Herr Eikel, am Montag wurde die Richtlinie zum Schutz vor Greenwashing im Rat der Europäischen Union beschlossen, bekannt als Green Claims Directive. Diese soll es Unternehmen erschweren, irreführende Umweltaussagen wie „klimaneutral“ zu tätigen. Gute Nachrichten für das Klima?
Ich glaube, dass die Green Claims Directive keine gute Sache für das Klima ist. Sie ist aber eine notwendige Regulierung, da viele Werbeaussagen nicht so transparent waren, wie sie hätten sein sollen. Allerdings sehe ich die Richtlinie auch kritisch, da sie ein Bürokratiemonster ist.
Inwiefern?
Viele Unternehmen werden es vermeiden, über ihre Umweltanstrengungen zu sprechen, weil die Vorabprüfung teuer und zeitaufwendig ist. Unsere Mandanten kritisieren besonders die Vorabprüfung, wollen darüber aber nicht öffentlich sprechen, weil sie Angst haben, als Greenwasher abgestempelt zu werden.
Ist die Richtlinie zu unkonkret formuliert oder zielt Ihre Kritik darauf, dass es sie überhaupt gibt?
Wir haben zwei Richtlinien, die die Umweltwerbung in Zukunft regeln werden. Die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher*innen, die ganz konkrete Dinge wie Nachhaltigkeitssiegel und Werbung mit Ambitionen regelt, und die Green Claims Directive. Diese hat drei Hauptinhalte: wissenschaftliche fundierte Begründungen für Umweltwerbung sammeln, nur „signifikante“ Umweltaussagen kommunizieren und eine Vorabprüfung verlangen. Mit den ersten beiden Punkten bin ich einverstanden, aber die Vorabprüfung halte ich für übertrieben und schädlich.
Wenn unabhängige Institutionen wie der TÜV diese Vorabprüfung durchführen, ist das nicht eine gute Sache, weil sie Unabhängigkeit gewährleistet?
Ich verstehe das Argument und habe Vertrauen in den TÜV. Aber viele Unternehmen, insbesondere kleinere, werden sich das nicht leisten können. Es wird teuer und kompliziert, diese Vorabprüfungen durchzuführen, was dazu führt, dass Unternehmen weniger über ihre Umweltmaßnahmen sprechen werden.
Wenn es jetzt darum geht, nicht mehr darüber zu sprechen, weil man sich grüne Werbeversprechen leisten kann, heißt das nicht, dass man nichts Gutes tut…
Nein, aber wenn Sie ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens sind und sich fragen, ob Sie 15 Euro mehr pro Stuhl ausgeben sollen, um recycelten Kunststoff zu verwenden, werden Sie zögern, wenn Sie diese Kosten und den bürokratischen Aufwand sehen. Viele Unternehmen tun Gutes, weil sie darüber sprechen können. Wenn das Sprechen darüber so schwierig und teuer wird, werden viele es einfach lassen.
Was bedeutet die Green Claims Directive für das Markenrecht und die Werbung? Müssen Marken jetzt bestimmte Maßnahmen ergreifen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden?
Jede Marke, die einen Umweltaspekt promotet, sollte gründlich geprüft werden. Begriffe wie „green“, „sustainable“ oder „eco“ müssen besonders genau unter die Lupe genommen werden. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Marken und Werbeaussagen den neuen Standards entsprechen. Dies bedeutet oft, dass sie ihre Claims dokumentieren und die entsprechenden Belege bereithalten müssen.
Gibt es andere Werbeversprechen außer „klimaneutral“, die einfacher auf die Werbung geschrieben werden könnten?
Je konkreter ein Claim ist, desto leichter wird es. Aussagen wie „Unser Produkt besteht zu 50 Prozent aus recyceltem Kunststoff“ oder „Unsere Fabrik wird mit erneuerbarer Energie betrieben“, sind einfacher zu belegen und zu kommunizieren. Die Vorabprüfung der Green Claims Directive macht Ausnahmen für sehr konkrete Aussagen, aber für allgemeine Begriffe wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ bleibt es kompliziert.
Wirklich? Die aktuelle Richtlinie erlaubt es Unternehmen leichter, Klimaneutralität zu behaupten, ohne die Einschränkungen auf Residualemissionen. Welche Auswirkungen hat das für Unternehmen?
Die Green Claims Directive und die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher*innen unterscheiden sich hier deutlich. Während die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher*innen die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ für Produkte und Dienstleistungen verbietet, die auf Offsetting setzen, regelt die Green Claims Directive die Nutzung des Begriffs auf Unternehmensebene.
