Ich habe gestern einen neuen Begriff kennengelernt: „Green Fatigue“. Die grüne Erschöpfung ist – Gruß an Herrn Söder – nicht parteipolitisch zu verstehen, sondern bezeichnet den – vermeintlich – um sich greifenden Überdruss der Menschen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.
Die Zeiten, in denen in den Führungs- und Marketingetagen das Thema ganz oben auf der Agenda stand, seien vorbei, sagen Menschen, denen das zupasskommt. „Drill, baby drill!“, ist beispielsweise Trumps Devise, mit der er künftig wieder voll auf fossile Energien setzen will. Wieder andere argumentieren, die Menschen hätten derzeit aber wirklich andere Sorgen als die um Klima, Planet oder Menschenrechte. Klar, haben sie. Unbenommen. Trotzdem hänge ich mich hier mal weit aus dem Fenster und widerspreche der Green Fatigue-These.
Es mag sein, dass das Thema Nachhaltigkeit im Nachrichtengetöse gerade untergeht. Das muss aber nicht bedeuten, dass Unternehmen und Menschen sich nicht mehr darum scheren. Ich habe Ihnen zur Stützung meiner Mutmaßung nur mal ein paar Nachrichten aus den vergangenen Tagen herausgepickt.
Laut einer im Auftrag des Genoverbands durchgeführten YouGov-Studie planen gut zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland, im Jahr 2025 in die nachhaltige Transformation zu investieren. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit bis zu 249 Beschäftigten liegt dieser Anteil bei 57 Prozent.
„Deutschlands Unternehmen agieren grüner, als viele denken“, lautet die Headline eines Gastbeitrags von Bain-Deutschland-Chef Walter Sinn im Manager Magazin. „Umweltschutz, Nachhaltigkeit und die Eindämmung von CO2-Emmisionen sind heute tief in der Wirtschaft verankert. Möglicherweise tiefer als es die Öffentlichkeit bisweilen wahrnimmt. Die Realität in den Unternehmen damit deutlich erfreulicher als so manche kontrovers geführte und wenig zielführende Debatte zum Umweltschutz im politischen Raum“, schreibt Walter Sinn.
Dass das Thema Nachhaltigkeit nach wie vor für Unternehmen hochrelevant ist, zeigt auch die lange Liste der wichtigsten Sustainability-Events 2025, die die Kollegen von Haufe Sustainability zusammengetragen haben. Danke dafür!
Der vegane Zug, er rollt
Passend zum Veganuary: Nutella gibt’s in Deutschland ab sofort auch vegan, statt Milch seien Kichererbsen und Reissirup Teil der Rezeptur, meldet Ferrero. Der Veganuary erfreut sich immer größerer Beliebtheit, im vergangenen Jahr sollen sich weltweit 25 Millionen Menschen beteiligt haben.
Das schlägt sich in Marketingaktivitäten von Unternehmen nieder: ob IKEA, Rügenwalder Mühle oder Burger King, Lidl, Rewe, dm oder die Deutsche Bahn – sie alle springen mit Kampagnen auf den veganen Zug auf.
Im deutschen Einzelhandel stieg der Absatz von Fleischalternativen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen Januar und Augst 2024 um 14,4 Prozent. Der Pro-Kopf-Fleischkonsum in Deutschland ging laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Jahr 2023 im Vergleich zu 2018 um über 15 Prozent zurück.
„Besseres Essen ist die Zukunft“
Um gute Ernährung geht es auch einer Meldung der WiWo: Das Wirtschaftsmagazin stellt einen Trend zu gesünderem Essen fest, und zwar: an der Börse. Während die Aktien von Getränkeriesen und Fast-Food-Ketten jahrelang gestiegen seien, zeichne sich jetzt, nicht zuletzt ausgelöst von den Abnehmspritzen, eine Trendwende ab.
„Anleger sind sich offenbar einig: Besseres Essen ist die Zukunft. Die Aktien der gesünderen Optionen liefen im vergangenen Jahr bei Weitem besser als die der Junk-Food-Könige. Anteile von Cava, Sweetgreen und Sprouts Farmers Markets haben sich in diesem Zeitraum fast verdreifacht. Die Aktien von Coca-Cola, Pepsi und McDonald’s liefen hingegen deutlich schlechter als der Aktienmarkt insgesamt“, so Wiwo-Redakteur Marlon Bonazzi im Newsletter.
Argumente für den grünen Standort Deutschland
Und hier noch ein paar News für alle, die Marketing für den grünen Standort Deutschland machen wollen:
- 1. Deutschland hat seine Treibhausgasemissionen laut Zahlen der Denkfabrik Agora Energiewende im vergangenen Jahr im Vergleich zu 1990 nahezu halbiert. Grund dafür ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien: Ihr Anteil am Bruttostromverbrauch stieg im Jahr 2024 auf 55 Prozent! Mal ehrlich: Wer hätte das gedacht?
- 2. Es gibt zwar noch unglaublich viel zu tun, aber Deutschland liegt im Bemühen um Klimaneutralität bis 2050 im Vergleich der OECD- und EU-Staaten immerhin auf Platz sieben, so das Fortschrittsmonitoring der Bertelsmann Stiftung. „Im Ländervergleich zum Fortschritt beim Klimaschutz, der Energiewende und der zirkulären Wirtschaft ist Deutschland nach wie vor gut positioniert”, sagt Christof Schiller, Leiter des Projekts zu den Sustainable Governance Indicators (SGI).
- 3. Die CES – die gerade in Las Vegas stattfindende Technik-Leitmesse – hat Deutschland erneut als eines der innovativsten Länder weltweit und somit als „Innovations-Champion“ ausgezeichnet.
Messechef Gary Shapiro, CEO der Consumer Technology Association (CTA), erklärte zur Preisvergabe laut Deutscher Presse-Agentur: „Es geht dabei nicht nur darum, Investitionen zu bewerten und den bürokratischen Aufwand für Start-ups zu reduzieren, sondern auch anzuerkennen, dass Länder die Meinungsfreiheit gewährleisten, Möglichkeiten für eine vielfältige Arbeitsumgebung schaffen und die Grundfreiheiten der Menschen respektieren können.“ - 4. „Es ist aus meiner Sicht utopisch, dass wir Verhalten ändern, dass wir mehr zahlen – das funktioniert nicht, wir brauchen Technologie, die einfach besser ist, und wir haben die…gerade in Deutschland und Europa entwickeln wir die auch. Und wenn das in den USA ein bisschen weniger passiert über die nächsten vier Jahren, dann ist das eine Riesenchance für uns als Europäer und für uns als Deutsche.“
Das sagt Sebastian Pollok, Investor und Gründer des Wagniskapitalgebers Visionarys Club im Podcast CEO Talk von Table Media. „Wir können weltweit ein safe harbor für Green Tech werden. Das kann unser Google werden…über 50 Prozent der global führenden Forschungsinstitute sitzen in Europa. Deutschland ist Nummer zwei bei den Patentanmeldungen.“
Green Fatigue? Pfffff!
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!