Von Michael Milewski
Spätestens wenn dabei der gebürtige Dortmunder „Tatort“-Kommissar-Darsteller Dietmar Bär auftaucht, dürfte klar sein, dass das alles nicht ganz ernst zu nehmen ist. Und wer hinter dem Video steht, allerspätestens wenn sich andeutet, für wen die Adrenalin-Spenden bestimmt sind, nämlich Abnehmer in Gelsenkirchen, Hoffenheim und München. Premiere hatte der Imagefilm des BVB auf einer Mitgliederversammlung des Bundesligisten, ehe der Spot über die vereinseigene Website und Social-Media-Kanäle seine Verbreitung fand. „Wir haben uns in Zusammenarbeit mit der Agentur XEO erlaubt, das intensive Erlebnis, das unsere Fans bei jedem Spiel des BVB haben, augenzwinkernd aufzugreifen“, erzählt Carsten Cramer, Direktor Vertrieb und Marketing von Borussia Dortmund. Man habe nicht einfach nur historische Bilder wiedergeben wollen. „Dieser Kurzfilm ist gedacht als Hommage an unsere Anhänger.“
Brachten den BVB markenmäßig nach vorn: Markus Rejek, Marketingleiter bei Borussia, XEO-Geschäftsführer Ben Rünger und Carsten Cramer,Direktor Vertrieb und Marketing bei Borussia.
Stresshormone, im Spot das unübersehbare Leitmotiv, spielten auch losgelöst von fußballerischen Leistungen auf Fußballfeldern in der Vereinsgeschichte immer wieder eine wichtige Rolle. Nach der Gründung des Ballspielvereins Borussia am 19. Dezember 1909 im Restaurant „Zum Wildschütz“ am Dortmunder Borsigplatz schlitterten die Borussen – lateinisch übrigens für Preußen – schon kurze Zeit danach in ihre erste Finanzkrise: Ein 1924 drohender Konkurs ließ sich gerade noch abwenden mithilfe von Versicherungspolicen in Höhe von 12 000 Reichsmark. Mehrere Jahrzehnte waren vergangen, als den BVB der endgültige Abpfiff zu ereilen schien, die Pleite des inzwischen börsennotierten Bundesligisten stand 2005 unmittelbar bevor. Nur im letzten Moment meisterte der Verein auch diese finanzielle Krise. Nicht zuletzt dieses Beinahe-Aus war für die BVB-Lenker der Anlass, sich noch intensiver mit ihrer Marke zu beschäftigen. „Uns war klar, dass wir uns als Verein vom sportlichen Erfolg wirtschaftlich unabhängiger machen mussten“, erzählt Cramer über die Ausgangssituation 2008 vor dem Marken-Relaunch. Ein einheitliches Markenbild fehlte ebenso wie eine festgeschriebene Identität. „Als Herausforderung kam hinzu, dass wir uns in einem starken Wettbewerbsumfeld bewegen, unsere Anspruchsgruppen sehr unterschiedlich sind und eine Fußballmarke von den Fans mitgestaltet wird, was eine kontrollierte Markenführung erschwert“, so Cramer.
„Wir analysierten das bisherige Erfolgsmuster des BVB“, berichtet Ben Rünger, Geschäftsführer der Agentur XEO. Dabei rückten Elemente wie das „stolze Selbstbewusstsein“, der „traditionelle Erfolg“ und „Unzerstörbarkeit“ ins Blickfeld. „Als übergeordnete Kernkompetenzen
erkannten wir Echtheit, Ambition und Bindungskraft, die auf den Markenkern Intensität hinausliefen.“ Charakteristisch für die Marke BVB seien die
Merkmale „lustvoll, kraftvoll, herzlich, geradlinig, hungrig, stolz und sensibel“, so Rünger. Folgerichtig nahmen sich die Strategen vor, Borussia Dortmund als „das intensive Fußballerlebnis“ zu inszenieren – und zwar über das Spiel hinaus. Das schlägt sich auch nieder im neuen emotionalen Claim des BVB, der zugleich ein Markenversprechen ist: „Echte Liebe.“
„Für unsere Zielgruppen hat das Versprechen unterschiedliche Bedeutungen“, erläutert Cramer. Den Fans werde signalisiert: „Sie sind Teil einer echten Gemeinschaft mit purer Lust am Spiel, einer Art Sportfamilie mit Heimatbezug.“ Es gehe nicht nur um 90 intensive Minuten, sondern um ein tägliches Gefühl, ein Leben lang. Die Sponsoren sollen erkennen: „Mit dem BVB bietet sich ihnen eine authentische und hochemotionale Plattform mit großer Anziehungskraft – quasi ein strahlender Magnet.“ Die breite Öffentlichkeit solle schlichtweg erkennen, dass es sich beim BVB um einen großen Verein handelt, in dem sich alles um das Wesentliche dreht: die pure Fußball-Lust. Nach außen baute der Verein eine konsistente Identifikationsf läche über zahlreiche Kanäle auf – beispielsweise mit Anzeigen und Plakaten („90 Minuten Vollgas: Bis die Lunge streikt. Wir leben Fußball.“), dem Stadionmagazin „Echt“, neuen Autogrammkarten sowie optimierten Auftritten in Fan- und Online-Shop. Und erstmals wurde der gelbe Farbton für alle Werbemittel einheitlich festgelegt. Stark aufgestellt haben sich die Borussen auch in den sozialen Medien des Internets, die das eigene Fanportal meinBVB.de flankieren – nicht nur mit dem Adrenalin-Film: „Seit Juni 2010 ist der BVB mit einem offiziellen Auftritt in Facebook und seit Ende 2010 bei Twitter präsent“, sagt David Görges, der diese Bereiche als Leiter für Neue Medien betreut.
