Die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten wächst in einer Größenordnung, von der man auf gesättigten Märkten sonst nur träumen kann. Der Wunsch nach einer nachhaltigeren Lebensweise ist über alle gesellschaftlichen Schichten vorhanden. Trotzdem klafft zwischen ehrlicher Ambition und tatsächlichem Warenkorb immer noch oft eine große Lücke.
Wo liegt das Problem?
Natürlich lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Aber man kann innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Muster erkennen, die die Menschen von klimafreundlichem Konsum abhalten. An diesen zentralen Hürden müssen Unternehmen ansetzen, um passende nachhaltige Angebote für ihre Zielgruppe bereitstellen:
- Zugang schaffen – nachhaltige Angebote für Klimaschutz-Neulinge
- Auf Werte setzen – die Vorbilder der Gesellschaft mitnehmen
- Mehrheitsfähigkeit schaffen – neue Konventionen für den Mainstream
- Neues ausprobieren – Klimaschutz für progressive Großstädter
Ein tieferer Blick auf die einzelnen Punkte:
Zugang schaffen – nachhaltige Angebote für Klimaschutz-Neulinge
Nachhaltigkeit ist als Konsumkriterium nicht für alle Teile der Gesellschaft gleich wichtig. Das liegt nicht daran, dass bestimmte Leute zu doof sind, die Ausmaße der Klimakrise zu begreifen (das fällt sowieso allen schwer). Es liegt daran, dass sie schlicht andere Probleme haben. Zum Beispiel sind Menschen mit einfachen Jobs und geringen Einkommen häufig primär damit beschäftigt, ihren Alltag mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln zu organisieren. Für sie ist Nachhaltigkeit gleichbedeutend mit „premium“ und damit außerhalb ihrer Reichweite.
Unternehmen, die diese Menschen zu ihrer Zielgruppe zählen, müssen ihnen einen niedrigschwelligen Einstieg bieten – Bioland-Milch bei Lidl, „Food for Future“ bei Penny oder T-Shirts aus Bio-Baumwolle bei Aldi leisten einen wichtigen Beitrag. Solche Angebote an den gewohnten Vertriebsstätten ermöglichen einem großen Teil der Bevölkerung Zugang zu und Teilhabe an klimafreundlichem Konsum. Das schafft Kundenbindung und mittelfristig die Möglichkeit, viele Menschen auf einen klimapositiven Konsumweg zu führen.
Auf Werte setzen – die Vorbilder der Gesellschaft mitnehmen
Auch die älteren Generationen – in soziodemografischen Milieus gesprochen „Etablierte“ und „Traditionelle“ – stehen eher noch am Beginn ihrer Klimaschutzambitionen. Sie scheitern an der Angst vorm Verlust des eigenen Lebensstandards. Und am fehlenden Verantwortungsbewusstsein. Ihren Dienst an der Gesellschaft sehen sie als erfüllt an. Ihr bisheriges Verhalten empfinden sie als durchaus vorbildhaft. Für diese Gruppen ist es keine Frage, ob sie konsumieren. Aber sie lassen beim „Wie“ mit sich reden.
Für diese Bevölkerungsgruppe sind nachhaltige Produktalternativen attraktiv, bei denen Wertigkeit, Langlebigkeit und positive Effekte auf die eigene Gesundheit im Fokus stehen. Hochwertige eBikes sind der Inbegriff dieser Produktkategorie. Aber auch nachhaltige Kleidung oder Elektroautos mit Statuspotenzial gehören dazu. In der Kommunikation sollten diese Menschen bei der Ehre gepackt werden. Wer Vorbild sein will, muss eben auch immer einen Schritt voraus in die richtige Richtung gehen. Für Unternehmen ist es hier besonders wichtig, bei der Kaufentscheidung im Relevant Set zu sein. Denn Angehörige dieser Generation kaufen Dinge nicht mehr zweimal.
Mehrheitsfähigkeit schaffen – neue Konventionen für den Mainstream
Der Mitte der Gesellschaft ist es besonders wichtig, dass ihr Verhalten den geltenden Konventionen entspricht. Sie wollen dazu gehören. Das zeigt sich auch in ihren Konsumentscheidungen. Bei Klimaschutz machen sie gern mit – wenn es die anderen auch tun. Darin liegt auch die größte Herausforderung dieser Gruppe: Nachhaltiges Verhalten ist noch viel zu oft negativ konnotiert. Second Hand lastet etwas leicht Muffiges an. Sharing die Vermutung, man könne sich Besitz nicht leisten. Konsumverzicht die Befürchtung, die Wirtschaft und damit den allgemeinen Wohlstand zu gefährden.
In dieser Gruppe haben etablierte Marken die Macht, Produkte und Verhaltensweisen gesellschaftsfähig zu machen und neue Denkmuster zu etablieren. Wenn Adidas Sneaker aus recycelten Materialien herstellt, hat das eine andere Signalwirkung, als wenn Veja das macht. Deshalb ist es so wichtig, dass gerade etablierte Mainstream-Marken Produktalternativen und neue Narrative finden, die klimafreundliche Verhaltensweisen fördern.
Neues ausprobieren – Klimaschutz für progressive Großstädter
Und was ist mit denen, die schon jetzt ökologisch bewusst konsumieren? Eben jenen progressiven Premium-Kundinnen und Kunden, von denen eingangs die Rede war?
Das sind die Trüffelschweine, das Testlabor der nachhaltigen Zukunft. Denn auch bei ihnen gibt es immer noch blinde Flecken für klimafreundliches Verhalten. Weil auch sie auf einige Dinge nicht verzichten wollen: Und zwar Dinge, die die eigene Persönlichkeit prägen oder zumindest nach außen das Signal senden: Seht her, das bin ich. Ein Cosmopolit, der eigentlich nicht mehr fliegen darf. Ein Individualist, dessen Porsche Oldtimer plötzlich tabu zu sein scheint – das sind schwierige Zwickmühlen.
Das Spannende an diesen Gruppen ist für Unternehmen, dass sie offen sind für ganz neue Produkte/Lösungen und dass sie auch bereit sind, viel Geld in eine nachhaltige Lebensweise zu investieren. Start-ups wie Too good to go oder Sirplus, die abgelaufene oder überschüssige Lebensmittel vor der Tonne retten, können hier genauso als Vorbild dienen wie nachhaltige Anlageformen, zum Beispiel von der GLS Bank oder der Umweltbank. Unternehmen, deren KundInnen jetzt schon in diese Kategorie gehören, können mit überzeugenden Angeboten den Boden für eine Generation loyaler KonsumentInnen bereiten, die Marken mit viel Sendungsbewusstsein in ihrem erweiterten Umfeld bewerben.
Co-Autorin: Kerrin Löhe. Sie ist bei diffferent als Direktorin mit Fokus auf nachhaltige Geschäftsstrategien tätig.
Whitepaper „Guter Konsum“: Nachhaltigkeit wird für Unternehmen vom Differenzierungs- zum Hygienefaktor. Unternehmen sind jetzt in der Pflicht, ihre KundInnen auf dem Weg zu einem klimafreundlicheren Konsum zu begleiten. Das aktuelle Whitepaper „Guter Konsum – Zielgruppen im Klimawandel“ gibt einen detaillierten Überblick über Zielgruppenbedürfnisse, persönliche Hürden und mögliche unternehmerische Lösungsangebote.