Gilt ein Junkfood-Werbeverbot auch für Influencer Marketing?

Influencer*innen wie Shirin David erreichen eine junge Zielgruppe. Beim Werben könnte genau das jetzt ein Problem werden: wenn ein umfangreiches Werbeverbot für zucker- und fetthaltige Lebensmittel kommt.
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Werbung für zuckerhaltige Getränke und Co. könnte auf Social Media bald schwierig werden. (© Unsplash)

Die Influencerin und Unternehmerin Shirin David erhielt am 25. September den Ehrenpreis des Marketing Club Berlin. In einer entsprechenden Mitteilung heißt es unter anderem, ihre Eistee-Marke „DirTea“ sei erfolgreich etabliert und „mit innovativer Positionierung und Kampagnenarbeit auf dem Markt verankert“ worden. Zudem habe Davids McDonald’s-Kampagne im Bereich Marketing neue Maßstäbe gesetzt.

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Shirin David ist stolz auf ihren Preis. (© Instagram: @shirindavid)

Als Influencerin hat Shirin David ihr Erfrischungsgetränk vor allem online vermarktet und auch ihre McDonalds- Werbung wurde auf Social Media promoted. Zukünftig könnte das deutlich problematischer werden.

Shirin Davids McDonald’s-Kampagne

Shirin David ist eine Influencerin mit aktuell über 6 Mio. Follower*innen auf Instagram und 2,83 Millionen Follower*innen auf YouTube. Ende letzten Jahres machte die Rapperin und Webevideoproduzentin Werbung für den Fast-Food-Riesen McDonald’s.

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Zuerst postete sie Fotos auf Instagram, dann folgte eine Alternative zu ihrem Song „Lieben wir“. Bei letzterem stand die Partnerschaft mit McDonald’s und das damalige Monopoly-Gewinnspiel der Bugerkette im Vordergrund.

Obwohl einige ihrer Fans sich deutlich enttäuscht von der Kooperation zeigten, legte die 28-Jährige im Juni dieses Jahres nach: Mir einer eigenen Eissorte und einem Topping für das McFlurry wirbt sie erneut für McDonald’s.

DirTea: Shirin Davids Eistee-Marke

Im September letzten Jahres brachte David mit „DirTea“ außerdem eine eigene Softdrink-Marke heraus. Damit schließt sie an einen Trend an: Auch Rapper wie Capital Bra oder Influencer*innen wie Katja Krasavice (1,39 Millionen Follower*innen auf YouTube) hatten zuvor eigene Drinks herausgebracht. Beworben hatte die Influencerin ihre neue Marke unter anderem mit einem Werbespot auf YouTube.

Die „DirTea“-Getränke kamen bei den Fans gut an, von anderer Seite wurden sie aber zum Beispiel für ihren Zuckergehalt kritisiert: Die Sorte mit dem geringsten Zuckergehalt (7,4 g auf 100 ml) war damals Juicy Mango. Eine Dose enthält 500 Milliliter, kommt damit also auf 37 Gramm Zucker pro Dose. Candy Shop als zuckerhaltigste Sorte kommt auf 43 Gramm pro Dose. Zum Vergleich: Der von der WHO empfohlene Zucker, den ein Mensch am Tag zu sich nehmen sollte, liegt bei 50 Gramm bei Verbrauch von 2000 Kilokalorien.

Mittlerweile hat Shirin David neben alkoholhaltigen und koffeinreichen Alternativen zwar auch eine zuckerfreie Variante herausgebracht, mit dem Social Media Marketing könnte es aber trotzdem bald schwierig werden: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) plant ein Werbeverbot für zucker- und fetthaltige Lebensmittel, wenn die Werbung Kinder anspricht.

BMEL plant Werbeverbot für Süßigkeiten

Entsprechende Pläne stellte Bundesminister Cem Özdemir im Februar dieses Jahres vor. Demnach soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz oder Fett künftig nicht mehr erlaubt sein. Hauptziel sei der Schutz der Gesundheit von Kindern vor übermäßigem Konsum solcher Lebensmittel.

