von Dr. Martin Kern und Dr. Paolo Tamagni
Absatzwachstum zu steigern ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Aufmerksamkeit und emotionaler Sympathie-Vorrat für Produkte im Markt werden zu echten Vermögenswerten (1). Denn: Je mehr Aufmerksamkeit und Sympathie Produkte erzielen können, desto größer sind Markenvertrauen und Markentreue der Konsumenten und desto nachhaltiger deren Kaufverhalten. Allerdings können die Verbraucher angesichts der nahezu unübersehbaren Menge an verfügbaren Informationen – trotz immer größerer Professionalität der Marketingbotschaften – diese immer weniger aufnehmen. Dies hat zur Folge, dass Marketingbudgets immer ineffizienter werden (2). Unter solchen Bedingungen gewinnt der Produktgebrauch zunehmend an Bedeutung. Denn zumindest für diesen Zeitraum ist der Konsument dem einmal gekauften Produkt nahezu bedingungslos ausgeliefert.
Exemplarisch: das sensorische Erlebnis beim Kauf eines Vanilleeises
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So einfach diese alltägliche Konsumsituation sein mag, so offensichtlich zeigt sie, dass die Auseinandersetzung mit Marke, Produktkategorie, Erwartung und Erfüllung des sensorischen Erlebnisses in der Konsumsituation um ein vielfaches intensiver ist als zu jedem anderen Zeitpunkt im gesamten Vermarktungsprozess. Wenn es aus unternehmerischer Sicht bei der Steigerung von Aufmerksamkeit und Sympathievorrat um das Schaffen von „Value Propositions“ (komparative Konkurrenzvorteile oder Wertversprechen) geht, so ist die Möglichkeit dafür zu keiner Zeit größer und zeitlich ausgedehnter als eben beim Produktgebrauch selbst. Wird in diesem Zeitraum ein hohes Maß an Zufriedenheit erreicht, so entsteht jene wertvolle unterbewusste Beziehung zum Produkt und zur Marke, die entscheidend zu einer hohen Wiederkaufswahrscheinlichkeit beiträgt.
Messung der Akzeptanz als Mass für Verbraucherzufriedenheit
Die Verbraucherzufriedenheit wird im Sensory Marketing in standardisierten Testräumen (central location test = CLT) via Akzeptanzermittlung über die „Beliebtheit insgesamt“ bzw. „overall liking“ als zentralem affektiven Wert gemessen. Zu diesem Zweck wird eine Stichprobe aus dem für die Zielgruppe relevanten Verbrauchersegment zu einer Verkostungssitzung eingeladen und nach der Verkostung gebeten, ihr Urteil zur Beliebtheit des Produktes insgesamt, aber auch zu einzelnen Akzeptanzkriterien wie Geruch, Geschmack usw. abzugeben.
Ein hohes Maß an Verbraucherakzeptanz ist gegeben, wenn ein Produkt einen Mittelwert erreicht, der mindestens 75 Prozent einer hedonischen Bewertungsskala erfüllt. Bei einer häufig verwendeten 9-Punkte Skala bedeutet dies, dass mindestens 6,7 Punkte erzielt werden müssen. Obwohl diese Erkenntnis nicht neu ist (3, 4), stellen wir immer wieder mit Erstaunen fest, dass viele Unternehmen in Ihrem Marketingkonzept die Bedeutung der Verbraucherakzeptanz vernachlässigen. So zeigt die Abbildung unten Akzeptanzwerte von verschiedenen, international distribuierten Kartoffel-Chips-Marken. Nur eines der zehn Produkte bewerten die Konsumenten im Mittel mit 6,8. In einer Studie zu Vanilleeis erreichen drei von zehn Produkten Akzeptanzwerte über 6,7. Bei beiden Produktkategorien besteht demnach ein großes Potenzial zur Entwicklung von höherer Verbraucherzufriedenheit.
