Ich, im Jahr der Wiedervereinigung geboren, bin in den vergleichsweise behüteten 90er-Jahren aufgewachsen. Die Gen Alpha ist dagegen eine Krisengeneration von Beginn an. Der Klimawandel prägt die ab 2010 Geborenen: Starkregen, Dürren und Höchsttemperaturen sind für sie Normalität. Die Ängste um das Wohlergehen der Umwelt sind ihnen somit in die Wiege gelegt. Dazu kommt die Corona-Pandemie, die für die Heranwachsenden die gravierendsten Einschnitte hatte. Manches Grundschulkind hat noch nie einen Schulalltag ohne Maske und Abstandsregeln erlebt. Und nun noch der Angriffskrieg von Putin in der Ukraine, dessen langfristige Folgen für die junge Generation noch gar nicht absehbar sind. Die Gen Alpha steht damit vor Herausforderungen, die ich und meine Altersgenossen so nicht seit früher Kindheit kannten.
Gleichzeitig wächst diese Generation in einer digitalen Welt auf. Ihre Eltern gehören größtenteils zu den Millennials, die ersten „Digital Natives“. Deren Affinität zu digitaler Technologie prägt auch den Alltag und das Aufwachsen ihrer Kinder. Smartphone, Tablets, Spracherkennungssoftware sind ihnen schon im Kleinkindalter intuitiv vertraut. Viele können bereits auf dem Bildschirm swipen, bevor sie das erste Wort sagen.
Beides – die hohe Digitalaffinität und die Krisenerfahrungen – sollten Marketer*innen mitbedenken, wenn sie die Jüngsten ansprechen. Was bedeutet das konkret?
Neue Art der Kommunikation
Es braucht neue spannende digitale Lösungen, um die Alphas zu erreichen. Heute sind das beispielsweise Twitch oder TikTok, die sich als Kanäle für diese Zielgruppe eignen. Aber es wird in ein bis zwei Jahren schon wieder neue digitale Plattformen geben, die besser funktionieren. Das heißt: Marketer*innen müssen in der Ansprache agiler und flexibler sein als bei den vorherigen Generationen und sich neue Social-Media-Plattformen anschauen, sobald diese entstehen.
Neben den Kanälen, wo man die Generation findet, ist auch die Art der Kommunikation neu. Was für vorherige Generationen noch vernachlässigbare Trendthemen waren, ist bei den Alphas aufgrund ihres Aufwachsens mit zahlreichen Krisen zur Selbstverständlichkeit geworden: Nachhaltigkeit, Diversität, Toleranz oder Schaffen eines gesellschaftlichen Mehrwerts. Dies muss Einzug in das Marketing und die Markenstrategie finden. Unternehmen sollten zu gesellschaftspolitischen Themen eine klare Haltung einnehmen und ihre Werte aktiv in der Kommunikation nach vorne stellen. Nur dann werden sie von der neuen Generation für gut befunden. Kurz gesagt: Für die Ansprache dieser Generation braucht es vor allem Empathie und ein offenes Ohr. Wenn die Alphas Ihre Zielgruppe sind, lassen Sie diese auch zu Wort kommen und hören Sie genau zu. Davon werden wir alle etwas lernen können.
Janina Mütze gehört zu unseren Marketing-Talenten 2021 und ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von Civey. Sie engagiert sich besonders für die Themen Gründung und Diversität. So ist sie Mitglied im Beirat für Gründungen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Board Member des Innovationslabs Futury, einer Tochter der Werte-Stiftung. Vor Gründung des Unternehmens hat die studierte Volkswirtin die Interessen der Venture Capital- und Private Equity-Investoren im politischen Berlin u.a. als Referentin der Geschäftsführung vertreten. Die Kolumne erschien zuerst in der April-Printausgabe der absatzwirtschaft.