„Denkt bitte nicht mehr in Mobile First, sondern in Mobile Only.“ Das ist ein Ratschlag, den Mirko Kuhr seinen Kund*innen mit auf den Weg gibt, wenn diese die Gen Alpha ansprechen möchten. Kuhr ist Digital-Berater bei New Communication und hat es oft mit Unternehmen zu tun, die nach Möglichkeiten suchen, auch sehr junge Zielgruppen zu erreichen. Eine Kommunikationsstrategie für diese Altersgruppe ist stets produktabhängig. Aber das richtige Device spielt laut Kuhr eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche Ansprache. Kinder sind auf mobilen Endgeräten unterwegs, wissen, wie man sie bedient, und können Apps auch ohne Anleitung intuitiv nutzen.
Der Umgang mit Desktop-PCs oder Laptops ist ihnen hingegen kaum vertraut. „Ebenso muss sich eine Gen-Alpha-Kommunikationsstrategie auf schnell zu erfassenden Content konzentrieren“, rät der Experte. Auf Authentizität sollten Marken ebenfalls achten. „Wenn sich ein Unternehmen als umweltbewusst darstellt, aber die Nachrichten anderes berichten, bekommt das insbesondere die sehr junge Zielgruppe sehr schnell mit. Das kann negative Langzeitfolgen haben und eine spätere Kundenbeziehung verhindern“, so Kuhr.
Mit dem Smartphone geboren
Der KIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) zufolge besitzt die Hälfte der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren ein Smartphone.
Entsprechend liegt die Nutzung des Mobiltelefons auch bei den mediengebundenen Freizeitaktivitäten mit 65 Prozent an der Spitze, gefolgt von digitalen Spielen (60 Prozent) und der Internetnutzung. Das Mobiltelefon hat bereits einen festen Platz im Alltag der 6- bis 13-Jährigen gefunden. Knapp die Hälfte der Kinder (47 Prozent) nutzt es jeden oder fast jeden Tag.
„Die Gen Alpha erreichen Unternehmen vorrangig über digitale Kanäle“, ist auch Rolf Kosakowski, Geschäftsführer von KB&B, einer Spezialagentur für Kinder- und Familienmarketing, überzeugt. Der Dienstleister betreibt ein digitales Umfragepanel, mit dem Kinder direkt befragt werden können, und hat daher einen sehr guten Einblick in die Gewohnheiten und Entwicklungen dieser jungen Generation. „Kinder dieser Zielgruppe sind es gewohnt, ihre Inhalte selbst zusammenzustellen“, sagt Kosakowski, „völlig egal ob Audio, Bewegtbild oder Games – sie wissen, wo sie es bekommen.“ Marken sollten daher vor allem in den digitalen Kanälen und insbesondere in Social Media präsent sein.
Vordergründig geht es dabei aber nicht um plumpe Werbung, sondern um Unterhaltung. Wie dies in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Leonine, das von KB&B umgesetzt wurde. Das Medienunternehmen hatte das Ziel, die Markenbekanntheit der Hörspiele „Panini Sports Academy“ direkt in der Zielgruppe zu steigern. Man entschied sich für eine Social-Media-Kampagne. Die Agentur identifizierte vier TikTok-Influencer*innen – zwei im Bereich Familie und zwei im Bereich Fußball. Mit diesen Influencer*innen erarbeitete man individuelle Konzepte, die unter anderem das beliebte Lip Sync, aktuelle Trends sowie ein passendes Hashtag (#paninisportsacademy) umfassten. Die beworbenen Hörspiele wurden als Hintergrundmusik integriert und die Produkte in den Videos platziert.
In einer ersten Phase begleitete ein Gewinnspiel die Kampagne. Mithilfe dieser Influencer-Strategie konnte das Medienhaus auf TikTok mehr als eine Million Video-Views und über 50.000 Reaktionen generieren. Dass man hier den richtigen Kanal gewählt hatte, verdeutlicht auch die KIM-Studie des mpfs. Demnach ist TikTok bei den unter 13-Jährigen bereits das zweitwichtigste Social-Media-Netzwerk (42 Prozent nutzen es) und rangiert damit in der Gunst der Kids noch vor Instagram (30 Prozent). Unangefochten auf Platz eins steht mit 76 Prozent der Messenger-Dienst WhatsApp.
Auch Befragungen von KB&B kommen zu ähnlichen Ergebnissen. „In einer aktuell von uns durchgeführten Umfrage hat uns besonders überrascht, dass bereits bei den Acht- bis Neunjährigen mit 53 Prozent mehr als die Hälfte der Kinder WhatsApp nutzen – mehrfach täglich“, sagt Kosakowski. Und das obwohl laut Betreiber WhatsApp erst ab einem Alter von 16 Jahren genutzt werden darf. Egal ob Familien- oder Klassen-Chat: Nach Einschätzung von Kosakowski werden Kinder bereits ab dem Grundschulalter auch in WhatsApp sozialisiert. Dort lernen sie intuitiv, Sprachnachrichten zu verfassen, Emojis einzusetzen, Kurznachrichten zu schreiben und Bilder an Freunde oder Familienmitglieder zu verschicken.
