Im Wettlauf bei künstlicher Intelligenz rüstet Google mit neuen Funktionen für seine Dienste auf – und verspricht zugleich ein umsichtiges Vorgehen, um keinen Schaden anzurichten. Neben der Suchmaschine sollen auch andere Anwendungen wie Mail, Bürosoftware und Karten mit KI aufgebessert werden, kündigte Konzernchef Sundar Pichai auf der Entwicklerkonferenz Google I/O an.
Eine Folge der vorsichtigen Gangart ist, dass beispielsweise Googles Chat-Bot Bard zwar auf Deutsch, aber zunächst weder in Deutschland noch in der Europäischen Union verfügbar sein wird. Offensichtlich versucht der US-Konzern zunächst zu klären, ob Bard kompatibel mit dem rechtlichen Rahmen in der Europäischen Union ist.
Quellen für die Informationen werden angezeigt
Erhebliche Neuerungen will Google für sein wichtigstes Produkt – die Internet-Suche – ausprobieren. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz soll die Suchmaschine beispielsweise die Frage beantworten können, welcher von zwei Naturparks für eine Familie mit Kindern und Hund besser geeignet ist. Die Antworten werden in ganzen Sätzen formuliert, als Zusatz gibt es die gewohnten Internet-Links. Google legt Wert darauf, dass man sich dabei die Quellen für die Informationen anzeigen lassen kann – was bei anderen KI-Anwendungen nicht selbstverständlich ist.
Bei der Suche nach einem Fahrrad werden zusätzlich zu Ratschlägen, etwa auf die Radaufhängung zu achten, gleich auch passende Angebote von Händlern angezeigt. Zusätzlich könnte man sich zum Beispiel zu Regeln für Handzeichen beim Radfahren in Kalifornien beraten lassen, sagte Google-Managerin Cathy Edwards. „Das sind Dinge, nach denen man früher nie in der Suche gefragt hätte.“
Die KI-Suche ist zunächst auf einen Test beschränkt. Die Software entscheidet selbst, wann sie eine Suchanfrage so beantwortet. Man wolle besser verstehen, in welchen Fällen das sinnvoll sei, heißt es.
Auswirkungen der KI auf die Werbeanzeigen unklar
Google macht den Großteil seines Geschäfts nach wie vor mit Anzeigen im Umfeld der Internet-Suche. Meist bezahlen Werbekunden dafür, dass ihre Links zu Suchanfragen am oberen Bildschirmrand eingeblendet werden. Bisher ist eine offene Frage, welche Auswirkungen die Ausbreitung ausführlicher Antworten auf Basis künstlicher Intelligenz auf dieses Geschäftsmodell haben wird.
Pichai demonstrierte auch, wie Software mit wenigen Vorgaben einen Brief formulieren kann. Wenn man eine Geschichte schreibt, soll die Software Vorschläge für weitere Wendungen der Story und automatisch erzeugte Illustrationen liefern können. In Googles Foto-App kann man bald nicht nur ungewollte Objekte und Personen entfernen, sondern zum Beispiel auch die eigene Position im Bild verändern. Fehlende Details, die ursprünglich hinter dem Bildschirmrand blieben, soll die Software dabei von sich aus hinzufügen.
Wettstreit bei künstlicher Intelligenz
Google arbeitet schon seit Jahren an Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz, steht aktuell aber unter Zugzwang, mehr davon preiszugeben. Ende vergangenen Jahres löste das Start-up OpenAI einen neuen Wettstreit bei künstlicher Intelligenz aus, als es seinen ChatBot ChatGPT öffentlich machte. Die Software sorgte für viel Aufsehen, weil sie Sätze wie ein Mensch bilden kann. Sie wird mit gewaltigen Datenmengen trainiert und schätzt Wort für Wort ab, wie ein Satz weitergehen könnte. Das bringt das Risiko mit sich, dass sie völlig falsche Informationen ausgeben kann.
Googles Erzrivale Microsoft ging einen milliardenschweren Pakt mit OpenAI ein und bringt die KI-Programme auf breiter Front in seine Anwendungen. Google hielt sich bisher damit zurück, unter Verweis auf einen verantwortungsvollen Einsatz der Technologie.
Gefahren: Vorurteile stärken und Falschinformationen verbreiten
Auf der Google I/O hielt der Konzern daran fest. „Der einzige Weg, auf lange Sicht mutig zu sein, ist, von Anfang an verantwortungsvoll zu agieren“, betonte am Mittwoch James Manyika, der bei Google für gesellschaftliche Verantwortung beim Einsatz künstlicher Intelligenz zuständig ist. Der Konzern sehe die Gefahr, dass die Software Vorurteile stärken oder für die Produktion von Falschinformationen verwendet werden könne. Zum Schutz davor sollen mit Hilfe von Googles künstlicher Intelligenz erzeugte Dateien mit Metadaten versehen werden, damit sie sofort erkannt werden können.
Auch werde Google eine Software, die automatisch Synchronfassungen von Videos anfertigen kann, nur überprüften Entwicklern zur Verfügung stellen, sagte Manyika. Damit sollen sogenannte Deep Fakes mit angeblichen Handlungen realer Personen verhindert werden. Manyika betonte zugleich, dass Google sich schon vor Jahren dagegen entschieden habe, Schnittstellen für Anwendungen mit Gesichtserkennung öffentlich verfügbar zu machen.
Chatbot Bard in Deutschland noch nicht verfügbar
Google führte für die neuartigen KI-Funktionen ein neues Sprachmodell mit dem Namen Palm 2 ein, um gegen GPT-4 von OpenAI anzutreten. Palm 2 kann mehr als 100 Sprachen meistern und bringt Schreib-, Programmier- und Analyse-Fähigkeiten mit. Auf der Basis von Palm 2 wird auch Googles Chatbot Bard arbeiten. Der Textroboter von Google, der bislang nur in den USA und Großbritannien ausprobiert werden konnte, wird künftig in 180 Ländern in Englisch, Koreanisch und Japanisch verfügbar sein. In den Ländern der Europäischen Union wird Bard allerdings vorerst nicht erreichbar sein, also auch nicht in Deutschland. Die Sprachunterstützung für Deutsch und 39 weitere Sprachen soll allerdings bald folgen.
Auf der Entwicklerkonferenz stellte Google auch drei Geräte vor. Zum einen präsentierte der Konzern das auf die Größe eines kleinen Tablets auffaltbare Smartphone Pixel Fold, das mit Samsung Galaxy Fold und ähnlichen Geräten von Herstellern aus China konkurriert. Auch zeigte Google das Pixel 7a, eine etwas abgespeckte Variante des bisherigen Spitzenmodells Pixel 7 Pro. Außerdem wurde das Pixel Tablet vorgestellt. Eine Besonderheit des Google-Tablets ist ein zusätzlicher Halter mit Lautsprecher, mit dem es als ständig aktives Tischgerät eingesetzt werden kann. Während das Pixel 7a von sofort an für 509 Euro angeboten wird, müssen Interessenten auf das Falt-Smartphone und das Tablet noch warten.
Von Christoph Dernbach und Andrej Sokolow, dpa