Akzeptanzwerte für Allgemeine Beliebtheit von 10 Markenprodukten Kartoffel-Chips
Akzeptanzwerte für Allgemeine Beliebtheit von 10 Markenprodukten Vanille-Eis
Einfluss von extrinsischen Faktoren (Marke, Verpackung, etc) auf die Akzeptanz
Aus den eingangs geschilderten Gründen ist die sensorische Akzeptanz eines Produktes bei seiner spezifischen Zielgruppe heute einer der kritischsten Erfolgsfaktoren des Marketingkonzeptes. Allerdings ist dabei zu beachten, dass auch andere Merkmale eines Produktes, wie die Marke und ihre Erlebniswelt, Produktdesign, Informationen, etc. auf die subjektiven Empfindungen des Verbrauchers beim Produktverzehr bzw. Produktgebrauch wirken. Dies lässt sich idealer Weise zeigen, wenn das Produkt sowohl „blind“, d.h. in Unkenntnis der Marke, als auch „branded“, also unter dem Eindruck des Produktnamens und / oder der Verpackung verkostet wird. Die Messung der „Akzeptanz branded“ erlaubt zudem Rückschlüsse auf die Produkterwartung. Um diese Erwartung zu ermitteln, wird dem Testteilnehmer das Produkt in seiner verkaufsfertigen Ausstattung ausschließlich optisch präsentiert und ihm die Frage gestellt „Wie sehr würde Ihnen ein solches Produkt schmecken?“, ohne dass er zu diesem Zeitpunkt Gelegenheit bekommt, es zu probieren.
Mit Hilfe dieser drei Werte lässt sich dann die Verbraucherbeurteilung des jeweiligen Marktproduktes analysieren. Die Abbildung zeigt exemplarisch auf der Basis von Projekterfahrung, welche Aussagen durch die Messung der drei Werte über eine Marke gemacht werden können.
„Akzeptanz blind“, „Erwartung“ und „Akzeptanz branded“ – Fallbeispiele für die Analyse
In Fall 1 ist eine Idealsituation gegeben: Das Produkt erzielt einen sehr guten Akzeptanzwert bei der Verkostung im Blind-Test. Marke und Verpackung generieren beim Verbraucher eine hohe Erwartung an das Produkt, die dann ebenfalls mit einem sehr guten Wert von 7,0 für die „Akzeptanz branded“ bestätigt wird: Das Produkt erfüllt demnach die Erwartung der Konsumenten, und die Erlebniswelt der Marke hat einen positiven Einfluss auf die subjektive Beliebtheit beim Verbraucher. Die extrinsischen Attribute dieses Produktes werden von seinen intrinsischen Eigenschaften gut gestützt.
Ganz anders in Fall 2: Dieses Produkt ist sehr stark von extrinsischen Faktoren abhängig, es wird nicht von intrinsischen Eigenschaften, dem sensorischen Erlebnis im Blindtest, gestützt. Das Produkt ist zu sehr vom Packaging und dem Markenbild bestimmt, es müsste in seiner inneren Wertigkeit verbessert werden. Die Position der Marke ist fragiler als in Fall 1.
In Fall 3 ist die Situation noch kritischer: Zwar stimmen Marke und Packaging, denn sie ergeben positive Erwartungswerte. Diese Erwartung wird jedoch nicht erfüllt, denn das Produkt enttäuscht beim Konsum. Es ist vorhersehbar, dass ein solches Produkt im Markt versagen wird. Es mag zwar noch Erstkäufe generieren, aber die Wiederkaufrate wird sehr gering sein.
Fall 2 und 3 sind Beispiele für ineffizientes Marketing: In Fall 2 wären Marketingmaßnahmen für den Absatz effizienter, wenn das Produkt auch im Blind-Test überzeugen würde, denn die gute Positionierung der Marke erreicht nur den markenbewussten Verbraucher. In Fall 3 ist offensichtlich, dass alle durch gute Marketingarbeit generierten positiven Effekte durch die feststellbare Enttäuschung beim Konsum zunichte gemacht werden. In beiden Fällen ist dringend anzuraten, durch entsprechende Veränderungen des sensorischen Profils die Gesamtbeliebtheit bei der Zielgruppe deutlich zu erhöhen.
In Fall 4 erreicht das Produkt zwar gute Akzeptanzwerte im Blind-Test, wird aber unter Kenntnis der Marke von den Verbrauchern schlechter beurteilt. Solche Verhältnisse konnten wir mehrfach bei Produkten im Preiseingangsbereich mit Billig-Image, aber auch bei unbekannten Marken (fehlendes Marketing) feststellen.