Wie sieht es dort aus?
Unternehmen dürfen „klimaneutral“ nur behaupten, wenn sie klare Ziele zur Reduktion ihrer Emissionen haben und diese transparent kommunizieren. Zudem müssen sie darlegen, welcher Anteil ihrer Emissionen durch tatsächliche Maßnahmen und welcher durch Zertifikate ausgeglichen wird. Diese Transparenzanforderungen sollen sicherstellen, dass Unternehmen nicht nur Zertifikate kaufen, ohne dies offenzulegen.
Die EU will nun Guidelines anbieten, um den Carbon Footprint zu messen. Wie werden diese Guidelines voraussichtlich die Praxis der Nachhaltigkeitswerbung beeinflussen?
Diese Guidelines werden der Goldstandard sein. Aktuell gibt es verschiedene Methoden zur Berechnung des Carbon Footprints, was die Vergleichbarkeit erschwert. Einheitliche Standards werden sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern Klarheit und Vergleichbarkeit bieten. Dies führt zu mehr Transparenz auf dem Markt. Dadurch können Verbraucher*innen besser nachvollziehen, wer wirklich Fortschritte macht und wer nicht. Zudem wird es Unternehmen erleichtert, ihre Bemühungen klar und verständlich zu kommunizieren, was letztlich Vertrauen schafft.
Sie sagen „Goldstandard“. Die Realität zeigt, dass bei der Ausgestaltung von Guidelines oft Kompromisse nötig sind. Sehen Sie hier die Gefahr, dass diese Guidelines durch Lobbyarbeit verwässert werden könnten?
Natürlich gibt es immer Kompromisse, besonders in Brüssel und Straßburg. Verschiedene Interessenvertreter*innen werden ihre Meinungen einbringen, sei es die Wirtschaft oder Umweltschützer. Allerdings hat die EU in der Vergangenheit bei der Umweltwerbung gezeigt, dass sie sich nicht leicht von wirtschaftlichen Lobbys beeinflussen lässt. Trotz großer Kritik kommt die Green Claims Richtlinie ohne grundlegende Änderungen. Daher glaube ich, dass die Guidelines robust und wissenschaftlich fundiert sein werden. Auch wenn Kompromisse unvermeidlich sind, wird der Kern der Richtlinien vermutlich stark und wirkungsvoll bleiben.
Kritiker*innen argumentieren, dass die Richtlinie nicht weit genug geht, um Greenwashing zu verhindern, insbesondere auf Unternehmensebene. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Die Richtlinie geht schon sehr weit und stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen. Natürlich kann man argumentieren, dass sie noch strenger sein könnte. Aber in der Praxis ist es wichtig, eine Balance zu finden. Zu strikte Regeln könnten Unternehmen entmutigen, überhaupt etwas für die Umwelt zu tun. Die Richtlinie schafft eine Motivation, sich auf eine nachhaltige Reise zu begeben, ohne die Unternehmen völlig zu überfordern.
Ein weiteres Thema ist Green Hushing. Viele Unternehmen scheuen sich, über ihre Umweltmaßnahmen zu sprechen, aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder Kritik. Was halten Sie von diesem Phänomen?
Green Hushing ist eine besorgniserregende Entwicklung. Unternehmen, die aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder negativen Reaktionen ihre Umweltanstrengungen verschweigen, tragen nicht zur gewünschten Transparenz bei. Das Ziel der Gesetze zur Umweltwerbung, und so auch der Green Claims Directive, sollte es sein, Unternehmen zu ermutigen, ehrlich und offen über ihre Bemühungen zu sprechen, ohne Angst vor übermäßiger Bürokratie oder ungerechtfertigter Kritik haben zu müssen. Es ist wichtig, dass Unternehmen, die wirklich nachhaltige Maßnahmen ergreifen, diese auch kommunizieren können.
Wie sehen Sie die Zukunft der Green Claims Directive und ihre möglichen Weiterentwicklungen?
Sobald die Richtlinie umgesetzt ist, wird es eine Phase der Unsicherheit geben. Unternehmen werden abwarten, wie die ersten Urteile ausfallen und welche Claims akzeptiert werden. Mit der Zeit wird sich ein klarer Rahmen herausbilden, und die Unternehmen werden sich anpassen. Nachhaltiges Marketing wird schwieriger, aber nicht unmöglich. Konkrete Aussagen werden der Schlüssel sein. Ich hoffe, dass die EU weiterhin daran arbeitet, den Rahmen klarer und praktikabler zu gestalten, um sowohl Greenwashing als auch Green Hushing zu verhindern.