Von Armin Hingst
„Farbe … weiß … Katze“ – „An Farbe, weiße Wandfarbe“ – „Knalliges Weiß“. Wer auf der Straße nach Alpina gefragt wird, hat schnell klare Bilder vor Augen. Entsprechend eindeutig fallen die Videostatements auch aus. Kein Wunder, bei einer der „Marken des Jahrhunderts“, die der Verlag Deutsche Standards jüngst in seinem gleichnamigen Band zusammengetragen hat. Genau genommen gibt es Alpina sogar etwas länger als 100 Jahre: 1909 ließ Farbenfabrikant Robert Murjahn nach dem Blick aus seinem Hotelfenster auf die schneeweißen Alpen den entsprechenden Markennamen sichern. Eine weise Entscheidung.
Seit Jahrzehnten ist die Wandfarbe Marktführer im Heimwerkersegment. Und seit einigen Jahren gibt es auch Buntes vom Weiß-Spezialisten – „Farbrezepte“ heißt das Programm. Während Alpina im Bereich der weißen Farbe mit 44 Prozent Marktanteil einsam führt, ist der Anteil von 19 Prozent im Buntbereich schon deutlich geringer. „Bei den bunten Dispersionen hatten wir also noch Potential“, sagt Martin Rösler, Marketingleiter Alpina Farben bei der Markenmutter Deutsche Amphibolin Werke (DAW). Allerdings ist der Markt der bunten Dispersionsfarben auch nicht einfach. Der Gesamtmarkt der Anstrichmittel bot wenig Anlass, sich auf Marktmeriten auszuruhen: Die Bruttoumsätze im Baumarktkanal stagnierten seit Jahren, von 2013 bis 2014 sanken sie gar von 812 auf 790 Millionen Euro. Ein Ende der Situation ist nicht in Sicht. Wer hier reüssieren will, muss sich Neues einfallen lassen.
Die Käuferreichweite erhöhen
Für das Ziel, Alpina auch zum Marktführer bei den fertig gemischten Buntfarben zu machen, war es wichtig, sowohl die Distribution auszuweiten als auch die Käuferreichweite zu erhöhen. In Fokusgruppen-Diskussionen der Markenberatung Sturm und Drang zeigte sich 2014, dass Alpina Nachholbedarf im Bereich Kreativität und Individualität hatte. Für den klassischen Wandanstrich in der Wohnung ermittelten die Forscher vier große Zielgruppen mit unterschiedlichen Einstellungen: „Pflegen“, „Perfektionieren“, „Ausprobieren“ und „Designen“. Gut verortet war die Marke im Bereich Pflegen und Perfektionieren, für eine Markendehnung galt es also, die „Designer“ zu gewinnen. Besonderes Potenzial sah man bei den Frauen unter ihnen: Mittleres Alter, höheres Haushaltseinkommen, Interesse an Life-style-Themen, Wunsch nach Exklusivität. „So einfach bekommen sie diese Zielgruppe aber nicht in den Baumarkt“, betont Rösler. Eine umfassende Produkt-, Präsentations- und Kommunikationsstrategie sollte das Problem lösen. Dabei half eine große Lücke im Markt der bunten Farben. Denn während im Massensegment mit „Schöner wohnen“ und der Alpina-Marke „Farbrezepte“ der Zweieinhalbliter-Eimer rund 25 Euro kostet, zahlen die Kunden am oberen Ende der Skala für Farbe, die nur im Fachhandel und bei Einrichtungsspezialisten angeboten wird, mehr als dreimal so viel. Zweieinhalb Liter etwa der britischen Edel-Marke Farrow & Ball kosten gern 80 Euro oder mehr.
