Heiko Dertinger liebt Adidas 

Wir haben die Kreativen aus den Top-Designagenturen nach ihren persönlichen Love Brands gefragt. Heute: Heiko Dertinger, Partner & Head of Design Strategy bei Martin et Karczinski.
Love Brand Adidas
Heiko Dertingers Lieblingsmarke hat 3 Streifen. (© Montage: Olaf Heß)

Meine Love Brand ist Adidas.

Wie fing es an? Mit den drei Streifen. 

Ich kam mit dieser Marke bereits als kleiner Junge in Berührung, als ich anfing, Fußball im Verein zu spielen. Meine Eltern haben mir damals nicht ausschließlich Adidas-Schuhe oder -Trainingsanzüge gekauft und auf den Bolzplätzen oder in den Turnhallen waren auch andere Sportmarken präsent. Doch Adidas hatte einen Vorteil: die drei Streifen. Mit den drei Streifen konnte die Marke eine Person sozusagen von oben bis unten markieren und damit eine solche Präsenz erzeugen, dass ich den Nike Swoosh auf einem Kleidungsstück nur als einen kleinen Akzent wahrgenommen habe.

Wie ging es weiter? Mit der Entwicklung von der Sportmarke zur Lifestylemarke.

Inzwischen ist Adidas keine reine Sportmarke mehr, sondern vielmehr eine Lifestylemarke, die zu allen Anlässen, in allen Gesellschaftsschichten, in allen Alterssegmenten getragen wird. Trotz dieser Ausdehnung der Marke in viele Sportarten, in so gut wie alle Kleidungssegmente, über mehrere Preissegmente bis hin zum Luxus, hebt sich die Marke in meiner Wahrnehmung doch von purer modischer Oberflächlichkeit ab.  

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“Auch dein bester Freund macht Fehler und ist nicht perfekt”, sagt Heiko Dertinger. Die Freundschaft würde er ihm deswegen nicht kündigen. So hält er es auch mit seiner Lieblingsmarke. (© Martin et Karczinsk)

Und heute? Nobody is perfect, aber alles ist gut. 

Finde ich an Adidas alles gut? Nein! Marketingtechnisch und kommunikativ konnte Adidas aus meiner Sicht noch nie mit Nike mithalten. Aus einem Produktfeature, wie zum Beispiel der Dämpfungstechnologie, eine Marke wie Nike Air und aus dem Sportler Michael Jordan die Marke Air Jordan zu machen, ist Adidas nie gelungen.  

Auch in Sachen Haltung kann Adidas mit Nike nicht mithalten. Mit der Mission, Athleten zu unterstützen und der Haltung, jeden, der einen Körper hat, als Athleten zu betrachten, bezieht Nike klar Position. Und Nike kommuniziert diese Haltung nicht nur, sondern handelt auch danach, indem das Unternehmen gesellschaftspolitisch Stellung bezieht. Mit der Verpflichtung von Colin Kaepernick als Werbebotschafter zu einer Zeit, als dieser sich gegen Polizeibrutalität und Rassenungleichheit positionierte, hat Nike bewusst Börsenverluste in Kauf genommen. Adidas dagegen hat während der Pandemie von sich Reden gemacht, als das Unternehmen die Mietzahlungen für geschlossene Läden ausgesetzt hat und damit die finanzielle Belastung an die Vermieter weitergegeben hat. Erst nach erheblicher öffentlicher Kritik und Boykottaufrufen hat das Unternehmen diese Entscheidung wieder zurückgenommen.  

Wir bei Martin et Karczinski vertreten die Auffassung, dass Marken dann am meisten Wirkung erzielen, wenn sie einen klaren Kompass haben und Inhalt, Form und Haltung kohärent sind. Widersprüche rufen Irritation hervor und führen zu Vertrauensverlust. Diesen Nordstern, dem die Marke folgen könnte, scheint Adidas nicht zu haben. Doch es ist nun mal wie im richtigen Leben. Auch dein bester Freund hat Fehler und macht Fehler. Kündigst du ihm deshalb die Freundschaft auf, weil er nicht perfekt ist? Für mich bleibt Adidas trotz aller Schwächen und Unzulänglichkeiten meine Love Brand.