Nach Angaben der BMEL sehen Kinder täglich 15 Webespots für ungesunde Lebensmittel. Außerdem würden sie zu viele Süßwaren und Snacks und zu wenig Obst und Gemüse essen. Rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland seien übergewichtig und knapp sechs Prozent adipös.

Was verboten werden könnte

„Das geplante Gesetz zielt darauf ab, Werbung für bestimmte Lebensmittel zu verbieten, wenn diese sich durch ihre Art, Inhalt oder Gestaltung an Kinder richtet. Werbung in diesem Sinn liegt nach dem Gesetzentwurf insbesondere dann vor, wenn Kinder abgebildet sind, ‚kinderspezifische Figuren, Symbole oder Markenmaskottchen‘ zum Einsatz kommen oder ‚für Kinder attraktive Angebote‘ angepriesen werden“, zitert Patricia Cronemeyer, Fachanwältin für Medienrecht, aus dem vorliegenden Gesetzentwurf.

Reguliert werden soll Werbung laut BMEL aber auch, wenn sie „im Kontext mit auch Kindern ansprechenden Inhalten betrieben“ werde. Wie so ein Kontext aussehe, sei nicht ganz eindeutig, sagt Cronemeyer. „Denkbar wäre etwa, dass unmittelbar vor oder nach an Erwachsene gerichteter Werbung wiederum an Kinder gerichtete Werbung veröffentlicht wird.“

David Geßner, Fachanwalt für Medienrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, gibt zu bedenken, dass „auch an Kinder gerichtet“ im Umkehrschluss bedeuten könne, Werbung sei immer dann an Kinder adressiert, wenn die Inhalte nicht ausdrücklich nur an Erwachsene beziehungsweise Jugendliche ab 15 Jahren adressiert sind. „Weiterhin könnten die grundsätzliche Aufmachung und Darstellung der Produkte ausschlaggebend sein. Beispielsweise wird Haribo mit seinem Werbeslogan ‚Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso‘ höchstwahrscheinlich einer der wenigen eindeutigen Fälle von Werbung sein, welche ‚auch‘ Kinder ansprechen“, sagt Geßner.

Als Kinder gelten dem Entwurf zufolge alle unter 14-Jährigen. Mit Bezug auf Social Media sagt Medienanwalt David Geßner: „Interessant zu wissen ist, dass theoretisch Kinder mit bereits 13 Jahren laut den Geschäftsbedingungen von Instagram ein Profil anlegen dürfen. Damit fällt Instagram zumindest rein formell in den Geltungsbereich des Gesetzes.“

Kampagnen wie die von Shirin David womöglich betroffen

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Der Werbespot für DirTea zeigt Kinderdarsteller*innen. (© YouTube: @ShirinDavid)

Nach Einschätzung von Patricia Cronemeyer könnten die McDonalds- und Dirtea-Kampagnen von Shirin David unter das angestrebte Gesetz fallen: „Im Video zu Dirtea sind zwei Kinder zu sehen, die Werbung ist in ihrer Gestaltung an Kinder adressiert. Etwas weniger eindeutig ist die McDonalds-Werbung. Nach meiner Einschätzung enthält diese eine ‚Kinder ansprechende Darstellung des Produktes‘, wobei die Auslegung hier eine erhebliche subjektive Komponente hat. Die Grenzen sind schwierig zu fassen.“

Auch David Geßner spricht von Einzelfallbetrachtungen. Im Falle von DirTea verweist er unter anderem auf die integrierte FAQ auf der DirTea-Webseite. Diese könne Kinder, die Fans von Shirin sind, dazu verleiten, sich angesprochen zu fühlen. Das sei zum Beispiel möglich bei dort getroffenen Aussagen wie:
„Was macht DirTea so besonders? Es ist eine absolute Ausnahme und eine Besonderheit für mich aktuell in einem so direkten Austausch mit meiner Community zu stehen. (…) Ich habe die Möglichkeit ein Produkt auf den Markt zu bringen, bei dem meine Community ein entscheidender Teil einer ganz neuen Brand ist und mitbestimmt, wie genau sich DirTea definiert: (…)“

