Das Qualitätsverständnis des Verbrauchers hat eine neue Dimension hinzu bekommen. Nachhaltigkeit wird vom Nischenthema einiger Weniger zum breiten Mega- und Lifestyletrend in der Bevölkerung. Fazit: Aus Öko wird Organic. Aus Ökos werden LOHAS. Dabei ist Nachhaltigkeit Fluch und Segen für uns Markenverantwortliche zugleich. Das neue Verbraucherbewusstsein bietet Geschäftschancen. Von neuen Geschäftsmodellen im Energiebereich („Lichtblick“), über Innovationen im Automobilsektor („Efficient Dynamics“) bis hin zu den Produkten des täglichen Lebens („Alnatura“) und neuen Handelsformen („Basic“): Nachhaltigkeit durchdringt fast alle Branchen.
Andererseits kann „Nachhaltigkeit“ auch zum existenzbedrohenden Boomerang werden. Die deutsche Automobilbranche, die lange Zeit die Entwicklung von Hybridfahrzeugen dem japanischen Wettbewerb überlassen hat, oder „Basic“, die eine planlose Ehe mit „Lidl“ eingegangen sind, seien hier nur als zwei warnende Beispiele genannt. Der Verbraucher fordert diese nachhaltigen Innovationen vehement ein. Der Druck kommt von der Straße.
Das Thema ist für die Kommunikation eine große Herausforderung. Ich kann hier nur vor Etikettenschwindel und „Greenwashing“ warnen. Es macht überhaupt keinen Sinn, alles und jedes jetzt als „Bio“ oder „Organic“ zu labeln und zu glauben damit seien die Hausaufgaben gemacht. Denn zum Einen sind diese Labels für den Verbraucher nur bedingt relevant. Zum Anderen haben sie ihre Alleinstellung längst verloren. Und dann darf man nicht vergessen, dass Etikettenschwindel in Zeiten von Ökotest, Utopia.de und anderen Communities nicht nur auffliegt, sondern auch noch gnadenlos öffentlich gemacht werden. Man denke nur an die Probleme, die „The Body Shop“, „Bionade“ oder „Actimel“ hatten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass „Nachhaltigkeit“ ein fester Bestandteil einer zeitgemäßen Kommunikationsstrategie ist. Aber das Thema muss aus dem Innersten eines Unternehmen kommen, im Topmanagement angesiedelt werden und die wichtigsten Interessensverbände und Stakeholdergruppen möglichst früh in einen Dialog miteinbeziehen. Bei „HiPP“ zum Beispiel ist Bio nicht eine „Marketingmasche“, sondern reale Unternehmensphilosophie, die von Claus Hipp seit Jahrzehnten vorgelebt wird. Und dann darf das Thema nicht im jährlichen Nachhaltigkeitsbericht verschwinden. Den liest nämlich keiner. Gefragt sind emotionale Geschichten, die eine nachhaltige Positionierung entsprechend inszenieren. Tue Gutes und sprich darüber.
Ein gutes Beispiel für die Kraft einer solchen Geschichte ist „Icebreaker“ aus Neuseeland. Die einst kleine Marke für sportliche Outdoorwäsche ist mittlerweile weltweit in 24 Ländern aktiv und erzielt ein beachtliches Premium. Geschafft hat sie dies mit einer ganz konsequenten Markenpolitik. Sie baut auf einem Produktvorteil natürlicher Merino Wolle gegenüber den heute üblichen Kunstofffasern auf. Daraus lässt „Icebreaker“ jedoch eine emotionale Welt entstehen, die sich um das Thema „Nachhaltigkeit“ dreht: dem Respekt vor der Natur, der Freude outdoor zu sein, die unberührte Landschaft Neuseelands und eben die Merino-Schafe. Und das Ganze wird lifestylig und modisch für den jungen Städter inszeniert. Die Marke ist dabei bis ins Detail authentisch. Jedes Produkt der Marke können Sie zum Beispiel in seiner Wertschöpfungskette bis zu seinem „Ursprungsschaf“ zurückverfolgen.
Das Beispiel „Icebreaker“ ist wahrscheinlich deshalb so erfolgreich, weil das Konzept den Zeitgeist trifft und in seiner Authentizität kaum zu übertreffen ist. Und da liegt das oberste Gebot zum Green Marketing. Kommunikation für Nachhaltigkeit braucht von den Verantwortlichen eben authentische Botschaften in einer emotionalen Welt.
Über den Autor: Florian Haller ist Hauptgeschäftsführer der Serviceplan Agenturgruppe.