eingestuft, kann dies zur Folge haben, dass auch andere Nutzerinnen eines Providers ihn nicht mehr in ihrem normalen Postfach sehen.“ Borchers schlägt für die Zwischenzeit vor, eine Re-Engagement-Kampagne zu prüfen, „etwa indem man im E-Commerce mit Rabatten arbeitet, im Content-Bereich Inhalte vor eine Paywall zieht oder den Usern die Möglichkeit gibt, ihre Präferenzen neu zu definieren.

Ein guter Newsletter deckt im besten Fall verschiedene Ebenen ab: Information und Service, Unterhaltung und Emotionalität.

Franziska Bluhm, freie Digitalberaterin
7 – Button „Newsletter pausieren“ einfügen

Einen Teil der Abmeldungen kann man abfangen, wenn man den Abonnentinnen die Möglichkeit einräumt, den Newsletter zu pausieren – oder die Frequenz anzupassen.

8 – Die Position des Abmelde-Buttons

Mit Blick auf die Customer Experience ist nicht zielführend, die Abmeldung kompliziert zu gestalten. Man sollte sich eher fragen, wo man den Abmelde-Button besonders prominent platzieren kann, zum Beispiel in den Metainformationen. Provider wie Google Mail bewerten dies positiv. Außerdem: Wenn jemand den „Spam“-Button statt des „Unsubscribe“-Buttons drückt, ist das viel schlimmer – denn es geht auf Kosten der Zustellrate.

MyMuesli versucht, über die Frage nach dem nächst­gelegenen Laden Informationen zum Wohnort der News­letter-Abonnent*innen zu sammeln. ©MyMuesli (Screenshot: absatzwirtschaft)
9 – Pushen in Maßen

Zehn oder 15 Prozent Rabatt in einem Online­store für eine Newsletter-Anmeldung sind keine Seltenheit. Ob jemand nach der Bestellung aber Abonnentin bleibt, ist fraglich. „Es hilft, Newsletter nicht als werbe­rele­vante Verteiler, sondern als Instrument der Kundinnenbindung zu begreifen. Wenn man die Kund*innen täuscht, indem man beispielsweise erst einen Gutschein ankündigt und nachträglich einen Mindestbestellwert kommuniziert, verspielt man Vertrauen“, sagt E-Mail-Marketing-Experte Zorn. „Insofern ist es fahrlässig, auf kurzfristige KPIs zu schauen. Entscheidend ist der langfristige Erfolg.“

10 – Pullen möglich machen

Die meisten Newsletter im deutschsprachigen Raum haben keinen „Weiterempfehlen“-Button. Außerdem: Bei Weiterleitung eines Newsletters sollte man sich direkt aus dem Newsletter anmelden können.

11 – In den Dialog gehen

Nutzen Sie interaktive Elemente, um die Datenqualität zu verbessern. Und integrieren Sie immer wieder den Net Promoter Score. Agenturchef Borchers sagt: „Umfragen helfen einem, die aktuelle Zufriedenheit ab­zufragen und künftige Optimierungen umzusetzen.“

12 – Wer schickt hier eigentlich was?

Die Adresse des Absenders sollte keineswegs mit „do not reply“ beginnen beziehungsweise ins Leere führen. Ein Newsletter ist keine Einbahnstraße!

13 – Button „Weniger Newsletter“ einfügen

Statt nur einen Abmelde-Button anzubieten, könnte man auch einen Button „Weniger Newsletter“ einbauen, rät Zorn. Damit ließen sich vermutlich einige Abmeldungen verhindern. Denn der Hauptgrund für Abmeldungen sind nämlich zu viele Mails.

Nach der Abmeldung

14 – Die Abmeldung als Chance ­begreifen

Fragen Sie ruhig nach den Beweggründen für eine Abmeldung. Aber tun Sie dies erst nach der eigentlichen Abmeldung, niemals davor!


Kleines Raten-ABC

  • Die Abwanderungsrate, auch bekannt unter dem Namen Churn Rate, misst den Anteil der Abwanderungen im Verhältnis zum Gesamtverteiler. Je niedriger sie ist, desto besser. Um wachsen zu können, muss die Zahl der Anmeldungen die Zahl der Abmeldungen in einem bestimmten Zeitraum übersteigen.
  • Die Antwortrate lässt Rückschlüsse über das In­volve­ment zu und ist damit die wohl wichtigste Rate mit Blick auf die Kund*innenbindung. Über Umfragen, Gewinnspiele oder ­Leser*innen-Feedback kann man wertvolle Daten sammeln, um die eigenen Produkte weiterzuentwickeln.
  • Die Bounce-Rate beschreibt die Zahl der Nachrichten, die nicht zugestellt werden konnten. Hard Bounces meinen die dauerhafte Nichtzustellbarkeit, Soft Bounces eine tempo­räre. Auch Spam Bounces fließen in diese Rate rein.
  • Die Click-Through-Rate gibt an, wie viele derjenigen, die den Newsletter ­geöffnet haben, auf einen der Links geklickt haben. Sie bezieht sich also nicht auf den Gesamtverteiler, sondern nur auf einen ­Ausschnitt.
  • Die Klickrate berücksichtigt darüber hinaus, dass ­eine Person auch mehr als einmal auf einen Link oder mehrere Links geklickt haben kann. Über A/B-Tests kann untersucht werden, welchen Einfluss die Rei­hen­folge der Inhalte, sprich der dramaturgische Aufbau, auf die Klickraten hat.
  • Die Öffnungsrate hat sich mit dem iOS-15-Update bei den meisten Unternehmen um etwa 10 bis 15 Prozent erhöht. Wenn Apple-Nutzer*innen nicht widersprochen haben, öffnet das Programm Mail die Nachrichten nämlich ­automatisch. Ihre Aussagekraft im Vergleich zu Werten aus der Vergangenheit ist also eingeschränkt. Um echte Öffnungsraten zu bekommen, sollte man Pixel oder Grafiken einbauen, die erst noch geladen werden müssen.
  • Die Repurchase-Rate hat eine hohe Aussagekraft mit Blick auf die Kund*innen­zufriedenheit. Hierhinter ver­bergen sich Stammkund*innen.
  • Die Zustellrate gibt an, wie viele Kontakte aus ­Ihrem Verteiler den Newsletter auch wirklich erhalten haben. Durch Jobwechsel kann diese Zahl gerade im B2B-Bereich stark variieren. Es ist ratsam, den Verteiler regelmäßig zu bereinigen – auch um nicht im Spam zu landen.

*Transparenzhinweis: Die absatzwirtschaft arbeitet mit June zusammen. Die Agentur hat für uns den Relaunch unserer Website umgesetzt.

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.