Gemischtes Doppel: Martin Eggert und Fabian Freytag

Der Spaß darf nie zu kurz kommen, darin sind sich Martin Eggert und Fabian Freytag einig. Was den Werber und den Innenarchitekten sonst noch verbindet, und worüber sich beide herrlich aufregen können, verraten sie im Interview.
David + Martin, Martin Eggert und Fabian Freytag
Von der zufälligen Begegnung im Sternerestaurant zu Partnern in Crime, was die Gestaltung der Agenturräume von David + Martin angeht: Martin Eggert (hinten) und Fabian Freytag.   (© Lara Freiburger)

Dass die Büros von David + Martin alle im Dachgeschoss liegen, ist Zufall. Dass die Agenturgründer daraus jetzt ein Markenzeichen machen, ist es nicht. Um ihre CI im Raum noch erfahrbarer zu machen, haben sie vor rund eineinhalb Jahren, genauer gesagt am Weltfrauentag, Innenarchitekt Fabian Freytag beauftragt. Seine Aufgabe: das neue Büro in München und das in Hamburg so zu gestalten, dass man dort seine Zeit lieber verbringen will als zu Hause. 

Wir haben die kreativen Köpfe Martin Eggert, Co-Gründer von David + Martin, und Fabian Freytag zunächst virtuell zum Interview zusammengebracht, und zwei Tage später in der kürzlich (fast) fertiggestellten Schaltzentrale der Münchner Agentur fotografiert. Oh ja, die Bilder beweisen: der Mix aus cosy und cool sitzt. 

Im Gespräch geht es um das mangelnde Selbstbewusstsein der Branche, und darüber, was Interior Design und Werbung voneinander lernen können. 

Herr Freytag, Ende April ist mit „Gently Radical“ Ihr erstes Buch im Callwey-Verlag erschienen. Warum sollten es unbedingt auch Agentur- und Marketingentscheider*innen lesen? 

Fabian Freytag: Eigentlich wollte ich eine Architekten-Ego-Show abziehen, aber meine Freunde haben mich gewarnt. Davon gäbe es schon zu viele Bücher, ich solle lieber etwas mit Mehrwert machen. Es war spannend, nach 20 Jahren im Job darüber nachzudenken, wie ich einen niedrigschwelligen Zugang schaffen kann. Denn anders als in Frankreich, England und Italien fehlt hierzulande ein Verständnis für Innenarchitektur. Dabei ist es so einfach. Die Inspiration dafür ist die Kulinarik, das Hotel, die Reise, der Ort. Das zu verstehen, ist das Wichtigste. 

Herr Eggert, Sie haben gleich zwei Büros mit Fabian Freytag Studio umgestaltet beziehungsweise gestalten diese gerade um. Was war Ihnen besonders wichtig? 

Martin Eggert: Wir haben nach jemandem gesucht, der in einem ähnlichen Strom unterwegs ist. Junges, irgendwie angesagtes Architekturbüro trifft auf junge, irgendwie angesagte Agentur, das deckt sich von der DNA erstmal ziemlich gut. Dann sprechen wir von Gründer zu Gründer, das ist auch extrem wichtig – und sicherlich oft auch anstrengend für uns beide. 

Warum? 

ME: Wir haben beide starke Egos. Der eine will viel verdienen, der andere wenig ausgeben (beide lachen). Zurück zur Frage: Die Grund-DNA der Agentur war über die Bar im Münchner Büro, um die herum alles andere entstanden ist, gesetzt. David (David Stephan, Anm. d. Red.) und ich wollten immer eine Art eigenes kleines Soho House haben und lieber in einer Art Gastronomie arbeiten als in einem typischen Agenturbüro, mit weißen Wänden ohne Bilder, Clean Desk. Wir glauben, dass Agentur mehr Seele braucht. 


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© Lara Freiburger

Die Kreativagentur David + Martin wird im Juli 2015 von David Stephan und Martin Eggert in München gegründet und 2020 als „Agentur des Jahres“ ausgezeichnet. Zu ihren Kunden zählen aktuell unter anderen Burger King, Seat/Cupra, ING und Gerolsteiner. Kleiner Fun Fact am Rande: Eggert ist mit dem gleichnamigen Architekten weder verwandt noch verschwägert. 


ME: Wir wollen eine Agentur sein, die sich nach Hospitality-naher Agenturerfahrung anfühlt und mehr in Emotion und Kultur gründet als einer Wandfarbe. Die Leute sollen gerne hier sein. Das Büro muss der bessere Ort zum Arbeiten sein als das eigene Zuhause, sonst braucht man ja nicht hinzugehen. Das war das Briefing: ein bisschen Rock ‘n’ Roll, ein bisschen Mad Men – ohne den Chauvinismus und Sexismus vergangener Zeiten. Diese Idee von Coolness und von Swag im Raum war die Blaupause für unsere neue Bürogestaltung. Und das kommt auch gut bei den Kunden an. 

