Nichts geht in der Werbung über Authentizität. Dieses Credo galt schon im Jahr 1977, wie ein Bericht über frühe Testimonials in der April-Ausgabe der absatzwirtschaft zeigt. Die Protagonistinnen sind nicht etwa Prominente, sondern – das Wortspiel mag ausnahmsweise erlaubt sein – „waschechte“ Hausfrauen von nebenan. Sie stehen im Zentrum einer Werbekampagne von Henkel für ein neues 60-Grad-Waschmittel namens „Mustang“.
Bei der Headline muss der heutige Leser erstmal schlucken: „Mustang – Testimonials helfen der Hausfrau aufs Pferd“. Auch Formulierungen wie in der Bildunterzeile („Frauen fliegen auf Fleckenlöser“) wären so heute ganz zu Recht verpönt.
Klarnamen und Telefonnummern auf Großplakaten
Doch die Geschichte, die dann erzählt wird, lässt uns doch staunen und schmunzeln. Henkel plakatierte damals bundesweit auf 15.000 Großflächen im öffentlichen Raum die Hausfrauen Helga Hassebrauk aus Kassel, Liselotte Fischer aus Nürnberg und zehn weitere „Plakatdamen“. Der Clou: Auf den Plakaten waren die Frauen nicht nur im Bild und mit Zitaten („Ich kann Ihnen sagen, Mustang holt wirklich mehr Flecken raus, als Sie glauben.“) zu sehen, sondern auch der Zusatz „Ich sag’s Ihnen auch gern persönlich“ samt Telefonnummer!
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Die Kampagne zielte tatsächlich darauf ab, dass neugierige Passanten bei den Frauen anrufen, um sich die Waschmittel-Empfehlungen persönlich bestätigen zu lassen. Der Henkel-Produktmanager – selbstredend war dies ein Mann – wird mit dem Satz zitiert: „Die Kampagne soll die Kraft des Produktes, die durch die Fernsehwerbung emotional vermittelt wurde, rational unterstützen.“
Angenehme Stimme und Schlagfertigkeit gefragt
Dafür bekamen die Frauen einen zusätzlichen Telefonanschluss, der nur in der Zeit zwischen 14 und 17 Uhr freigeschaltet wurde („Die Hausfrauen hatten ja nebenbei auch noch anderes zu tun“). In der übrigen Zeit lief ein Band, das auf die Sprechzeit verwies. Neben einigen Voraussetzungen („fotogen, angenehme Stimme, sprachliches Ausdrucksvermögen und Schlagfertigkeit“) sollten die Frauen auch schon mit Mustang waschen. Sie erhielten außerdem eine Schulung zu Produktinformationen und Wettbewerbsrecht und sollten auf die Frage „Womit haben Sie früher gewaschen?“ auf keinen Fall die Namen von Konkurrenzprodukten wie Ariel oder Omo erwähnen.
Die Resonanz war enorm. So heißt es im Text: „Bei der Düsseldorfer Hausfrau Margot Englaender, die ihren Mädchennamen aktivierte, um ihrem Manager-Mann keine Probleme zu machen, wurden innerhalb der beiden Wochen 1880 Anrufe registriert … 750 kamen zeitgerecht zur Sprechstunde.“
Während ein Großteil der Anrufer und Anruferinnen lediglich wissen wollte, ob sich wirklich Frau Soundso vom Plakat meldete, interessierten sich andere dafür, was die Testimonials verdienen („No comment“), wiederum andere erwiesen sich als „entflammte Verehrer“. Und dann gab es natürlich auch zahlreiche Anfragen zum eigentlichen Thema – so wird die Darmstädter Hausfrau Dagmar Dauré zitiert: „Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Frauen gibt, die Waschprobleme haben.“
Mit diesem Artikel endet unsere Reihe „Es war einmal“. Alle bisher erschienenen Artikel können Sie hier noch einmal nachlesen.