Vordergründig herrscht die schönste Eintracht: Auf der Nürnberger Biofach sind Fleischverarbeiter ebenso vertreten wie Hersteller von veganem oder vegetarischem Food. „Menschen achten in Herstellung und Handel auf einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck, hinterfragen Verpackungen und deren Nachhaltigkeit, sie legen einen Fokus auf heimische Rohstoffe und berücksichtigen – wenn sie denn Fleisch oder Fisch auf ihren Speisenplan setzen –, das Tierwohl“, jubelten die Veranstalter der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, die noch bis Freitag läuft. Tatsächlich aber werden zwischen Karnivoren, Vegetariern und Veganern harte Interessenskonflikte ausgetragen.
Mehrwertsteuer senken, um den Konsum zu lenken?
Die Berliner Firma Veganz startete vor vier Woche eine Initiative mit dem Ziel, die Mehrwertsteuer auf sämtliche pflanzliche Produkte abzuschaffen. Null Prozent, jawohl. Weil es Haushalte mit niedrigen Einkommen entlasten und weil es dem Klima helfen würde, „wenn wir weniger tierische Produkte verzehren“. Mehr als 25.000 Menschen haben die Online-Petition inzwischen unterschrieben.
Keine Frage, für Fans veganer Produkte wäre es schick, schlagartig entlastet zu werden. Und den Herstellern würde es Preisspielräume eröffnen, wie man so schön sagt. Aber wie viele Fleischesser*innen verzichten auf Steak, nur weil die vegane Alternative ein oder zwei Euro weniger kostet? „Individuelle Konsumkritik verzögert systematische Veränderung durch Klein-Klein-Debatten“, schreibt die Klimaaktivistin Helena Marschall in ihrer aktuellen Kolumne für die absatzwirtschaft.
Gutachten bescheinigt große Mitnahmeeffekte
Die meisten Volkswirt*innen halten der Ansatz, durch Ausnahmen oder Ermäßigungen von der Mehrwertsteuer staatlicherseits den Konsum zu lenken, ohnehin für grundverkehrt, nicht nur, weil das ein Einfallstor für Lobbyisten darstellt. Die Mitnahmeeffekte nämlich sind enorm. „Möglicherweise nutzen vor allem die Bezieher hoher Einkommen den ermäßigten Steuersatz, obwohl sie diese Güter ohnehin schon in großem Ausmaß konsumieren“, heißt es, stilistisch etwas holprig, aber in der Sache richtig in einem Gutachten, das der Finanzwissenschaftler und frühere Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven vor einigen Jahren verfasste. Er plädierte für den Wegfall sämtlicher Ausnahmen und eine einheitliche Mehrwertsteuer, die deutlich niedriger wäre als der heutige Regelsatz von 19 Prozent.
Positionspapier zeigt Schwächen auf
Welche Verrenkungen ein Mikromanagement bei der Mehrwertsteuer nach sich zieht, zeigt ein Positionspapier des Umweltbundesamts (UBA). Das möchte pflanzliche Grundnahrungsmittel gern von der Steuer freistellen. Verarbeitete Pflanzenprodukte schon nicht mehr ganz so gern: Für sie soll ein Satz von 7 Prozent gelten. Tierische Lebensmittel wiederum will das UBA unterschiedslos mit 19 Prozent besteuern. Jetzt gibt es aber ein Problem, und das heißt Biofleisch. Das wäre, wie das UBA einräumt, wegen seines höheren Preisniveaus „besonders stark von einer solchen Besteuerung betroffen“. Weshalb die amtlichen Umweltschützer*innen für diesen Bereich Subventionen empfehlen. Ja, wirklich.
Ökonom*innen setzen bei den Produzenten an
Um den Klimaschutz zu fördern, gibt es einfachere und zielgenauere Instrumente. Bei einer Umfrage des Münchner ifo-Instituts unter 123 Ökonom*innen schlugen 56 Prozent eine Einbindung der Fleischwirtschaft in den CO2-Zertifikatehandel vor, 50 Prozent fanden auch eine CO2-Steuer gut. Beide würden die Anreize für Produzent*innen erhöhen, klimaschädliche Emissionen zu senken. Darum geht es doch und nicht um die Frage, ob jemand Lust hat auf Hamburger oder auf Falafel.
Zoff im Allgäu: Kühe gegen Kunstkäse
Es ist eben alles nicht so einfach, wie man übrigens auch im Allgäu weiß. In dem kleinen Ort Weiler-Simmerberg wollte Simply V, das zur Hochland-Gruppe gehört, eine Fabrik zur Herstellung von veganem Käse errichten – auf einer Wiese, auf der 26 glückliche Kühe von Kleinbauer Vinzent Schmid weiden. Es kam, was kommen musste: Bürgerinitiative, Versammlung, das Regionalfernsehen berichtete. Simply V möchte jetzt lieber woanders bauen. Den Kühen von Bauer Schmid hilft das nicht, denn das Gewerbegebiet soll es trotzdem geben. Was die interessante Frage aufwirft, ob es in Weiler wirklich um Kühe versus Kunstkäse ging oder nicht eher um Klein gegen Groß.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!