Von Armin Hingst
Sieht man es aus dem Blickwinkel eines überzeugten Marketers, war der Feinkostproduzent Popp vor zehn Jahren nahezu ein Alptraum. Schlichte Verpackungen, nüchterne Anzeigen – und auch die fast nur in B-to-B-Medien –, dazu kaum Verkaufsförderung. Mit diesem Auftritt brachte es der Salat- und Brotaufstrich-Hersteller aus Kaltenkirchen bei Hamburg immerhin zu einem hidden Champion. Denn bei den herzhaften Brotaufstrichen belegte er vom umgesetzten Volumen her einen sehr guten zweiten Platz nach dem ungleich marktpräsenteren Homann. Homann lag 2006 bei 18,5 Prozent, Popp kam auf 15,8 Prozent und Nadler, ebenfalls medial viel intensiver unterwegs als Popp, musste sich etwas abgeschlagen mit acht Prozent und Platz drei begnügen.
Der Lebensmittelmarkt in Bewegung
Schon seit Jahren ist der deutsche Lebensmittelmarkt alles andere als einfach. Die Margen sind seit jeher geringer als in vergleichbaren Auslandsmärkten, weil die Deutschen gern an den Ausgaben für Essen sparen. Zwar gibt es durchaus gegenläufige Tendenzen, die „Slowfood“-Bewegung brachte auf den Punkt, dass bestimmte Zielgruppen es sich sehr wohl etwas kosten lassen, wenn sie auftischen. Dann soll es aber etwas Besonderes sein, möglichst aufwendig und auch selbst zubereitet. Am anderen Ende der Marktskala geht es dann eigentlich eher um den Preis. Hier sahen die Kaltenkirchener durchaus dunkle Wolken aufziehen.
Zunächst stellte sich die eigene Situation nach einer ersten Sortimentsbereinigung 2013 noch besser dar als 2006, lag man doch inzwischen mit einem Anteil von 23 Prozent bei den Brotaufstrichen schon deutlich vor Homann. Allerdings war auch der Anteil der Eigenmarken stark gestiegen – von rund 46 auf inzwischen 61 Prozent (Nielsen LEH+DM 2013). Alexander Schmolling, Marketingleiter bei Popp: „Wir befürchteten, langsam, aber sicher von den Eigenmarken des Handels erdrückt zu werden. Und die Absatzmengen bei den Brotaufstrichen stagnierten.“
Die Aufgabe war nur auf den ersten Blick einfach. Jeder Schritt ist ein Fortschritt, wenn man wie Popp quasi bei Null anfängt – „wir hatten auf unseren ersten Verpackungen noch nicht mal ein Logo drauf und nicht nur das Package Design ist auch später nicht sonderlich intensiv weiterentwickelt worden“, sagt Schmolling.
Um überregional aufzuschließen, brauchte es eine zündende Idee
Zwar ist auch die Popp Feinkost unter dem Dach der Wernsing Gruppe, doch Homann und Nadler verfügen als Teil der Unternehmensgruppe Theo Müller (u.a. Müller, Weihenstephan, Nordsee) über deutlich mehr potenziellen Rückhalt. Für den Wunsch, nun auch überregional aufzuschließen, brauchte es also eine zündende Idee. Dafür taten sich die Kaltenkirchener, neu auf dem nationalen Marketing-Spielfeld, mit einem weiteren Neuling zusammen – denn für die Blood Actvertising war die Aufgabe, die Marke Popp für den überregionalen Auftritt komplett zu relaunchen, die erste ihrer Art.
Mit den Salaten und Brotaufstrichen von Popp hieß es fortan „das Beste kommt abends auf den Tisch“. Das Konzept wurde konsequent umgesetzt, und das auf breiter Front. Agenturchef Kempin: „Wenn, dann machen wir das richtig, sagte man bei Popp. Wir wollen online, offline, TV – alles, was für uns sinnvoll ist. Das war für uns eine schöne Aufgabe“. Ab 2013 wurde also Gas gegeben. Von A-Z. Das Logo aufgehübscht. Ein griffiger Slogan gefunden („meine, deine, feine Kost“). Die Verpackung durchgestylt. Die Website renoviert. TV Spots kreiert. Alles fürs Abendbrot.
Promotion mit dem längsten Abendbrottisch der Welt
Folgerichtig zelebrieren auch die TV-Spots den Genuss am Abend nicht ohne Augenzwinkern – Familien sitzen beieinander und frotzeln ein wenig. Etwa, wenn der Vater das neue, auffällige Eulen-Tattoo seiner Spätpubertierenden mit Brotstückchen füttert: „Putt, putt, putt …“. Die ganz großen finanziellen Sprünge wollte sich Popp als Mittelständler natürlich nicht leisten, so ergänzten Social Media und medien-wirksame PR-Events die Mediaspendings. Im August 2015 lockte der längste Abendbrottisch der Welt am Strand von St.-Peter-Ording die Berichterstatter. Hier bewirtete Popp mit seinen Produkten die Teilnehmer des Pringles Kite-surf World Cup an einer 155,9 Meter langen Tafel und überzeugte damit den aus London angereisten Guiness-Weltrekord-Gutachter Pravin Patel.
Immer und überall bei Events und in der Kommunikation tauchten Abendbrotbrettchen auf und hielten auch optisch die Kampagne zusammen. So viel Aktivität fällt natürlich auf, vor allem, wenn zuvor so wenig lief. „Die Wirkung des Relaunchs hat unsere Erwartungen lang übertroffen“, resümiert Alexander Schmolling, bei Popp seit 2008 fürs Marketing zuständig. In der Woche nach dem Spot zogen die Abverkäufe deutlich an. Aber nicht nur nach einzelnen Schaltungen spürten die Kaltenkirchener die Werbewirkung. „Bis Ende November 2015 hatten wir insgesamt ein zweistelliges Wachstum beim Absatz. Das hat auch unsere Produktion zunächst etwas überfordert,“ berichtet Schmolling. Zwar hatte man vorgesorgt und entsprechende Vereinbarungen über eventuelle Wochenendarbeit geschlossen, doch die fürs Jahr 2015 abgesprochenen Kontingente waren schon im Frühjahr aufgebraucht.
Während der Absatz der Eigenmarken und vieler Wettbewerber im Brotaufstrich-Segment teilweise zweistellig sank, hat Popp zugelegt: Von 2013 auf 2014 stieg der Absatz um fast 13 Prozent. Ein Erfolg, der sich noch verstärkte, denn verglichen mit dem Vorjahreszeitraum konnte Popp bis etwa zur Jahreshälfte 2015 den Absatz um mehr als 30 Prozent steigern (Nielsen KW22/14-22/15). Alles in allem lässt sich festhalten: Auch gut aufgestellte Marken lassen sich durch gezieltes Marketing noch optimieren – das wäre dann der Traum eines jeden Marketers.