„In Gold gekleidet, mit rotem Band geschmückt und mit einer Glocke versehen“ – so beschreibt der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt seinen bekannten hockenden Osterhasen. Aber es ist nicht alles Lindt, was glänzt: Auch die Konkurrenz bringt goldene Osterhasen in die Süßigkeitenregale, sehr zum Ärger von Lindt. Das Unternehmen beansprucht den goldenen Farbton exklusiv für sich. Zu Recht? Darüber hat am vergangenen Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelt.
„Goldhase“ als Verkaufsschlager
Rein zahlenmäßig ist der „Goldhase“ von Lindt unangefochten: Ob als Zehn-Gramm-Mini oder Ein-Kilo-Brummer, in Vollmilch oder Zartbitter – kein anderer Schoko-Osterhase wird in Deutschland so oft gekauft. Mit mehr als 500 Millionen verkauften Exemplaren in den vergangenen drei Jahrzehnten und einem Marktanteil von über 40 Prozent (2017) ist der Lindt-Hase klarer Marktführer. Aber müssen die anderen Schokohasen-Hersteller deshalb auf Goldfolie verzichten?
Die Sache ist vertrackt und landet nicht das erste Mal vor Gericht. Zwischen 2002 und 2013 mühte sich Lindt, die Osterhasen der fränkischen Confiserie Riegelein vom Markt zu verbannen. Der Streit geht gleich zweimal zum BGH – nicht nur, weil als Anschauungsobjekte zu den Akten gereichte Schokohasen auf dem Weg durch die Instanzen auf mysteriöse Weise abhandenkommen. Am Ende darf der Riegelein-Hase bleiben. Nahezu zur gleichen Zeit, 2012, entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich Lindt den „Goldhasen“ mit Halsband nicht als dreidimensionale Gemeinschaftsmarke schützen lassen kann.
Streit um „Goldhase“: Kunden müssen Farbe als Marke verstehen
Diesmal versucht es Lindt über die Farbe. Ganz einfach ist so etwas allerdings nicht. Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München sind aktuell mehr als 100 abstrakte Farbmarken und Farbkombinationsmarken eingetragen – zum Beispiel das Hellgrün des Fernbusunternehmens Flixbus oder die Blau/Silber-Kombi der Red-Bull-Energydrinks. Aber die Hürden sind hoch. „Die Farbe darf vor allem nicht beschreibend sein und muss auch als Marke tauglich sein“, erläutert Sprecher Til Huber. Im Zweifel muss der Anmelder mit Studien nachweisen, dass die Kunden die Farbe als Marke verstehen.
Im Mai 2017 hat sich Lindt die Farbmarke „gold (Pantone Premium Metallics coated 10126 C)“ beim DPMA für Schokohasen eintragen lassen. Aber die Confiserie Heilemann aus Woringen im Allgäu hat die Löschung beantragt, das Verfahren liegt beim Bundespatentgericht.
Lindt wiederum hat Heilemann auf Unterlassung und Schadenersatz verklagt. Denn auch der mittelständische Hersteller, der inzwischen zur thüringischen Viba Gruppe gehört, hat sitzende Schokohasen in Goldfolie im Sortiment – mit buntem Halsband und Schleifchen. In letzter Instanz soll nun der Bundesgerichtshof entscheiden.
Heilemann kämpft gegen das „Goldhase“-Monopol
Bei Heilemann wollen sie sich ihre Osterhasen nicht verbieten lassen. Lindt versuche, „golden verpackte Schokohasen zu monopolisieren“, sagt der Viba-Beiratsvorsitzende Karl Heinz Einhäuser. Heilemann vertreibe seit vielen Jahren in Goldfolie verpackte Schokohasen – und habe sich davon auch Ostern 2020 und 2021 nicht abhalten lassen.
Lindt will sich im laufenden Verfahren öffentlich nicht äußern, hat vor Gericht aber vor allem mit der Verwechslungsgefahr argumentiert. Der Farbunterschied sei minimal, das Heilemann-Logo an der Flanke des Hasen kaum zu erkennen. Volle Absicht, unterstellt Lindt – die Kunden sollten glauben, sie hätten den Original-„Goldhasen“ vor sich.
„Goldhase“ von Lindt „überragend bekannt“
Laut Lindt ist der eigene Goldton „überragend bekannt“, knapp 80 Prozent aller potenziellen Schokohasen-Käufer verständen ihn als sogenannten Herkunftshinweis. Tatsächlich trägt der Lindt-Hase seit seinen Anfängen 1952 Goldfolie, seit 1994 im aktuellen Ton.
Aber auch Heilemann will nicht auf die Farbe verzichten – schon weil „es eine auch nur annähernd so attraktive Farbe wie Gold gar nicht gebe“. Wer wissen wolle, von wem der Hase sei, schaue aufs Logo.
In dem Prozess beruft sich Lindt nicht auf die eingetragene Farbmarke, sondern macht geltend, dass das Gold durch die Benutzung Markenschutz erworben habe. Laut DPMA-Sprecher Huber hat so eine „Benutzungsmarke“ dieselben Wirkungen wie eine registrierte Marke. Ihre Verkehrsgeltung müsse aber jedes Mal neu nachgewiesen werden.
OLG wies Lindt-Klage ab
Aber anders als das Landgericht München I – das die Heilemann-Hasen „frappierend“ ähnlich fand – wies das Oberlandesgericht (OLG) München die Lindt-Klage zuletzt ab. Das Gold sei für Lindt keine klassische Hausfarbe (wie zum Beispiel das Milka-Lila, das Sparkassen-Rot oder das Nivea-Blau), meinten die Richter. Der Wiedererkennungseffekt des „Goldhasen“ beruhe auf einer Kombination von Form und Farbe. Lindt könne für den Goldton deshalb keinen Markenschutz beanspruchen.
Bei diesem Urteil wird es nicht bleiben, so viel steht nach der BGH-Verhandlung vom Donnerstag schon fest. Dass an die 80 Prozent der Verbraucher die Farbe Gold intuitiv mit Lindt verbinden, ist für die obersten Zivilrichterinnen und -richter ein starkes Argument. Das OLG habe dies zu Unrecht ignoriert. Damit wäre aber noch nicht die entscheidende Frage geklärt, ob sich der Lindt- und der Heilemann-Hase tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sehen. Das Urteil soll in den kommenden Wochen verkündet werden.
Von Anja Semmelroch, dpa