Sensorische Analyse und sensorische Profile
Neben der Ermittlung der Akzeptanz für verschiedene Produkte einer Kategorie und ihrer jeweiligen Wettbewerber kann es wichtig sein, genauere Informationen zur sensorischen Positionierung und Differenzierung im und vom Wettbewerbsumfeld zu sammeln. Eine der wirkungsvollsten Methoden dafür ist die quantitativ-deskriptive Analyse (QDA) – auch sensorische Profilierung genannt. Um ein sensorisches Profil zu erstellen bedarf es eines sensorischen Panels aus zehn bis zwölf für die jeweilige Produktkategorie „geschulten“, Verbrauchern. Das Panel erarbeitet in der Schulungsphase zunächst alle Attribute, welche die Produkte sensorisch unterscheidbar machen und einigt sich auf deren Skalierung. Anschließend werden diese Attribute von den geschulten Testern unter kontrollierten Bedingungen in Sensorikkabinen evaluiert und so die Daten für die sensorischen Profile erhoben.
Das Ergebnis sind validierbare und reproduzierbare sensorische Profile mit circa 40 bis 80 Attributen, die sehr genau wiedergeben, wie ein Produkt von den Verbrauchern sensorisch wahrgenommen wird.
Sensorische Profile von drei verschiedenen Vanille-Eis Produkten
Bei dieser Art der Darstellung wird sehr schnell erkennbar, in welchen Aspekten sich die verschiedenen Produkte voneinander unterscheiden bzw. ähnlich sind. Dies kann sehr hilfreich sein, um beispielsweise festzustellen wie sich ein Produkt im Vergleich zum Wettbewerb verhält, ob durch kosteneinsparende Rezepturveränderungen tatsächlich sensorisch wahrnehmbare Unterschiede entstehen oder wie ein Sortiment sich differenziert.
Sensorische Landschaften
Die Vielzahl der Informationen in einem sensorischen Profil kann allerdings den Blick auf das Wesentliche verbauen: Um ein ganzes Wettbewerbsumfeld übersichtlich darzustellen, bedarf es daher einer Verdichtung der Informationen auf maßgebliche Faktoren. Dies erlaubt die Hauptkomponentenanalyse, welche die Attribute auf Komponenten- oder auch Faktorladungen reduziert. Die wichtigsten beiden Faktoren repräsentieren in der Regel 60 – 80 Prozent des sensorischen Profils und können übersichtlich in einem Koordinatensystem dargestellt werden. Sie stellen eine ganze Produktkategorie als sensorische Landschaft oder als Sensory Mapping dar. Sensorische Alleinstellungsmerkmale oder auch sensorische Ähnlichkeiten sind nun auf einen Blick zu erkennen, ebenso wie Verdichtungen auf einem sensorischen Feld. Die Abbildung zeigt das Sensory Mapping von Orangensaft.
Sensory and Preference Mapping von 18 Orangensäften
Je ähnlicher die Produkte in ihrem sensorischen Profil, desto näher liegen sie im Sensory Mapping beieinander – und konsequenterweise lassen sich Flächen bzw. Claims hervorheben, die für sensorisch Räume stehen. Ihnen lassen sich Verbraucher oder Verbraucheruntergruppen (Cluster) über das Kriterium der Akzeptanzurteile zuordnen. Ergänzt man die Darstellung des Sensory Mapping um die der Akzeptanzbereich, so erhält man ein Preference Mapping, das erkennen lässt, wo die für die Vermarktung besonders wichtigen Positionen liegen. In der Abbildung sind diese Bereiche farbig hinterlegt. Es zeichnen sich zwei klar voneinander getrennte Präferenzfelder ab, die vollkommen unterschiedliche Vorlieben veranschaulichen. Diese Information erlaubt, verschiedene Marken nach sensorischem Profil und der jeweiligen Größe des Zielclusters unterschiedlich zu positionieren.
Modellierung der Verbraucherakzeptanz
Was kann man tun, wenn das Marketing bei einer Akzeptanzüberprüfung feststellt, dass die Produkte die anvisierte Zielgruppe enttäuschen und keine ausreichende Beliebtheit erreichen? Üblicherweise praktizierte Lösungsansätze reichen von der Orientierung an erfolgreichen Produkten auf dem Markt (Nachbau) über die Alternativenentwicklung aus vorhandenen Rezepturen bis hin zum Versuch unternehmensinterner Abteilungen, Vorgaben für eine Produktentwicklung zu liefern, für die eine höhere Verbraucherakzeptanz vermutet wird.
