Es liegt ein bisschen „Höhle der Löwen“-Atmosphäre in der Luft. Nur dass die Höhle in diesem Fall kein gruseliger, mit allerhand Fernsehscheinwerfern ausgeleuchteter Ort ist, sondern ein Co-Working-Space am Hamburger Rödingsmarkt. Und die Löwen sind auch keine millionenschweren, telegenen Investoren, sondern ganz normale Marketingfachleute und ein marketingaffines und kundiges Publikum, wie die Veranstalter vom Marketing Club Hamburg vorher angekündigt hatten.
Etwas zu gewinnen gibt es freilich dennoch: Wenn auch keine sechs- oder siebenstelligen Summen im Gegenzug für Firmenanteile, so erhält der Gewinner immerhin eine einwöchige Kampagne auf den digitalen City Light Postern des Außenwerbers WallDecaux in der Hansestadt im Wert von 75.000 Euro. Alle fünf Finalisten des 4. Marken-Slams, die sich im Auswahlverfahren unter 24 Bewerbern durchgesetzt hatten, bekommen eine einjährige Mitgliedschaft im Marketing Club Hamburg.
„Es ist ein gutes Zeichen, dass uns die Vorauswahl so schwergefallen ist. Die Anzahl, Qualität und Innovationskraft der eingereichten Ideen war dieses Jahr besonders beeindruckend und zeigt, dass der Gründungs-Spirit extrem hoch ist“, sagt Peter Brawand, Programm-Vorstand des Marketing Clubs, der den Abend zusammen mit Jan Hansen moderiert.
Fünf Finalisten aus Hamburg, Berlin und Köln
Die fünf Finalisten, davon drei direkt aus Hamburg, haben ganz unterschiedliche Geschäftsfelder für ihre Gründerideen auserkoren: So hat sich #IamPlasticfree zum Ziel gesetzt, einen nachhaltigen und plastikfreien Trinkhalm bekannt zu machen. Der Halm besteht zu zwei Dritteln aus nachwachsender Stärke, gewonnen aus Bioabfall wie Kartoffelschalen, und einem Drittel Kalzium, Magnesium und Faserstoffen. „Sie sind komplett frei von Erdöl – also entsteht dadurch auch kein Mikroplastik“, erklärt Co-Gründer Kevin Mata. Zusammen mit Daniel Kloeppel kam er auf die Idee für das Brand #IamPlasticfree, dass mittlerweile in vielen Hamburger Bars zu sehen ist. Die Trinkhalme selbst beziehen die beiden Nachwuchsunternehmer von einem Produzenten aus Süddeutschland.
Das Konzept von Pets Ahoi ist eine Onlineplattform, die Haustierbesitzern helfen soll, „den perfekten Haustiersitter in ihrer Nähe zu finden, der das Tier wie ein Familienmitglied behandelt“, sagt Gründerin Marcela Checa-Sauermann. „Wir brauchen mehr menschliche Tierbetreuer.“ Für ihr Sharing-Modell sieht sie allein in Hamburg großes Potenzial: „Hier gibt es 85.000 Hunde, man könnte auch sagen: Freie und Hundestadt Hamburg.“
Ausgerechnet der Uhrenproduzent in der Start-up-Runde reißt dann als erster die Zeitgrenze von acht Minuten beim Pitch und fünf Minuten bei der Jury-Befragung: Das junge Hamburger Unternehmen Sternglas bietet nach Angaben des Gründers Dustin Fontaine „gutes Design bei Armbanduhren, hauptsächlich im Bauhausdesign, erschwinglich für Jedermann“. Für die Produktion kooperiert Sternglas mit einem chinesischen Start-up: Die Uhren, die zwischen niedrige bis mittlere dreistellige Eurobeträge kosten, werden Fontaine zufolge in den gleichen Produktionsstätten hergestellt wie so manche Schweizer Luxusuhr.
Kanditat bereits durch die „Höhle-der-Löwen“ gegangen
Das einzige Berliner Start-up in der Fünferrunde, Spooning Cookie Dough, dürfte als einer der Favoriten ins Rennen gegangen sein. Schließlich waren die Gründer Diana Hildenbrand und Constantin Feistkorn schon auf der ganz großen TV-Bühne, in der Höhle der Löwen, erfolgreich. Dort überzeugten sie gleich zwei Investoren von ihrer Geschäftsidee – rohen Keksteig zum Löffeln, bekömmlich und ohne Bauchschmerzgefahr. Das selbstentwickelte Keksteig-Rezept kommt ganz ohne Eier und Backpulver aus, dafür aber mit hitzebehandeltem Mehl. Gründer Constantin Feistkorn scherzt: „Wir kriegen’s nicht gebacken, was aber auch nicht schlimm ist.“ Den Hippstern im Prenzlauer Berg gefällt’s, berlinert der Gründer. Er räumt aber auch offen ein, mit seinem Produkt nicht gerade auf der Gesundheitswelle zu reiten: „Uns ist auch klar, dass das Junkfood ist und viel Zucker hat.“ Mit Liebe zum Detail will er Spooning Cookie Dough, das nach einem Jahr auf dem Markt schon einen siebenstelligen Umsatz erzielte, weiter als Brand ausbauen und im Markt positionieren; Cheesecake, Eis und weitere Snacks sollen folgen.
Der letzte Kandidat in der Fünferrunde weckte schon mit dem Markennamen das Interesse des Publikums: Der lautet – Achtung Wortspiel – Forest Gum. Gründer Thomas Krämer, der schon beim Hamburger Start-up Lemonaid (ChariTea) als Geschäftsführer und zuvor bei Viva Con Aqua mit an Bord war, beteuert im persönlichen Gespräch vorab, den Namen nicht bewusst an den Kinohit mit Tom Hanks (Forrest Gump) angelehnt zu haben: „‚Forest‘ steht für Wald und ‚Gum‘ für Kaugummi“, erklärt er. Freilich kann Krämer mit der Anlehnung an den Film gut leben: „Viele sprechen mich darauf an, das ist das beste Marketing“, sagt er. Der Start-up-Unternehmer, der mittlerweile in Köln lebt, hat sein Kaugummi aus natürlicher Kaumasse entwickelt, die vom Breiapfelbaum in Zentral- und Südamerika gewonnen wird. Das Produkt kommt ohne Zucker, künstliche Aromen, synthetische Zusatzstoffe und vor allem ohne Plastik aus. „Dafür mit einem Beitrag zum Klimaschutz und besseren Lebensbedingungen in den Erntegebieten der Rohstoffe“, verspricht der Gründer. Obwohl erst Anfang des Jahres gestartet, hat er es damit bereits in mehrere große Supermärkte geschafft.
Und weil nicht nur die Jury, sondern auch die Mehrheit des Publikum von Idee, Produkt und Marke angetan war, wird „Forest Gum“ demnächst für eine Woche auf 106 City Light Postern in Hamburg zu sehen sein.