Fraglich sei, um wen es sich bei dieser Community handle. Da Shirin David auf Instagram postet, sei zumindest wahrscheinlich, dass zu ihren Follower*innen beziehungsweise ihrer Community auch 13 oder 14-Jährige gehören. Diese könnten verlockt sein, ihre Produkte zu kaufen, sagt Geßner: „Wer möchte in diesem Alter nicht Teil einer Produktentwicklung eines Pop-Stars sein? Derartige Aussagen geben vor allem jüngeren Personen das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Sie fühlen sich von der Werbung direkt angesprochen.“

Zielgruppe ändern oder Nährwerte anpassen

Klar ist noch nicht, ob Vorschläge zu einer zeitlichen Einschränkung von entsprechender Werbung auch für Social Media oder lediglich für das Fernsehen gelten. Patricia Cronemeyer sagt: „Es bleibt offen, ob Plattformen wie Instagram als ‚audiovisuelle Mediendienste‘ oder als ‚Video-Sharing-Plattform-Dienste‘ eingestuft werden. Während für erstere die zeitlichen Beschränkungen gelten könnten, wäre dies bei Letzteren möglicherweise nicht der Fall.“

Sollten die zeitlichen Beschränkungen nicht für Social Media gelten, könnten Marketer dann noch versuchen, ihre Kampagnen klar an Erwachsene zu richten. Sie müssten dabei aber sichergehen, dass kein Zusammenhang mit kinderansprechenden Inhalten bestehe.

David Geßner zeichnet ähnliche Szenarien für Influencer*innen. Falls Influencer*innen unter das Gesetz fallen, müssten sie entweder ihre Zielgruppe ändern, um ihre Produktinhalte beizubehalten, oder ihre Marken an die WHO-Nährwerttabelle anpassen, die als Richtwert dienen soll. Die genauen Regeln für die Werbung an Jugendliche ab 15 Jahren seien jedoch noch ungeklärt und würden vom Gesetzgeber und den Gerichten festgelegt werden müssen. 

Verbot noch in den Anfängen

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David Geßner ist Fachanwalt für Medienrecht und Gewerblichen Rechtsschutz (© David Geßner)

Das Verbot ist ohnehin noch keine beschlossene Sache. Geßner sagt zum Gesetzesentwurf, aktuell werde dieser mit der Bundesregierung abgestimmt: „Es ist noch ein langer Weg, über die Länder, die EU-Kommission und den Bundestag, bis hin zum finalen Gesetz. Es ist erwähnenswert, dass das BMEL nach starker Kritik, Präzisierungen hinsichtlich des Werbeumfelds beziehungsweise konkreter des räumlichen Umfelds von Kindern vorgenommen hat.“

Auch der BR hatte entsprechendes berichtet. Im ersten Entwurf war noch von einem Werbeverbot im Fernsehen zwischen 6 und 23 Uhr die Rede. Nach Angaben des BR solle dies für Werktage nur noch zwischen 17 und 22 Uhr gelten, samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr. Auch sollte zunächst Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern von Freizeiteinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten oder Spielplätzen unter das Verbot fallen. Hier habe es nun eine Präzision gegeben: Man beschränke sich bei der „Bannmeile“ nun auf Kitas und Schulen.

Patricia Cronemeyer sagt, das Gesetz klinge „weitreichend und umfassend“. Sie sagt aber auch: „Indes bleibt der Entwurf eher vage und lässt einen breiten Interpretationsspielraum. Dies scheint durchaus beabsichtigt. So spricht das Ministerium auch von einem ‚breiten Ansatz‘ bezüglich der vom Verbot erfassten Medien, um die Wirksamkeit der gesetzgeberischen Maßnahme sicherzustellen. Es bleiben damit erhebliche Auslegungsunsicherheiten und eine eindeutige Klärung ist erst in gerichtlichen Auseinandersetzungen zu erwarten.“

Laura Schenk (ls, Jahrgang 2002) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft und hat immer Lust, sich neuen Themenbereichen zu widmen. Eine besondere Vorliebe hat sie für kubistische Malerei und das Schreiben in all seinen Formen. Ihrer Heimatstadt Leipzig hat sie 2023 sogar einen Kurzgeschichtenband gewidmet. Sie studiert dort Kommunikations- und Medienwissenschaft und engagiert sich crossmedial bei Lokalzeitungen und beim Radio.