Aus Marketinggesichtspunkten ist er eine Glanzleistung: der einst vom US-amerikanischen Einzelhandel erfundene Black Friday. Mittlerweile ist er auf alle Branchen, viele Länder und den Online-Handel übergeschwappt. Der Friday ist auch kein Friday mehr, sondern mittlerweile eine Black Friday Week, was kuriose Fragen im Web zur Folge hat, zum Beispiel: „Wie lange geht der Black Friday 2022?“ Vorbei die Zeiten als ein Tag 24 Stunden hatte. Und vergessen wir geschwind all die beunruhigenden Meldungen rund um die Klimakonferenz, denn: Ab dem 25. November stehen „richtig gute Deals“ („Netzwelt“) ins Haus.
69 Prozent der Deutschen wollen in der Black Week auf Einkaufstour gehen, sie verfügen über durchschnittlich 289 Euro Budget (18 Euro mehr als im Vorjahr, Inflation hin oder her). Drei Viertel von ihnen wollen vor allem online shoppen und vier von zehn die Hälfte oder mehr ihrer Weihnachtsgeschenke einkaufen, fand die Unternehmensberatung PwC in einer Umfrage heraus. Und: 38 Prozent der Befragten wollen nur das „kaufen, was sie benötigen und vorab geplant haben“. Echt jetzt? Nur, was sie benötigen? Dazu muss man wissen: Ganz oben auf der Einkaufsprioritätenliste stehen elektronische Geräte.
Damit dieser Text hier nicht allzu moralapostelig wird, schnell noch eine weitere Erkenntnis: „Der Anteil der Verbraucher*innen, bei denen Nachhaltigkeit einen Einfluss auf die Kaufentscheidung am Black Friday hat, ist weiter gestiegen: Inzwischen geben dies 87 Prozent der Befragten an (2021: 84 Prozent)“, schreibt PwC. Na, dann wünschen wir doch fröhlichen Einkauf all der nachhaltigen Elektrogeräte!
Kein Problem fürs Geschäft
Kommen wir zu einem anderen denkwürdigen Ereignis dieser Tage: zur Fußball-WM. Da hat ja gerade Rewe-CEO Lionel Souque der Kooperation mit dem DFB öffentlichkeitswirksam die Reißleine gezogen. Und der Konzern setzte noch ein Signal obendrauf: Das Fußball-Sammelalbum gibt es bei Rewe jetzt gratis, die Kosten trägt das Unternehmen – und die bisherigen Erträge aus dem Verkauf will es vollständig spenden. Die Nachricht verbreitete sich rasant. Rewe wird für seine Haltung gefeiert. Es ist nur so eine Vermutung, dass der Kölner Konzern den deutschen Fußballfans dereinst beim Stichwort „Katar“ in besserer Erinnerung geblieben sein wird als WM-Sponsor Adidas (Stand 23. November 2022).
Adidas kommt als einziges Unternehmen der sieben Hauptsponsoren noch aus Europa – und vielleicht ist der Unmut deutscher Käufer*innen über die Herzogenauracher auch gar nicht relevant. In einem Artikel des Kölner Stadt-Anzeiger bemerkt Christoph Breuer, Sportökonom an der Kölner Sporthochschule, die Kritik an Katar konzentriere sich auf Mittel- und Nordeuropa sowie Großbritannien. „Wenn Sponsoren etwa auf dem chinesischen Markt unterwegs sind, wo die Stimmung anders ist als in Europa, ist das für ihr Geschäft überhaupt kein Problem.“
Im dritten Quartal verzeichnete Adidas in der wichtigen Kategorie Fußball jedenfalls einen starken zweistelligen Zuwachs. Die neuen Trikots haben laut Unternehmensangaben „bereits im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 für Begeisterung bei den Konsument*innen gesorgt“.
Keine Lust auf Fan-Artikel
Das kann nicht in Deutschland gewesen sein, denn für den hiesigen Markt stellt Professor Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim fest: „Der Fanartikel-Markt bricht bei dieser WM sozusagen geradezu zusammen.“ Der Wissenschaftler verantwortet die WM-Studie 2022. Der zufolge ist die Kauflust der Fans hierzulande so niedrig wie nie zuvor.
„Insgesamt fällt auf, dass das Instrument ‚WM-Sponsoring‘ deutliche Wirkungseinbußen hinnehmen muss. Unternehmen müssen daher für die Zukunft neu bewerten, ob sich die hohen Aufwendungen für das Sponsoring solcher Großereignisse noch rechnet“, so Voeth.
Laut Studie erwarteten viele Deutsche von den offiziellen WM-Sponsoren, dass diese sich auch in sozialer und gesellschaftlicher Art engagieren. Man darf vier Tage nach WM-Start sagen: Das hat bis jetzt noch nicht so gut geklappt.
Ach ja, um das noch kurz abzuschließen: Der Black Friday endet am Cyber Monday, was rein kalendarisch eine merkwürdige „Week“ ist. Dazwischen findet am Samstag der „Kauf-nix-Tag“ statt, von wegen Ressourcen schonen, Klimawandel und so. Der hat sich aber bislang nicht so recht durchgesetzt. Die Marketingprofis auf der Konsumseite sind offenbar deutlich besser als die von der Nachhaltigkeitsfraktion.
Eine gute Woche (7 Tage mit je 24 Stunden) noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!