Wann haben Sie zuletzt im Supermarkt gestanden und sich vorgenommen, heute mal etwas anderes zu kochen? Wie oft haben Sie sich dann doch wieder für die üblichen Artikel entschieden, mangels Inspiration oder weil Sie ein bestimmtes Produkt nicht finden konnten? Stellen Sie sich vor, Sie könnten ein Gespräch mit Ihrem Einkaufswagen beginnen und er würde Ihnen nicht nur kreative Rezeptideen für die Tomaten im Sonderangebot vorschlagen, sondern auch den Weg zu den anderen Zutaten und Angeboten im Supermarkt weisen. Dabei bezieht er Ihre Präferenzen und Ernährungsgewohnheiten in die Empfehlungen ein und berücksichtigt, welche Produkte Sie bereits im Wagen haben.
Was heute noch nach Science-Fiction klingt, könnte bald Realität werden. Supermarktketten experimentieren bereits seit Jahren mit digitalen Filialkonzepten unter Verwendung Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel kassenlosen Filialen, Nachschubplanung oder Diebstahlerkennung. Insbesondere die generative KI erlebt gerade einen beispiellosen Boom und dürfte die Digitalisierung im Einzelhandel weiter vorantreiben.
Generative KI, die zum Beispiel Texte, Bilder und Sprache verarbeiten und generieren kann, ist keine neue Technologie, hat jedoch durch Sprachmodelle wie GPT enorme Fortschritte erzielt. Im Herbst 2022 kam der Durchbruch, den man als „iPhone-Moment“ der KI bezeichnen kann: Durch seine intuitive Nutzeroberfläche brachte ChatGPT, der Chatbot des Marktführers OpenAI, generative KI erstmals einer breiten Nutzergruppe nahe. Das Tool ging viral und erreichte in nur zwei Monaten 100 Millionen Nutzer*innen weltweit. Dank ungeahnter Nutzungsmöglichkeiten bricht für viele Unternehmen eine neue Ära der KI an.
KI automatisiert und unterstützt Arbeitsprozesse
Aber was hat der dichtende Chatbot mit dem Einzelhandel zu tun? 41 Prozent der Arbeitszeit im Handel kann durch generative KI automatisiert oder unterstützt werden. In Zeiten von Omnichannel und Retail Media könnten Sprachassistenten direkt mit Kund*innen interagieren, um im Zusammenwirken von Onlineshop, App und Filiale hyperpersonalisierte Angebote auszuspielen und ein individuelles Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Die kreative Generierung neuer Inhalte versetzt Händler in die Lage, schnell neue Produktideen zu testen, Prototypen zu entwickeln und Marketingmaterialien zu erstellen. Automatisierte Zusammenfassung und Übersetzung von Korrespondenz, Gesetzestexten oder Verträgen beschleunigen Personalprozesse, sichern Compliance und optimieren Lieferketten.
Einer der Vorreiter ist die französische Supermarktkette Carrefour, die bereits einen GPT-basierten Chatbot für individualisierte Produktempfehlungen und Rezepte in den Onlineshop integriert hat. Auch deutsche Händler haben damit begonnen, eigene Sprachassistenten zu bauen und mit Unternehmensdaten zu verfeinern. Dabei setzen sie nicht nur auf Modelle von OpenAI, sondern auch auf lokale Anbieter wie das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha. Es bleibt abzuwarten, wer sich auf dem deutschen Markt als Firstmover etablieren und Kund*innen durch neuartige Shopping-Erfahrungen anlocken kann.
Sensible Kundendaten und Gespräche schützen
Wie jede KI-Technologie hat auch die generative KI Limitationen, die einen verantwortungsbewussten Umgang erfordern. ChatGPT neigt dazu, Informationslücken mit generierten Fehlinformationen zu füllen. Verzerrungen in den zugrunde liegenden Daten, aus denen die Software lernt, beeinflussen die Qualität der generierten Inhalte, was für Endnutzer*innen oft nicht transparent ist.
Um das Vertrauen der Kund*innen in intelligente Shopping-Assistenten zu gewinnen, müssen sensible Kundendaten und Gespräche geschützt sein. Die geplante Einführung des EU AI Act wird erstmals einen rechtlichen Rahmen für KI schaffen und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Gerichte befassen sich bereits mit der Frage nach dem geistigen Eigentum KI-generierter Texte oder Bilder. Um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen Einzelhändler jetzt handeln und die erforderliche digitale Infrastruktur für die sichere Verarbeitung großer Datenmengen aufbauen.