Kunden sei Emerson FF als externe CRM-Agentur präsentiert worden. Die vermeintlichen Scheinrechnungen von Emerson FF, für die offenbar nie erfolgte Vermittlung von Freispots, sollen von den Kunden bezahlt worden sein. Ruzicka schilderte dies als Nullsummenspiel für Aegis Media. Es könne kein geldwerter Schaden entstanden sein: für Aegis Media seien diese Rechnungen in Gesamthöhe von mehr als 30 Mio. Euro ein Durchlaufposten gewesen. Dennoch seien auch die Kunden vertragskonform betreut worden, wie deren Vertreter als Zeugen dem staunenden Gericht bestätigten.
Grund genug, den damaligen Finanzchef und Ruzickas Nachfolger als Aegis Media CEO Zentraleuropa und Südafrika, Andreas Bölte, erneut zu befragen. Seine neuerliche Aussage am Montag dieser Woche war von großen Erinnerungslücken geprägt. Die Vorgänge seien solange her, dass sich Bölte nicht mehr an alle Details erinnern könne. Auch Ex-CFO Hans-Henning Ihlefeld vermochte sich nicht an wesentliche Details erinnern zu können. Die Zeugen relativierten jedoch Teile ihrer Aussagen vom August. So seien die Jagdevents in Ungarn für Kunden von Aegis Media veranstaltet worden. Bislang entstand der Eindruck, dass es sich dabei um private Feste des „Sonnenkönigs Ruzicka“ gehandelt hätte.
Auf Anweisung von Aegis Media wurden die Kosten im ungarischen Sokorópátka von der als Scheinfirma dargestellten Ruzicka-Firma Watson Communication & Services GmbH bezahlt. Dies soll auch auf Abrechnungen zutreffen, die für mindestens ein Aegis Media Board Meeting in Südafrika erstellt wurden. Der Betreiber eines Safari-Resorts bei Pilanesburg in Südafrika soll Watson Kosten für ´Accomodation Aegis Board Member´ in Rechnung gestellt haben. Ihlefeld räumte zudem ein, dass er in seiner damaligen Funktion als CFO bei Aegis Media angeboten hatte, Kosten der Sommersonnenwendfeste in Ruzickas Wiesbadener Villa anteilig zu übernehmen. Eine andere Zeugin von Aegis Media hatte ausgesagt, dass diese Events für sie erkennbar privat gewesen sind.
Das Gericht unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk versuchte die Zuständigkeiten innerhalb Aegis Media zu ergründen. Andreas Bölte sagte aus, dass das German Executive Board der Mediaagentur keine Entscheidungsbefugnisse hätte. Entscheidungen würden allein vom CEO getroffen. Hans-Henning Ihlefeld schilderte dem Gericht das Board als gemeinsames Entscheidungsgremium für Deutschland. Bölte bestritt Kenntnis eines Teils der Geschäftsordnung, wonach Entscheidungen mit der Mehrheit aller Stimmen getroffen werden müssen. Andreas Bölte steht dem German Executive Board seit September 2006 vor.
Bölte führte aus, dass die von Control Risks gelieferten Ergebnisse über das vermeintlich illegale Firmennetzwerk Ruzickas wenig ergiebig waren. Dennoch müssen die Kenntnisse ausgereicht haben um dieses Firmennetzwerk mit Firmen wie Camaco oder Watson wenige Wochen später gezielt in einem Flowchart nicht nur zu benennen, sondern auch deren Geldflüsse in einer Strafanzeige detailliert wiederzugeben. Die Verantwortung für den Inhalt der als anonym getarnten Strafanzeige gegen ihren damaligen CEO Ruzicka weisen sich Bölte und Ihlefeld gegenseitig zu. Beide verweisen zudem auf den Firmenanwalt, der von Andreas Bölte trotz des gehegten Wunsches zur Aufklärung von Straftaten nicht von der anwaltlichen Schweigepflicht entbunden worden ist.