Zielgruppe: perfektionistische Designerin
Die Markendehnung richtete das Team aus Marketing und Agentur exakt auf die „perfektionistische Designerin“ aus. Einer solch anspruchsvollen Zielgruppe lässt sich natürlich nichts einfach so weismachen. Weswegen sowohl Verpackung als auch die neue Farbkollektion konsequent durchgestylt wurden. Wie die englischen Farben bekam auch die neue Alpina-Produktlinie aus 32 Farbtönen in sechs Familien eine edle Verpackung: Metalleimer mit schickem, roséschimmerndem Grundton signalisierten, dass hier nicht irgendeine Farbe drin steckt.
Auch in der Distribution ging Alpina neue Wege: Ob quadratischer Premium-Leuchtturm mit Farbkarten, Farbenführer und jeweils eigenen Fächern für die Metallgebinde in den 32 Farbtönen oder ein klassisches Shop-in-Shop-System im Regal-Bereich – beides betont die Exklusivität, lässt die neuen Farben leichter finden und sorgt für ein besonderes Einkaufserlebnis auch im Baumarkt. Das funktionierte. „In Berlin-Friedrichstadt flogen die neuen Farben förmlich aus dem Regal,“ berichtet Rösler. Und das, obwohl (oder gerade weil) sie nicht nur von Erscheinung und Präsentation, sondern auch vom Preis her genau zwischen den klassischen Buntfarben und den Premiumfarben des Fachhandels platziert sind: Das 2,5-l-Gebinde kostet 35 Euro.
Auf allen Kanälen präsent
Die Kommunikation rund um Alpina „Feine Farben“, wie die neue Range heißt, folgte dem Prinzip, die engagierte, perfektionistische Designerin zu überzeugen. Dazu setzte Alpina auf koordiniertes Empfehlungsmarketing und ging dabei zweigleisig vor. Zum einen gewann man mit bekannten und glaubwürdigen Bloggern aus der Einrichtungsszene gewichtige Influencer. Vom „Alabastermädchen“ bis zum „Wohnprinz“ wurden zehn der wichtigsten Blogger zum Event in eine Berliner „Feine Farben“-Wohnung eingeladen, um sich von Qualität und Persönlichkeit der Farben ganz analog zu überzeugen.
Der Online-Kanal erwies sich auch abseits von Verkaufszahlen als Erfolg: Über die Kooperation mit „Alabastermädchen“ und die anderen onlinepräsenten Stilprofis erreichte Alpina über 1,6 Millionen Unique User, gemeinsame Aktionen mit Zeitschriftenportalen wie „Living at home“ sorgen für weitere sieben Millionen Besucher. Die Kampagne erreichte nicht nur viele potentielle Interessenten in der Zielgruppe, sie überzeugte auch mit ihren Argumenten. In den Fokusgruppen-Interviews zeigte sich, dass die neuen Kompetenzen und die neuen Farben bei den Verbrauchern ankamen. So fand das Statement „Ein Baumarkt, der Wert auf Qualität legt, sollte das neue Alpina-Sortiment führen“ fast ungeteilte Zustimmung.
Bei verbaler Zustimmung blieb es nicht: So stieg der Absatz bunter Alpina Farben von 2014 auf 2015 um fast 50 Prozent und legt im aktuellen Jahr -voraussichtlich noch einmal um rund 40 Prozent zu. Das sorgte dafür, dass Alpina im Segment der fertig gemischten Buntfarben gehörig gewann: Lag der Marktanteil dort zwischen Januar und Oktober 2014 noch bei knapp 20 Prozent, rechnet Alpina für 2016 mit fast 32 Prozent (GFK). Höherer Absatz und höhere Literpreise dürften auch die Handelspartner erfreuen. Mit den neuen Feinen Farben lassen sich über sechsfach höhere Umsätze pro Quadratmeter erzielen als im Baumarkt-Durchschnitt. Ganz bewusst sind die neuen Farben eher zeitlos-zurückhaltend angelegt, sie sollen nicht jeder Mode folgen. Gut möglich, dass in Straßenumfragen der nächsten Jahre „edle Farben“ oder „schimmernde Metalleimer“ genannt wird, wenn das Stichwort „Alpina“ fällt.