Das Leben ist voller Missverständnisse. Manchmal sind diese sogar beabsichtigt, wie Kolleg*innen aus der Unternehmenskommunikation bestätigen werden. Und so ist es vielleicht kein Wunder, dass die – vor wenigen Tagen beschlossene – neue „Strategische Agenda“ der Europäischen Union als Niederlage für die Umwelt interpretiert wurde. „EU macht Wirtschaft zur Priorität“ (€) titelte etwa die Süddeutsche Zeitung und diagnostizierte eine „Abkehr von der ambitionierten Klimapolitik“ des Green Deal. Das wäre in der Tat ein Tiefschlag für all jene, die es ernst meinen mit dem grünen Wirtschaften. Aber stimmt es überhaupt?
Wer die Agenda, die bis 2029 gilt, im Original nachliest, kann da so seine Zweifel bekommen. Zwar ist viel von der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft die Rede und einmal auch von Pragmatismus – dies aber „auf unserem Weg zur Klimaneutralität bis 2050“. Die Staats- und Regierungschefs verpflichten die EU sogar zu mehr Unterstützung („a more supportive environment“), um der Industrie die Umstellung auf Netto-Null-Technologien und klimaneutrale Produkte zu erleichtern. Könnte es sein, dass es hier keineswegs um die Abkehr von der Klimapolitik geht? Sondern darum, sie international durchzusetzen?
Klimaschutz international
Die gut vernetzte Brüsseler Denkfabrik Bruegel jedenfalls verweist in ihrem aktuellen Policy Brief auf „grüne Diplomatie“ und strategische Partnerschaften mit anderen Staaten, um Standards zu setzen und Dekarbonisierung auch außerhalb der EU zu erreichen. Etwa durch Zölle, internationale Besteuerung oder einem staatlich geförderten Aufbau grüner Lieferketten.
Vor diesem Hintergrund liest sich die Strategische Agenda plötzlich ganz anders: Als diplomatisch verpackte Ansage, dass man sich ausländische Subventionen und Dumping-Preise, die zu Lasten der Umwelt und der heimischen Industrie gehen, nicht länger bieten lassen will.
Lila Kuh auf neuer Wiese
Von der Politik-PR zum Marketing der Konzerne: Marken-Ikone Milka ersetzt seit dieser Woche den Flowpack der 100-Gramm-Schokolade durch eine Papierhülle – testweise und in limitierter Auflage bei Edeka und Netto. Die neue Verpackung besteht aus zertifiziertem, hauchdünn beschichtetem Papier, das ins Altpapier darf. Interessant, nur: Verbessert sich dadurch tatsächlich die Umweltbilanz? Oder geht es darum, die Schokolade wertiger erscheinen zu lassen?
Mutterkonzern Mondelez International antwortete so: „Im Vergleich zu Kunststoffverpackungen ist Papier ein in der Regel leicht recycelbares Verpackungsmaterial. Dadurch wird das Papier oft wiederverwertet, was die Kreislaufwirtschaft fördert und gut für die Umwelt ist.“ Aha. „Dieser Test hilft Mondelez International zu verstehen, wie die neue Papierverpackung bei Konsument*innen ankommt und welche Auswirkungen sie auf den Produktionsprozess hat.“ Man lässt sich wohl ungern in die Karten schauen. Ob die lila Kuh künftig von Papier oder von Plastik grüßt – ungewiss.
Die Milch macht’s? Hallemuhja!
Eine vegane Alternative zur Milchschokolade gibt es von Milka bislang übrigens nicht. Ein Lichtblick für die Milchindustrie, die angesichts des Trends zu Hafer-, Reis-, Erbsen- oder Lupinengetränken zunehmend unter Druck gerät. Mit einer großangelegten Imagekampagne versucht die „Initiative Milch“ – ein Zusammenschluss des Milchindustrie-Verbands, des Deutschen Bauernverbands und des Deutschen Raiffeisenverbands – gegenzusteuern.
Kern ist ein Musikvideo, in dem ein weiß gekleideter Interpret („Mister Kuhl“) mit dem Lied „Sing Hallemuhja“ einer Familie beim Frühstück erscheint, die Gäste eines Berliner Späti aufmischt und schließlich auf Heuballen performt. „Der nur auf den ersten Blick hüftsteif wirkende Darsteller tanzt entlang bekannter und neuer Verzehr-Momente“, erklärt die Initiative Milch den Plot. Über 280 000 Views auf Youtube. Hallemuhja.
CO2-Abdruck von Kantinenessen
Seine Botschaft gut verpackt hat das auf Ökobilanzen für die Foodbranche spezialisierte Start-up Greenado aus Erkrath bei Düsseldorf: Es hat sich zehn beliebte Kantinengerichte vorgeknöpft, Schnelldreher wie Spaghetti Bolognese, Currywurst mit Pommes oder Schnitzel. Dass die CO2-Bilanz von pflanzlichen Alternativen wie Nudeln mit Linsen oder Sellerieschnitzel besser ausfällt, ist wohl keine Überraschung. Die Höhe des Einsparpotenzials hingegen schon – ein Chili con Carne zum Beispiel verursacht laut Analyse siebenmal so viel CO2-Emissionen wie ein Chili sin Carne.
An guten veganen Ersatzprodukten mangelt es heute nicht – und Marketer*innen bekommen für sie auch nicht mehr „drei Jahre lang gepflegt in die Fresse“ wie weiland Godo Röben bei der Rügenwalder Mühle. Für diejenigen, die trotzdem nicht auf Fleisch verzichten wollen, halten die Expert*innen diesen Tipp parat: „Seltener verzehren, um so mehr genießen.“
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!