Für Aufmerksamkeit sorgten zwei neue Beweisanträge. Der Geschäftsführer der Control Risks Deutschland, Hans-Jürgen S., hatte als Zeuge ausgesagt, dass er die Ergebnisse seiner Recherchen am 10.Mai 2005 in den Räumen des Aegis-Firmenanwaltes in Frankfurt am Main in Anwesenheit von Andreas Bölte und Hans-Henning Ihlefeld präsentiert habe. Aus einem Terminkalender Ruzickas soll sich ergeben haben, dass der damalige CEO der Aegis Group plc., Robert Lerwill, an diesem Tag in Wiesbaden war. Offenbar will die Verteidigung eine möglichst frühzeitige Kenntnis der Vorgänge um Aleksander Ruzicka auch in der Londoner Konzernzentrale von Aegis Media nachweisen. Ein von der Verteidigung in Auftrag gegebenes Gutachten hatte ergeben, dass der Strafanspruch auf die angeklagten Untreue-Fälle verwirkt sei, die nach der Anzeige vom 5.Juli 2005 stattfanden.
Ein weiterer Beweisantrag benennt den Honorargeneralkonsul der Republik Österreich in Johannesburg als Zeugen. Diesem soll die Mziki Safari Lodge in Südafrika gehören, auf der Events mit Managern, Kunden und Geschäftspartnern von Aegis Media stattgefunden haben sollen. Während Ruzicka behauptet, dass das Gelände regelmäßig für Aegis Media gepachtet wurde, unterstellen die Ermittler bis heute umfassenden Grund- und Immobilienbesitz von Ruzicka in Südafrika. Deshalb bestehe bis heute akute Fluchtgefahr, urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mehrfach. Basis dafür sollen Prahlereien von Ruzicka sein, die bis heute nicht hinterfragt wurden. Der Honorargeneralkonsul der Republik Österreich Werner P. bestätigte auf Anfrage von absatzwirtschaft, dass sich die Mziki Safari Lodge tatsächlich im Besitz von ihm und seiner Ehefrau befindet. Zu keinem Zeitpunkt sei sie im Eigentum von Aleksander Ruzicka gewesen.
Im Telefonat mit der absatzwirtschaft sagte P., eine Firma Ruzickas habe ein Ferienhaus mit zwei Schlafzimmern besessen, das auf dem 60 Quadratkilometer großen Gelände des privaten Naturparks stand. Es gebe mehr als 30 andere und größere Ferienhäuser, die sich im Besitz von namhaften Investoren und deren Firmen befinden. Ruzicka sei mit etwa zehn Gästen drei- bis viermal im Jahr gekommen. Dafür seien zusätzliche Unterkünfte in der Main Lodge angemietet worden. Das gelte auch für Jagd- oder Safariausflüge auf dem Gelände des Naturparks. Für den Besitzer der Safari Lodge seien dies erkennbar keine privaten Partys sondern geschäftliche Anlässe gewesen. So sei der Konferenzraum für Präsentationen genutzt worden. Es sei zudem gut möglich, dass er Rechnungen für den Aufenthalt von Kunden und Geschäftspartnern der Aegis Media und deren Manager an Ruzickas Firma Watson gestellt hat. Ruzickas Firma habe das Ferienhaus längst verkauft. Ruzicka besitzt dort heute nichts mehr, so P.
Aleksander Ruzicka verfolgt die Ereignisse in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt. Richter Jürgen Bonk lässt nicht erkennen, dass er den seit 26 Monaten bestehenden Haftbefehl außer Vollzug setzen will. Stattdessen verbringt Ruzicka am kommenden Samstag seinen 48.Geburtstag in U-Haft, als auch in Kürze das dritte Weihnachtsfest in Folge. Das Gericht verhandelt einmal pro Woche. Der organisatorische Fortgang des Prozesses ist derzeit ungewiss, da es noch immer keinen Termin für die Zeugenaussagen vom Global CEO der Aegis Media, Jerry Buhlmann, dem inzwischen demissionierten CEO der Holding Aegis Group plc., als auch seinem Vorgänger Doug Flynn gibt. Das Gericht hatte angekündigt die Vernehmungen notfalls in London durchführen zu wollen. Ob das auch für Doug Flynn gilt, der zuletzt in Australien ansässig war, ist offen.
mz