Bei Twitter gehe es dem BVB um schnelle, personalisierte Information der rund 40 000 Follower. Beteiligt und über Kürzel erkennbar sind unter anderem Teammanager Fritz Lünschermann, Fanbeauftragter Jens Volke und Stadionsprecher Norbert Dickel. Bei Facebook werde die stetig wachsende Fan-Community – die Millionenmarke ist bereits geschafft – mit einer mehrwertigen Mischung aus Unterhaltsamem und Informativem längerfristig an die Marke gebunden. So locken dort unter anderem Gewinnspiele von Sponsoren, „wobei wir uns selbst auferlegt haben, den Anteil von kommerziellen Inhalten unter fünf Prozent zu halten“, so Görges. Die Fans können sich aber beispielsweise auch beim Online-Spiel „Borussia Dortmund Fantasy Manager“ daran versuchen, die virtuelle Verantwortung für den Verein zu übernehmen, und gegen andere „Manager“ aus ihrem Facebook- Freundeskreis antreten.
Einige Fans haben ihrerseits Facebook-Seiten über ihren Lieblingsverein angelegt, die dem offiziellen Auftritt bisweilen zum Verwechseln ähnlich sehen. „Da sind wir aber tolerant, solange es keine kommerziellen Bezüge gibt“, betont Görges. Ansonsten schreite man, wie bereits geschehen, mit Hilfe von Facebook ein – und das vor allem in den Fällen, wenn irreführende Accounts mit den Namen von Spielern oder von Trainer Jürgen Klopp eröffnet und somit Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Der Relaunch war sowohl ein Auswärtsals auch ein „Heimspiel“ nach innen: „Es ging uns um das gelebte Bekenntnis zur Marke“, sagt Cramer. Dazu zählten die Entwicklung eines BVB-Markenhandbuchs, verbunden mit einer Markenschulung, um dem eigenen Team den Sinn des Unterfangens und die Verantwortung jedes Einzelnen für die Marke begreiflich zu machen, sowie ein Kodex zum Spielerverhalten der Kicker – vom Profi bis zum Nachwuchs.
Gleich mehrere Volltreffer gelangen den Borussen spielerisch mit ihrer Elf und ihrem Relaunch, der die Marke nachhaltig stärkte. So stieg die positive Einstellung von Fußballinteressierten in der Region Dortmund bezogen auf den BVB von knapp 40 Prozent im März 2007 auf mehr als 60 Prozent im März 2011 (Sport+Markt AG), im selben Zeitraum kletterte das Bekenntnis zum BVB als Lieblingsverein von rund 30 Prozent auf fast 40 Prozent. Das Image stieg von 2007 bis 2011 um 32,5 Prozent, die Gesamt-Performance um 29 Prozent und damit stärker als bei den Wettbewerbern (Schalke: elf bzw. sechs Prozent, Bayern München: 19 beziehungsweise 14,5 Prozent; Horizont Sportbusiness). Den ersten Platz ergatterte der BVB beim Online-Meinungsportal mafo.de Anfang 2012 im Brandfeel-Ranking (Indexwert: 7,0) und ließ damit andere Vereine wie Borussia Mönchengladbach (6,4), Bayern München und Schalke (jeweils 6,3) hinter sich.
Aufsteigen konnte der BVB auch in weiteren Kategorien: um 39 Prozent beim Gesamterlös des Konzerns auf rund 156 Millionen Euro 2010/11 im Vergleich zur Vorsaison, um 27 Prozent beim Sponsoring (2008 bis 2011/12) und um 300 Prozent beim Absatz im Onlineshop (jeweils April bis Oktober 2010 beziehungsweise 2011). Die Mitgliederzahl wuchs um 84 Prozent von 30 000 im Jahr 2008 auf gut 55 000 im Jahr 2011. Adrenalin auf dem Platz und auch bei der Prämierung: Beim Marken-Award traf der siebenfache Fußballmeister wieder einmal ins Schwarz-Gelbe – ein intensiver Klopper, dieser Sonderpreis für die Sportmarke BVB.
Lesen Sie hier bei absatzwirtschaft online außerdem das Interview mit Hans-Joachim Watzke, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA.