Spätestens seit der Etablierung des mobilen Internets kaufen Konsumenten Produkte und Services vermehrt kanalübergreifend. Onlinekanäle bevorzugen sie zwar für die Bereiche Elektronik, Telekommunikation und Spielwaren, Offlinekanäle dagegen für die Bereiche Schmuck, Möbel, Heimwerkerbedarf und Lebensmittel – alle Trendstudien zeigen jedoch, dass sich branchenübergreifend ein hybrides Such- und Kaufverhalten über verschiedene Vertriebskanäle hinweg etabliert. Darauf antworten herkömmliche stationäre Händler wie Esprit und Hornbach beispielsweise mit dem Aufbau von E-Commerce Umgebungen. Und ehemals reine Online Player wie Zalando und MyMuesli errichten stationäre Dependancen zu ihrem Online-Geschäft.
Vorteile beider Welten miteinander integrieren
Die Studienautorinnen und -autoren des IMU integrierten eine akademische Literaturrecherche und branchenübergreifende Tiefeninterviews mit Marketing-, Preis- und Vertriebsmanagern. Diese Interviews ergaben, dass stationäre Dependancen vor allem deshalb errichtet werden, um den Kunden ein herausragendes Einkaufserlebnis und die Möglichkeit zum Ausprobieren der Ware zu bieten. Interessant für die Unternehmen ist auch die hohe Interaktion zwischen Anbieter und Kunde und die Integration mobiler Geräte, beispielsweise durch Bonusprogramme in Echtzeit. E-Commerce-Umgebungen dagegen werden vor allem aufgebaut, um eine erweiterte Auswahl an Produkten und Services zu gewährleisten, den Einkaufsprozess bequemer zu gestalten und Möglichkeiten zur Individualisierung anzubieten.
Prof. Dr. Christian Homburg, Direktor des IMU, nennt weitere zentrale Erkenntnisse der Tiefeninterviews: „Bei der Ausgestaltung von Mehrkanalvertriebssystemen gilt es, die Vorteile beider Welten miteinander zu integrieren, beispielsweise durch das Angebot, Produkte online zu kaufen, jedoch im Laden abzuholen oder zu reklamieren. Während die meisten Unternehmen heute ein integriertes Management der verschiedenen Vertriebskanäle anstreben, stellt für die meisten Manager die tatsächliche integrierte Steuerung der Kanäle hinsichtlich Preissetzung, Sortimentsplanung, Verkaufssystem und Logistik jedoch noch immer eine zentrale Herausforderung dar.“
Hinsichtlich der Preissetzung beispielsweise vereinheitlichen Unternehmen Preise kanalübergreifend dann, wenn eine hohe Preistransparenz vorliegt und die verschiedenen Kanäle leistungsmäßig nur wenig voneinander differenziert werden können. Dagegen wählen Unternehmen insbesondere dann unterschiedliche Preise in einzelnen Kanälen, wenn Produkte erklärungsbedürftig sind und wenn Unternehmen trotz hoher stationärer Kostenstrukturen wettbewerbsfähig gegenüber Online-Playern bleiben müssen.
Bei der Kundensegmentierung ansetzen
Für das Management von Mehrkanalvertriebssystemen erläutert die Studie zentrale Implikationen: Erstens sollte das Management von Mehrkanalvertriebssystemen schon bei der Kundensegmentierung ansetzen. Mitautorin Karin Lauer sagt: „Unternehmen sehen sich hohen und wandelnden Kundenanforderungen gegenüber. Kunden sollten in Abhängigkeit ihrer Zahlungsbereitschaft für kanalbezogene Leistungen unterschiedlich segmentiert und in Bezug auf ihre Position im Kaufentscheidungsprozess gezielt angesprochen werden.“ Zweitens besteht die Möglichkeit für Unternehmen, eine kanalspezifische Preisdifferenzierung zur Sicherung von Margen und Umsätzen zu betreiben.
Zukünftig könnten Marketingmanager die Vorzüge einzelner Vertriebskanäle genauer betrachten und bei der Preissetzung berücksichtigen, um Kunden hinsichtlich individueller Bedürfnisse anzusprechen und um Kannibalisierungseffekte zwischen den Vertriebskanälen zu vermeiden. So können Händler zum Beispiel das volle Sortiment online und Top Seller offline zusammen mit intensiver Beratungsleistung und atmosphärischen Markenerlebnissen anbieten. Und schließlich sollten Unternehmen auf eine stärkere funktionale und datenbasierte Verzahnung der Vertriebskanäle Wert legen.
Die gesamte Ergebnispräsentation der Studie „Multichannel Pricing – Status Quo und zukünftige Entwicklungen“ steht hier kostenlos zum Download bereit: www.imu2.bwl.uni-mannheim.de/029.pdf