Doch am Ende entscheidet die Stimmigkeit eines Konzeptes darüber, ob das Produkt beim Verbraucher ankommt oder nicht. Der Handel als Absatzmittler, selbst zur Rentabilisierung seiner Regalfläche verpflichtet, muss konsequent und schnell reagieren, wenn ein Produkt seine Absatzerwartungen nicht erfüllt – „was nicht läuft, fliegt raus“ (5). Angesichts der Kosten, die bei einer Neuplatzierung im Handel entstehen, ist es nach unserem Dafürhalten sehr gefährlich, die Verbraucherakzeptanz dem Ergebnis von Vermutungen und Interpretationen zu überlassen.
Sensory Marketing kennt für diese Problemstellung zwei wirkungsvolle Instrumente, welche diese Fragestellung mit Systematik und zielgerichtet angehen: Produktoptimierung PROP und Marketing Mix Assessment.
Produktoptimierung PROP
Die Produktoptimierung identifiziert die Treiber der Beliebtheit insgesamt – also jene Attribute im sensorischen Profil, welche maßgeblich zur Verbraucherakzeptanz beitragen. Sie zeigt deren Bedeutung, ihre idealen Werte sowie ihre Funktion im Verhältnis zur Akzeptanz (linear positiv oder negativ, exponentiell, Minimum, Maximum usw.) auf und liefert somit ein Modell zur Maximierung der Produktakzeptanz.
Die besondere Wirksamkeit der Methode beruht auf der Verknüpfung zweier, voneinander unabhängiger Datensätze zum selben Produkt:
- der sensorischen Profile, die alle sinnlich wahrnehmbaren Attribute eines Produktes und deren Intensitäten beschreiben und somit ein vollständiges und objektives sensorisches Abbild von einem Produkt liefern, und
- den Verbraucherakzeptanzen, welche die subjektive Beliebtheit bei einem zielgruppenrelevanten Verbrauchersegment wiedergeben.
Bei der Produktoptimierung finden alle erfassten Attribute einer Produktkategorie und ihr wie auch immer gearteter Einfluss auf die Akzeptanz eines Produktes Berücksichtigung. Eine optimale Aussagekraft der Ergebnisse lässt sich dann erzielen, wenn auch Prototypen entwickelt und einbezogen werden, die die sensorische Untersuchungsbasis genau an den Stellen erweitern, an denen bislang auf dem Markt noch keine Produkte positioniert sind.
Auf diese Weise lassen sich Alleinstellungsmerkmale nicht nur identifizieren, sondern auch systematisch entwickeln und platzieren. Die Methode ist daher besonders für die Entwicklung von Innovationen wertvoll, wie wir bereits wiederholt belegen konnten.
Tabelle 1 zeigt mit Genehmigung des Auftraggebers das Ergebnis einer Produktoptimierung aus einem Projekt zu Sekt mit insgesamt elf Marktprodukten und sechs Prototypen. Auf dieser Basis wurden gezielte, markt- und erfolgsorientierte Produktentwicklungen möglich.
Tabelle 1: Ergebnisse der Produktoptimierung am Beispiel Sekt
Ideales Profil und zwei dazu relevante Entwicklungsprodukte in Form einer Spider-Web Grafik
Für die beiden Prototypen wird der Anpassungsbedarf offensichtlich, der bei seiner Umsetzung zu einer Steigerung der Verbraucherakzeptanz führen wird: Intensität und der wahrgenommenen Süsse im Aroma müssen reduziert, das weinige Aroma und der Nachgeschmack intensiviert sowie die Leitfähigkeit gesenkt werden. Um diese Anpassung vorzunehmen, galt es, die Attribute des sensorischen Profils in die Sprache des Produktentwicklers zu „übersetzen“ und zu erläutern, wie die Korrektur erreicht werden kann. Ergebnis des Prozesses war ein optimiertes Produkt, das eine außerordentlich hohen Verbraucherbeliebtheit von 7,2 erreichte, und damit signifikant über allen in der Studie beteiligten Produkten lag.
