Gute Zeiten für Paid Content: Zahlungsbereitschaft steigt, doch welcher Verlag hat das beste Konzept?

Immer mehr Menschen sind bereit, für journalistische Inhalte im Internet auf den Pay Button zu klicken. Vor allem Zeitungen profitieren von dem aufkommenden Zahlungswillen der Leser.

Digitalabos halten länger

Die „SZ“ bewirbt ihr Angebot kontinuierlich und nutzt dabei alle möglichen Kanäle. Die Neuabonnenten werden jeweils etwa zur Hälfte über E-Mail, Online-Marketing und Social Media sowie über die eigene Homepage Sueddeutsche.de rekrutiert. Redaktionelle Top Themen wie im vergangenen Jahr zum Beispiel die Enthüllung der „Panama Papers“ und die Bundestagswahl, wecken besondere Aufmerksamkeit. Dann fährt der Vertrieb gezielt Lesermarktkampagnen, um neue „SZ“-Käufer zu gewinnen. Erwartungsgemäß präferieren junge Leute meist digitale Abos. Zudem hat Lauer beobachtet, dass „sich unsere Kunden bei digitalen Abos, wohl auch wegen des günstigeren Bezugspreises, häufiger für eine längere Laufzeit im Vergleich zu Print ent-
scheiden“.

„Unsere Kunden entscheiden sich bei digitalen Abos häufiger für längere Laufzeiten“, Mario Lauer,SZ“-Gesamtvertriebsleiter

Ebenfalls nordwärts neigt sich die Kurve bei „Bild“. Von Mai 2014 bis November 2017, also innerhalb von dreieinhalb Jahren, ist die Zahl der Digitalabonnenten laut Axel Springer von rund 201 000 auf 375 000 gestiegen – ein Zuwachs von insgesamt 87 Prozent. Für die „Bildplus“-Inhalte im Internet sind fünf Euro im Monat fällig; wer zusätzlich die E-Paper-Ausgabe haben möchte, zahlt 13 Euro. Für die Medienmarke „Bild“ wird Paid Content auch deshalb immer wichtiger, weil die Printauflage zuletzt deutlich geschrumpft ist und Ende 2017 im Tagesschnitt nur noch knapp 1,5 Millionen Exemplare verkauft wurden. 

„Zeit“ startet spät, aber stark

Während die meisten Zeitungen schon vor einigen Jahren damit begonnen haben, ihr Online-Angebot zumindest teilweise kostenpflichtig zu machen, startete „Die Zeit“ erst vor einem Jahr mit Paid Content. Was durchaus die Frage aufwirft, warum die Wochenzeitung so spät dran war und womöglich etwas versäumt hat. Geschäftsführer Rainer Esser ist über das gewählte Timing ziemlich froh. Und über seine Marschroute: Über Jahre hinweg wurde ein werbefinanziertes Reichweitenmodell auf- und ausgebaut mit dem Ziel, „Zeit Online“ so bekannt wie möglich zu machen. Mit laut AGOF aktuell zwölf Millionen Unique Users steht das Portal glänzend da – und bildet nun einen fruchtbaren Humus für die Entwicklung von kostenpflichtigen Inhalten.

Die Medienmarke „Zeit“ setzt seit Ende März 2017 auf einen digitalen Dreiklang. Was in der gedruckten Zeitung und im „Zeit Magazin“ donnerstags erscheint, steht bereits am Mittwochabend online. Wer sich gratis registriert, hat freien Zugriff auf ein wöchentliches  Kontingent; danach – und für manche Inhalte wie Titelstory und Dossier ohnehin – klappt die Lektüre nur im zahlungspflichtigen Abonnement. Es gibt also einen komplett freien Teil, einen darüber hinaus limitierten Zugriff für registrierte Nutzer und die Flatrate gegen Gebühr. Neun Monate nach der Umstellung auf dieses gemischte Modell aus Freemium, Metered und Abo hatten sich über 330 000 Nutzer registriert und 22 000 digitale Probe-abos waren verkauft.

Wenn Esser von einer „sehr hohen Wandlungsquote“ spricht, so finden sich dafür stichhaltige Belege in der IVW-Statistik. Vor Einführung des neuen Digitalkonzepts, also im ersten Quartal 2017, gab es 27 800 E-Paper-Abonnenten. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 5 400 mehr (plus 24 Prozent). Nun, im vierten Quartal sind es 41 544 abonnierte E-Paper, es handelt sich also um einen Zuwachs von fast 14 000 (plus 49 Prozent) in nur neun Monaten. Parallel dazu sind auch die Erlöse durch Online-Werbung binnen Jahresfrist gestiegen.

