Von Anne-Kathrin Velten
Rewe gibt sich dezent politisch: Mit bunten Schoko-Erdnüssen wirbt das Unternehmen für Toleranz, Vielfalt, Respekt und ein friedliches Miteinander. Anlass ist der UNESCO-Welttag für Toleranz am 16. November. Der Slogan der Kampagne lautet: „ja! zu Vielfalt und Toleranz“. Beim Kauf der limitierten Beutel gehen automatisch 40 Cent an die Organisation „Über den Tellerrand“. Rewe will sich damit in einem aufheizten politischen Umfeld offen präsentieren. Immerhin arbeiten in Deutschland 254.000 Menschen aus über 140 Nationen bei der Handelsgruppe. Auf der Website Rewe-Vielfalt stellen parallel Mitarbeiter mit Migrationshintergrund sich selbst und Gerichte aus ihrer Heimat vor.
Die Aktion erregt in den sozialen Medien große Aufmerksamkeit. Das Feedback ist zumeist positiv. Ein hartes politisches Statement ist es allerdings nicht. Es zeigt, wie schwer es international tätige Unternehmen haben, wirklich Farbe zu bekennen. Beispiele wie das von Rewe gibt es viele. So hat sich auch der Energieversorger Vattenfall eine Null-Toleranz-Politik gegen Rassismus verordnet. Teil der Kampagne sind Integrationskurse für eingewanderte Arbeitnehmer und ein Jugend-Austausch mit polnischen Azubis. Der Autobauer Porsche sponsort die Konzertreihe „Courage zeigen“ und unterstützt den Leipziger Flüchtlingsrat.
Die Einmischung in die aktuelle Diskussion hat zumeist wirtschaftliche Gründe. Zum einen ist eine Kampagne wie die von Rewe mit einer internationalen Mitarbeiterschaft und Kundschaft tatsächlich eine Chance, sich positiv zu positionieren. Zum anderen zwingt der demografische Wandel Rewe und Co., sich als attraktiver Arbeitgeber für Flüchtlinge zu positionieren. Andernfalls bekommen sie mittelfristig kein Personal.
Gefahr von klaren Worten
Der Grat zwischen Nicht-Einmischen, positiver Positionierung und Authentizität ist schmal. Das musste Dirk Rossmann, Eigentümer der Rossmann Drogeriemärkte, erleben. Er hält sich als Privatmann mit politischen Statements nicht zurück. Stelle sein Unternehmen sich aber öffentlich gegen die AFD, so Rossmann, hätte es 13 Prozent weniger Kunden. Darum werde er nicht explizit. Seine Kritik an der Politik des türkischen Präsidenten Erdogan entfachte heftigen Gegenwind im eigenen Unternehmen. Rossmann beschäftigt viele Mitarbeiter mit türkischem Migrationshintergrund. Zudem setzt er auf den Wachstumsmarkt Türkei und beschäftigt dort 1700 Menschen. Diese Mitarbeiter und sich selbst zu schützen sowie den Frieden in den heimischen Filialen zu erhalten, ließen ihn zurückrudern.
Deutlich freier ist die deutsche Agenturszene. Laut und imageträchtig bezieht sie Stellung. Die Berliner Digitalagentur TLGG und die Werbeagentur Scholz & Friends gaben ihren Mitarbeitern beispielsweise „nazifrei“, um in Chemnitz gegen rechts zu demonstrieren. Die Agenturchefs betonten, dies sei keine Dienstverpflichtung. Zugleich machten sie aber deutlich, dass die Teilnahme willkommen sei. Sie fertigten gemeinsam Plakate und rührten die Medientrommel.
Agenturen wie die Berliner Digitalagentur TLGG sind deutlich mutiger in ihrer politischen Stellungnahme. Sie stellen sich vehement gegen rechts und nehmen als Firma an Demos teil.
Wann Statements ein Muss sind
Deutsche Firmen agieren politisch nicht im luftleeren Raum. Eine klare Antwort, wie stark sich Unternehmen positionieren dürfen, gibt es allerdings nicht: Die Größe entscheidet offensichtlich. Das Meinungsforschungsinstitut Civey zeigt in einer Umfrage, dass sich Unternehmen politisch nur äußern sollten, wenn sie entsprechend authentisch auftreten. Dabei ist das politische Engagement stark vom Produkt abhängig. So ist für Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsbranche eine Haltung zu Umweltthemen Pflicht. Bei Themen wie Migration, Rechts- oder Linksextremismus bleibt Zurückhaltung der Königsweg. Fast jeder zweite Konsument will laut Civey zwar Produkte häufiger kaufen, wenn sich die politischen Äußerungen von Unternehmen mit den eigenen Auffassungen decken. Letztlich wünsche sich aber nur jeder dritte Konsument eine klare Haltung von Unternehmen.
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