Marketing Mix Assessment für „Mental Convenience“
Eine diffuse und für den Verbraucher nicht nachvollziehbare Markenpositionierung bei gleichzeitig großer Auswahl von Produkten einer Kategorie im Handelsortiment verschenkt Absatzpotenziale, denn sie induziert Ausweichverhalten, Wechsel der Einkaufsstätte und im Extremfall Konsumverzicht. Diesem als „Consumer Confusion“ beschriebenen Phänomen verdanken unter anderem die Discounter in Deutschland ihren Erfolg (6, 7, 8). Umgekehrt lässt eine klare und stimmige Gesamtpositionierung die Alleinstellungsmerkmale eines Produktes für den Verbraucher deutlicher in Erscheinung treten und liefert eine eindeutige Entscheidungsgrundlage. Eine klare Produktpositionierung erhöht somit das Marktpotenzial, indem sie auf dem Wege der „Mental Convenience“ Verbraucher-Entscheidungen erleichtert.
Es ist erfolgsbestimmend, dass die Marketing Mix-Elemente miteinander so in Einklang gebracht werden, dass Verbrauchererwartung und Akzeptanz ein möglichst hohes Marktpotenzial bedingen. Dazu müssen die verschiedenen Elemente des Marketing Mix wie Marke, Ausstattung, Verpackung, Informationen auf dem Produkt mental convenient bzw. klar zu erkennen sein, die Erlebniswelt der Marke berücksichtigen und in der sensorischen Akzeptanz zur Marke passen.
Im Marketing Mix Assessment werden Konsumenten mit mehreren vollständigen Produktkonzepten konfrontiert, die sich in allen Attributen unterscheiden, und müssen ihre Kaufbereitschaft für diese Gesamtkonzepte angeben. Sensory Marketing integriert dabei im Instrument des Marketing Mix Assessment sowohl die Überprüfung extrinsicher wie intrinsischer Produkteigenschaften.
Erläutert sei dies am Beispiel einer Studie zu Erdbeertrinkjoghurt. Hier wurden die Attribute „Verpackung“, „Fettgehalt“, „Sensorik“ und „Auslobung“ in jeweils vier Ausprägungen (Levels) untersucht. Bei einem solchen Setting ergibt sich das theoretische Problem einer hohen Anzahl unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten dieser vier Merkmale (insgesamt 254, siehe Tabelle 2), die in einem realistischen Testansatz unmöglich alle durchgespielt werden können. Dieses Problem wird bei der Marketing-Mix Optimierung mit Hilfe der Conjoint-Methode gelöst: Dieses Verfahren ermöglicht es, über eine relativ kleine, aber repräsentative Auswahl von Konzepten auf alle Attribute und deren Levels rückschließen zu können.
Tabelle 2: Variation der Marketing Mix Komponenten für Erdbeertrinkjoghurt
In diesem sogenannten dekompositionellen Ansatz liegt der besondere Vorteil der Methode: Er erlaubt den Rückschluss vom Gesamtnutzen eines Produktes auf den Teilnutzen seiner Attribute (dekompositionell) und ist daher für die Ermitteltlung der Teilnutzen einzelner Attribute realistischer als eine direkten Befragung zu einem Merkmal.
Fragestellung für Marketing Mix Assessment Erdbeertrinkjoghurt
Wie bereits bei der Produktoptimierung wird nun auch hier ersichtlich, welchen Teilnutzen bzw. Wichtigkeit die einzelnen Attribute für den Konsumenten haben und welches Marktpotenzial die verschiedenen Konzepte erwarten lassen. So zeigt Abbildung 9, dass bei Erdbeertrinkjoghurt der Geschmack mit 38 Prozent die wichtigste, und der Fettgehalt mit 18 Prozent die geringste Bedeutung für die Kaufentscheidung hat. Diese Information legt offen, worauf bei der Gestaltung des Marketing Mix besondere Aufmerksamkeit gelegt werden sollte und wo gegebenfalls Kompromisse eingegangen werden können.
Teilnutzen der Attribute für Erdbeertrinkjoghurt bei der Kaufentscheidung
Für jedes der betrachteten Attribute wird auch deutlich, wie deren einzelne Levels von den Verbrauchern beurteilt werden und welche Level-Kombinationen das größte Marktpotenzial versprechen. Exemplarisch ist dies für die Frage der Verpackung in Abbildung 10 dargestellt.
Präferenzanteile der verschiedenen Levels des Attributs Verpackung
Darüber hinaus erlaubt die Methode, je nach Fragestellung und Testdesign, Preiselastizitäten, Marktsimulationen und daraus ableitbare Marktanteile zu ermitteln.