Der Leser entscheidet

So wachsen also die Einnahmen für Bezahlinhalte, ohne dass die Gesamtreichweite und somit das Online-Werbegeschäft leidet. Was die „Zeit“ gemacht hat, entspricht einem Ansatz, den Florian Bauer durchaus empfiehlt. „Auf einem gut verdienenden werbefinanzierten Portal die Nutzer ans Bezahlen zu gewöhnen und Paid Content sozusagen einzuschleichen, halte ich für sinnvoll“, sagt der Pricing-Experte.


* Lesen Sie morgen das Interview mit Pricing-Experte Florian Bauer über Chancen und Fortschritte von Medien im Paid Content


Die Leserinteressen noch stärker berücksichtigen und ein entsprechendes Angebot schnüren – das hat die „Ibbenbürener Volkszeitung“ (IVZ) mit den „IVZ-Themenwelten“ umgesetzt. Das Lokalblatt praktiziert bereits seit Jahren eine harte Paywall. Sie habe weder der Printauflage noch der Online-Nutzung geschadet, so Geschäftsführer Klaus Rieping. „Verlässliche Inhalte kosten Geld.“ Die serviert er seinen Lesern nun aber auf Wunsch ganz nach deren Geschmack. Die können insgesamt aus acht Lokalrubriken plus Weltnachrichten auswählen – von Wirtschaft bis Vereinsleben, von Blaulicht & Verkehr bis Sport. Pro Themenwelt sind drei Euro monatlich zu zahlen, maximal jedoch 15 Euro. So ist ein individuelles Digitalprodukt „für kleines Geld buchbar“, sagt Rieping.

Zu den Vorreitern im Paid Content zählt die Stiftung Warentest mit Test.de, der Internetpräsenz der beiden Magazine „Test“ und „Finanztest“. Bereits seit dem Jahr 2000 gibt es dort Information gegen Geld. Die Voraussetzungen waren und sind günstig, denn Testergebnisse versprechen dem Verbraucher einen konkreten Nutzen, für den er Geld auszugeben bereit ist. Lange Zeit konnte man gegen eine Gebühr von maximal fünf Euro ausschließlich einzelne Tests und Beiträge abrufen. 2009, also vor knapp zehn Jahren, führte das Management dann eine Flatrate ein. Sie kostet sieben Euro im Monat oder 50 Euro fürs Jahr – wer das gedruckte Magazin abonniert hat, zahlt die Hälfte.

Flatrate und Einzelabruf stören sich nicht 

Die Doppelstrategie aus Abo und Einzelverkauf hat sich bewährt. Fast 43 000 Kunden haben sich für die Flatrate entschieden, fünf Jahre zuvor waren es erst rund 10 000. Dieses Online-Abo trägt heute fast die Hälfte zum Test.de-Umsatz bei, ohne dass die Nachfrage nach den Einzelabrufen gelitten hat. Zusammen spielten sie 2016 über 3,9 Millionen Euro ein (entspricht 17 Prozent des „Test“-Printumsatzes), 2011 waren es knapp 2,2 Millionen. Warum beides nebeneinander so gut funktioniert, haben sich Test.de-Chefredakteur Andreas Gebauer und sein Team gefragt. Und sind auf eine naheliegende Antwort gekommen: „Weil wir damit unterschiedliche Zielgruppen und Interessen erreichen und bedienen.“ Tatsächlich lässt sich das an den Nutzerpräferenzen erkennen: So spielt der Matratzentest jedes Jahr das meiste Geld ein, 2016 waren es 247 000 Euro, gefolgt von den Waschmaschinen (115 000 Euro). Die Online-Abonnenten rufen am häufigsten die Datenbank mit den Investmentfonds ab; 2016 wurden insgesamt 70 000 Besucher gezählt.

Die verschiedenen Beispiele haben gezeigt: Ein Patentrezept für erfolgreichen Paid Content gibt es nicht. „Es gibt ein paar Regeln und Grundsätze, aber sonst muss jeder Verlag experimentieren und seinen eigenen Weg finden“, sagt Preisexperte Bauer. Die Medienmanager beim International Paid Content Summit waren sich einig, dass Bezahlangebote durch Facebook und Google einen Schub bekommen können. Axel-Springer-Chef Döpfner: „Wenn sie ihre Ankündigungen endlich wahr machen und Paid Content auf ihren Plattformen integrieren, haben wir 2018 den nächsten Meilenstein erreicht.“

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.