Es ist Sommer, mit anderen Worten: Eventsaison. Nach zwei Jahren pandemiebedingten Stillstands freut sich die Branche über den regen Zulauf zu Messen und Meetings. Die Veranstalter des Greentech Festivals beispielsweise, das nächsten Mittwoch auf dem Gelände des früheren Flughafens Berlin-Tegel beginnt, erwarten rund 10.000 Besucher*innen. Der frühere Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg hat mit dem Forum zur grünen Technologie eine Marktlücke gefüllt. Zu den Highlights in diesem Jahr gehören solarbetriebene Kompaktbatterien und dekarbonisierender Beton.
Das Greentech Festival selbst ist übrigens klimaneutral; jeder Aussteller muss ein CO2-Zertifikat vorlegen. Um Müll zu reduzieren, sind Flyer und Rollups verboten, von Werbegeschenken und Einweggeschirr wird abgeraten. Nicht schlecht für den Anfang. Die am Freitag zu Ende gegangene Berliner re:publica tut sich da schwerer. Der Treff der digitalaffinen Avantgardist*innen schwingt zum Thema Nachhaltigkeit zwar große Worte, wer aber in die konkreten Maßnahmen hineinliest, findet vor allem Ankündigungen: Ein Abfallkonzept soll „vielleicht“ zur re:publica 2023 umgesetzt und eine CO2-Bilanz „ab 2022“ erstellt werden. Zur Umstellung auf LED-Beleuchtung heißt es: „Das ist sehr kostenintensiv und kann nur sukzessive erfolgen.“ Liebe Nerds, bitte etwas mehr Tempo. Schön immerhin, dass das Catering bereits fleischlos ist.
Konzepte sind besser als Einzelmaßnahmen
Das Beispiel illustriert, wie schwierig das Umsteuern ist, wenn eine Veranstaltung erstmal „ungrün“ aufgesetzt ist. Einzelne Punkte zu verbessern ist zwar nicht verkehrt, besser jedoch wäre von vornherein ein nachhaltiges Konzept, empfehlen von der absatzwirtschaft befragte Experten. Dazu gehört auch, ganz grundsätzlich über die Dimension der Vor-Ort-Präsenz nachzudenken. Wenn die Corona-Pandemie für eines gut war, dann für die Entwicklung virtueller und hybrider Alternativen.
Stichwort Pandemie. Wie die sich längerfristig auf die Veranstaltungsbranche auswirkt, hat das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) untersucht. Etwa im Szenario „Green and aware – the net zero society“: „Teilnehmende verlangen die strenge ganzheitliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten mit Offenlegung der jeweiligen CO2-Bilanzen“, prophezeien die Forscher*innen. „Dieser Anspruch setzt Infrastrukturanbietende zunehmend unter Druck, neue Lösungen zu finden.“ Dazu gibt es konkrete Handlungsempfehlungen. Die Studie „Ökosysteme im Wandel – Zukunftsszenarien für Business Events im Zeitalter grenzenloser Kommunikation“ lässt sich kostenfrei herunterladen.
Praxis-Guide gerade erschienen
Soeben erschienen ist zudem der 325 Seiten starke „Praxis-Guide für Nachhaltigkeit in der Eventbranche“, herausgegeben von Thorsten Knoll und Prof. Stefan Luppold. Zusammen mit vielen Autor*innen, fast ausnahmslos Praktiker, spannen sie einen beeindruckenden Bogen von der Implementierung eines nachhaltigen Veranstaltungsmanagements über Best-Practice-Beispiele bis zu Nachhaltigkeit als Markenkern. Nach Lektüre sollte eigentlich jeder eine Idee haben, wie sich der CO2-Fußabdruck seiner Events verringern lässt.
Wie es ganz sicher nicht geht, zeigt ein Blick nach Bayern, genauer gesagt auf Schloss Kaltenberg, 50 Kilometer westlich von München. Dort sollte vergangenes Wochenende nach pandemiebedingter Pause endlich wieder das dreitägige Puls Open Air Festival stattfinden. Schon am Eröffnungsabend jedoch – von den erwarteten 11.000 Teilnehmern waren 4000 bereits angereist – war Schluss: Der Sicherheitsdienst hatte zu wenig Ordnungskräfte besorgt. Die Veranstaltung wurde abgesagt. Merke: Auch gute Organisation unterstützt Nachhaltigkeit.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!