Fazit
Sensory Marketing versteht sich als integrativer Bestandteil des gesamten Marketing-Prozesses – es misst die Akzeptanz von Produkten bei ihrer spezifischen Zielgruppe, zeigt Stärken und Schwächen im Produktprofil, identifiziert und quantifiziert Produktpositionierungen im Wettbewerbsumfeld und deckt Ineffizienzen im Marketing auf. Investment in Sensory Marketing wirkt „below the line“ und langfristig.
Wirkungsvolle und auf nachhaltige Sicherung von Ertragskraft im Unternehmen ausgerichtete Produktpolitik muss einer Homogenisierung von Produkten entgegenwirken und nicht nur extrinsische Faktoren wie Erlebniswelt der Marke, Image, Packaging, etc. berücksichtigen sondern auch beim Produkt-Ge- und Verbrauch differenzieren. In anderen Worten: Es wird nicht gelingen ein Produkt nur über Ausstattung, Marke und Image in einem höheren Preissegment zu positionieren; es muss auch sensorisch gut ankommen und einen hohen Grad an Verbraucherzufriedenheit erzielen.
In einer zunehmend komplexen Welt mit einer kaum zu verarbeitenden Flut an Informationen gewinnt gerade der Produktgebrauch zunehmend an Bedeutung, wenn es um die Schaffung von Value Propositions geht. Denn wenn ein Produkt beim Verbrauch eine hohe Zufriedenheit beim Konsumenten erzielt, so gelingt dadurch eine Steigerung des Aufmerksamkeitswerts. Der emotionale Vorrat an Sympathie nimmt zu, das Marketing gewinnt an Durchschlagskraft und Effizienz.
Sensory Marketing erreicht dies systematisch über die Modellierung von Verbraucherakzeptanz bei der Produktoptimierung und gewährleistet so die Entwicklung von echten sensorischen Alleinstellungsmerkmalen. Auf diese Weise entstehen Absatzpotenziale und Spielräume für das heute so schwierig gewordene Durchsetzen höherer Preise. Klarheit und Stimmigkeit in der Produktpositionierung dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Produkte, die dem Bedürfnis des Verbrauchers nach Einfachheit und Verständlichkeit entgegenkommen, haben mehr Marktpotenzial und lassen sich gezielter erfolgreich vermarkten, als solche mit diffuser und nicht erkennbarer Positiorierung. Hier hilft Marketing Mix Assessment, sowohl intrinsische als auch extrinsische Faktoren aufeinander abzustimmen und Produktkonzepte an die spezifischen Marktbedürfnisse anzupassen. Mit seinem Instrumentarium ist Sensory Marketing ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg zur Marketing Excellence: The perfect alignment of the company with requirements of the market.
Autoren:
Dr. Martin Kern ist Chief Executive Officer bei SAM Sensory and Marketing International in Cham, Schweiz.
Dr. Paolo Tamagni ist Senior Vice President Marketing bei SAM Sensory and Marketing International in Cham, Schweiz.
Literatur:
- Herrmann, A.; Brandenberg, A.; Lyczek, B; Schaffner, D.:
Wahrnehmungswerte als Herausforderung für die Messung der Marketingproduktivität
Thexis 3.2004, S. 2 bis 7 - Meuer, J.; Panella, A.:
Marketing und Creative Excellence – mehr Durchschlagskraft und Kreativität für die Marketingkommunikation
Thexis 3.2004, S. 13 bis 17 - Stone, H.; Sidel, J.L.:
Sensory Evaluation Practices
Academic Press, San Diego, 2nd edition 1993 - Scharf, A.
Sensorische Produktforschung im Innovationsprozess
Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, 2000 - Rössing, S.:
Forscher unter Strom
Die Lebensmittelzeitung 35, 2. September 2005, S. 46 - Esch, F.R.; Rutenberg, J.:
Mental Convenience beim Einkaufen
Thexis 4.2004, S. 22 bis 26 - Möller, S.:
Die Vermeidung von Consumer Confusion
Thexis 4.2004, S. 27 bis 30 - Esch, F.R.
Plädoyer für die klare Linie
Die Lebensmittelzeitung 35, 2. September 2005, S. 32
eingestellt am 25. Januar 2007