Online-Gaming ist die neue Normalität
Mit diesen Fähigkeiten ausgerüstet, wundert es nicht, dass Kinder auch das Spielen zunehmend in den digitalen Raum verlagern. Sie zocken online über Konsole, Tablet oder Smartphone – und das häufig gemeinsam mit ihren Freund*innen. Vor allem die größeren Kinder der Gen Alpha sind oft über in das Spiel integrierte Chat- oder Audiofunktionen mit ihren „Buddies” verbunden, während sie gemeinsam virtuelle Abenteuer erleben oder Siege feiern. „Gaming ist für die Alphas Normalität wie Kino oder Musikhören“, sagt Kosakowski. Laut einer aktuellen Befragung des Dienstleisters spielt bereits jede*r dritte Acht- bis Neunjährige „Minecraft” (34 Prozent) und jede*r fünfte „Roblox” (19 Prozent).
Für Marken bieten Online-Spiele spannende Umfelder, um sich zu präsentieren und künftige Käufer*innen auf sich aufmerksam zu machen. So hat beispielsweise Nike kürzlich in „Roblox“ ein „Nikeland“ eröffnet, das dem tatsächlichen Hauptsitz des Unternehmens nachempfunden ist. Die Gamer*innen finden dort unter anderem einen digitalen Showroom, in dem sie ihren Avatar mit speziellen Nike-Produkten ausstatten können. Im gleichen Spiel hat der Sportschuhhersteller Vans einen virtuellen Skatepark eingerichtet, auf dem die Spieler*innen nicht nur untereinander ihr Können zeigen, sondern auch die Skateboards, Kleidung und Schuhe ihres Avatars individuell im Marken-Look gestalten können. In Online-Spielen bieten Marken Spaß und beste Unterhaltung. Das kommt bei vielen Kids sehr gut an.
Streamingportale bei Gen Alpha hoch im Kurs
Auch auf Streamingportalen wird Unterhaltung bei der Gen Alpha großgeschrieben. Während Netflix und Amazon Prime kostenpflichtig sind, finanzieren sich andere Angebote über Werbung, beispielsweise das bei jungen Gamern beliebte Twitch oder Pluto TV, das mittlerweile zahlreiche Kindersender integriert hat. Insbesondere das reichweitenstarke YouTube ist für Werbetreibende attraktiv. Um ältere Kinder anzusprechen, sind YouTube-Influencer*innen dort ein beliebtes Werbeumfeld. Speziell an Kinder bis zwölf Jahre richtet sich die Mobile App YouTube Kids. Da die App kostenfrei ist, wird sie über Werbeanzeigen finanziert, die von der Plattform als familienfreundlich genehmigt wurden.
Besitzt eine Marke genug Strahlkraft, kann sie die Gen Alpha auch auf ihre eigene Website ziehen. So wie Porsche. Der Automobilhersteller bietet auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite (Porsche4Kids.de) Branded Entertainment für die Jüngsten. Die Kinder erwarten Ausmalbilder, Bastelanleitungen, Buchstabensalate, Memory-Pärchen, Puzzlespiele und Suchbilder. Damit setzt Porsche auf eine Markenbildung in sehr frühem Alter. Die Autoschmiede möchte den Kids nach eigenem Bekunden damit den Zugang zur Mobilität von heute und morgen sowie zu gesellschaftlich relevanten Themen wie Nachhaltigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr ermöglichen. So wird den Kindern im Blog beispielsweise erklärt, was Elektromobilität bedeutet.
Eltern in der Kommunikation berücksichtigen
Auch Carola Laun vom Kinder & Jugend Marketing Kontor geht es darum, junge Menschen langfristig an Themen heranzuführen. Das Beratungsunternehmen arbeitet fast ausschließlich für Kunden, die gar keine Kinderprodukte verkaufen. „Unser Ziel ist es, junge Menschen für Themen zu begeistern“, sagt Laun. Eine wichtige Rolle für die Kommunikation spielen aus ihrer Sicht die Eltern der Gen Alpha. Je kleiner die Kinder, desto wichtiger sei es, die Eltern einzubeziehen. Einer der wirksamsten Kanäle für die Ansprache der Alphas ist aus ihrer Sicht daher die Live-Kommunikation. Ob Stadtfest, Weltkindertag oder Familien-Festival – solche Live-Events bieten zahlreiche Kommunikations- und Präsentationsmöglichkeiten und bewirken der Expertin zufolge viel für die Markenbindung. „Für Eltern und Kinder können gemeinsame Erlebnisse in fröhlicher Atmosphäre geschaffen werden, die auf eine Marke einzahlen“, sagt Laun.
Auch der Weg über Schulen und Kindergärten kann eine gute Möglichkeit sein, Kinder frühzeitig an Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz und so indirekt auch an Marken heranzuführen, die sich entsprechend positionieren, beispielsweise durch die Bereitstellung von Materialien oder digitalen Angeboten wie Lernspielen. „Wenn Lösungen didaktisch wertvoll sind, sind Pädagogen auch offen, sie zu nutzen“, sagt Laun. Entwickelt beispielsweise ein Energieversorger ein interaktives Lernspiel zum Einsatz erneuerbarer Energien, eröffnet dies unter Umständen sogar Möglichkeiten, mit den Erwachsenen ins Gespräch zu kommen. „Wer sich ehrlich um Kinder bemüht, gewinnt die Wertschätzung der Eltern“, sagt Laun. Dies sei ein positiver und häufig unterschätzter Nebeneffekt im Kindermarketing. Unabhängig vom Kanal sollte die Ansprache der Kinder aus ihrer Sicht daher vor allem eines sein: verantwortungsvoll.
Dieser Artikel erschien zuerst in der April-Printausgabe der absatzwirtschaft.