Haltung auf Widerruf? Trumps Kulturkampf zwingt Marken zum Charaktertest

Die US-Regierung fordert deutsche Unternehmen auf, sich von Diversitätsprogrammen zu distanzieren – und droht mit Auftragsentzug. Warum Marken jetzt Haltung zeigen müssen, bevor sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren.
Trumps Kulturkampf und der Druck auf Marken
US-Präsident Donald Trump prüft nun auch die Haltung von deutschen Marken. (© Imago)

Was in den USA längst Teil des politischen Alltags ist, schwappt nun nach Europa: Trumps Feldzug gegen alles, was nach Vielfalt aussieht, erreicht deutsche Unternehmen – per diplomatischer Post. Wie das Handelsblatt berichtet, erhielten etwa zwei Dutzend deutsche Unternehmen in dieser Woche ein offizielles Schreiben mit einem klaren Hinweis: Sie sollten künftig auf Maßnahmen zur Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion (DEI) verzichten. Andernfalls könnten sie Schwierigkeiten bekommen, weiter mit US-Behörden Geschäfte zu machen – etwa bei öffentlichen Ausschreibungen. Diese neue Haltung der US-Regierung wirft viele Fragen auf.

Damit setzt US-Präsident Donald Trump seine Anti-Woke-Agenda nun auch jenseits der amerikanischen Grenze durch. Was unter seinem Schlagwort „Kampf gegen Wokeness“ firmiert, ist politischer Druck in Reinform – wirtschaftlich verpackt. Und der soll nun Wirkung zeigen. Auch in Europa.

Trumps Kulturkampf – jetzt auf EU-Tournee

Bereits Unternehmen in Frankreich, Belgien, Bulgarien und Spanien hatten zuvor ähnliche Schreiben erhalten, berichtet das Handelsblatt. In Frankreich etwa wurden Firmen aufgefordert, innerhalb von fünf Tagen zu bestätigen, dass ihre Projekte „keinerlei DEI-Elemente“ enthalten. Dort lag den Schreiben sogar ein Fragenkatalog bei.

In Berlin betonte man zwar, dass „die meisten angefragten Firmen vermutlich gar nicht unter US-Recht fallen“ Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Unternehmen, die mit US-Stellen Geschäfte machen, sollen nachträglich ihre Unternehmenswerte umdeuten – oder wahlweise einkassieren. Vielfalt bitte nur noch privat, nicht vertraglich. Haltung bitte ja, aber nur innen.

Wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Handelsblatt betonte, seien zunächst nur direkte Vertragspartner der US-Regierung betroffen. Aber das Thema betrifft mehr als diese zwei Dutzend Firmen. Es betrifft alle, die in ihren Leitbildern Diversität stehen haben, die sich über Inklusion definieren, die sich als moderne Arbeitgebermarke inszenieren. Es betrifft Markenidentität, Arbeitgeberattraktivität und Glaubwürdigkeit.

Haltung zeigt sich im Gegenwind

Wenn jetzt die erste Firma sagt: „Naja, dann kürzen wir halt unser DEI-Programm, bevor’s Ärger gibt“, dann hat das eine Wirkung weit über das eigene Portfolio hinaus. Dann kippt nicht nur das eigene Leitbild, sondern die branchenweite Erzählung, dass Haltung nicht nur ein Hashtag ist.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat klargemacht, was nun von den Unternehmen verlangt wird:

„Unternehmensprinzipien gelten unabhängig davon, welche Regierung in welchem Land regiert. Deshalb ermutigen wir die Unternehmen, an ihren Prinzipien festzuhalten.“
(Wolfgang Niedermark, BDI-Hauptgeschäftsführung, im Handelsblatt)

Besser lässt sich es kaum formulieren. Haltung ist nicht tagesaktuell. Sie ist nicht exportabhängig, nicht schwankend, nicht verhandelbar. Denn Haltung, die nur dann gilt, wenn sie nichts kostet, ist keine. Sie ist ein PR-Stunt. Und der fliegt auf – spätestens dann, wenn man auf die Frage „Wofür steht ihr eigentlich?“ keine glaubwürdige Antwort mehr hat.

Was also tun, wenn der Druck wächst?

Zuerst: klar bleiben. Wer Vielfalt glaubwürdig verankert hat – in seiner Unternehmenskultur, in seinen Personalstrategien, in seiner Kommunikation – sollte diese Prinzipien nicht aus Angst vor einem politischen Dekret aufweichen, das in vier Jahren möglicherweise schon Geschichte ist. Haltung, die sich nach der Regierungslage eines Drittlands richtet, ist keine Haltung. Das wissen nicht nur Stakeholder oder die Märkte. Gerade in unübersichtlichen Zeiten erwarten letztlich die Kund*innen Orientierung.

Ebenso wichtig: intern kommunizieren. Es reicht nicht, auf Presseanfragen zu reagieren oder still abzuwarten, ob andere zuerst einknicken. Mitarbeitende müssen wissen, wofür ihr Unternehmen steht – gerade dann, wenn äußere Umstände Unsicherheit säen. Wer Diversität und Inklusion zu Kernbestandteilen der eigenen Identität gemacht hat, darf sich jetzt nicht in zweideutiges Schweigen flüchten. Nichts ist schädlicher für Unternehmenskultur und Employer Branding als der Eindruck, die eigenen Werte seien verhandelbar, sobald ein Vertrag auf dem Spiel steht.

Und schließlich: solidarisch denken. Der Druck, der sich derzeit auf einige wenige Unternehmen konzentriert, kann schnell systemisch werden. Wer heute schweigt, lässt morgen andere allein dastehen. Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne sich durch vorauseilenden Gehorsam dem Risiko entziehen – im Gegenteil: Jedes Zugeständnis macht es wahrscheinlicher, dass der nächste Brief schon auf dem Weg ist. Wer jetzt standhaft bleibt, schützt nicht nur die eigene Marke, sondern die Glaubwürdigkeit ganzer Branchen.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.