FF: Man muss Räume in Aufenthaltsqualität denken, nicht in Pragmatismus. Arbeit findet eben nicht nur am Schreibtisch statt. Spätestens während Corona sind Orte entstanden, die sich nicht mehr wie Büros, sondern eher wie Wohnräume anfühlen. Nur: In so vielen Branchen sitzen alle an irgendwelchen verchromten, birkenfurnierten Tischen vor weißen Wänden mit Whiteboards und auf dem Tisch steht ein hässliches Tablett mit halb belegten Brötchen wie auf einer Beerdigung. Es ist so easy, das nur ein bisschen netter zu machen. 

ME: Wenn man auf einigen Branchenveranstaltungen rumläuft und glaubt, in einer coolen Branche gelandet zu sein, wird man schnell desillusioniert. Die Räume, die Mettbrötchen, der hässliche Teppich, das Roll-up, das schlechtsitzende Sakko, die abgelaufenen Schuhe – das alles ist das Problem. Die Branche ist nicht cool. Nicht weil die Inhalte oder die Projekte nicht cool sind, nicht weil die Technologie nicht cool ist. Wir sollten inspirieren, selbstbewusst sein und Spaß haben, aber die Wahrheit ist leider häufig eine andere. 

Das klingt ziemlich hart. 

ME: Ich denke eher, dass dort die Chance zur Differenzierung liegt. Wir sind als Agentur erstmal Handwerk, das ist Commodity. Wir haben tolle Leute in der Strategie, das haben Jung von Matt, Scholz & Friends oder Serviceplan auch. Wir haben tolle Leute in der Kreation, haben die auch alles. Natürlich hätten wir auch einfach weiße Eiermann-Tische und irgendwelche Stühle reinstellen können. Aber arbeiten die meisten Leute da gerne? Nein. Sitzen sie auch mal freiwillig länger bei einem Drink und grübeln auf einer Idee rum, vielleicht auch, weil man einfach gerne da ist und mit guten Leuten rumhängt? Nein. Findet der Kunde solche Räume noch cool oder aspirativ? Auch nein. Deswegen investieren wir in Räume, Infrastruktur und Kultur. Alles zusammen schafft am Ende das Fundament für Qualität. 


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Gutes Essen und Trinken gehört für Martin Eggert (Bild) und Fabian Freytag zwingend zu einem gepflegten Lebensstil dazu. (© Lara Freiburger)

Nur auf den ersten Blick klingt es abgefahren, dass sich ihre Wege vor einigen Jahren erstmals im Ocean, dem Restaurant von Sternekoch Hans Neuner an der Algarve, kreuzen. Auf den zweiten Blick ergibt es durchaus Sinn.  

Martin Eggert hat seine Leidenschaft für die gehobene Küche zuletzt im Rahmen seiner Hospitanzen im Charles Hotel München und im Berliner Gourmetrestaurant Nobelhart & Schmutzig öffentlich über das Business-Netzwerk LinkedIn geteilt. Und für Fabian Freytag sind Hotels und Restaurants die Orte, an denen neue Trends und Strömungen zuerst spür- und sichtbar werden. So muss er quasi zu Recherchezwecken zu den neuesten Hotspots reisen. 


Wie wichtig ist ein großes Ego für den Erfolg? 

FF: Es dreht sich nur um Persönlichkeit. In einer von Neid geprägten Gesellschaft wird einem ein großes Ego nur negativ ausgelegt. Doch ich bin überzeugt: überall, wo die KI wichtiger wird, wird auch der Mensch dahinter wichtiger. Und wenn man kein Ego hat, dann macht man wahrscheinlich auch keinen Laden auf, wo der eigene Name draufsteht. 

ME: Aber dann hast du vielleicht auch nichts, was dich auszeichnet. Was machen wir anders? Das ist der Mut, die Haltung, die Konsequenz. Die Agentur hier ist anders, weil David und ich sie anders führen, vielleicht individueller sind. Da darf es von mir aus gern mehr von geben. Es ist ein Appell an die Branche: Macht euer Ding, seid konsequent und selbstbewusst! 

FF: Klar, es ist mit Cancel Culture immer schwieriger geworden, sich nach vorne zu stellen und auch mal Sachen zu sagen, die unbequem sind, aber es ist wichtig, damit man sich morgens im Spiegel anschauen kann. Das gilt auch für Mitarbeiter*innen. Du willst keine Schar an Ja-Sagern, denn die führt zu schlechten Ergebnissen. Auch hier gilt: ein klares ,Ja’ für ein großes Ego. 


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Der knapp drei Meter große Original-Hummer steht weiterhin im Tal 26. Im neu eröffneten Münchner Büro in der Sendlinger Straße 10 hängt er als Triptychon an der Wand. Fabian Freytag hat das dreiteilige Kunstwerk aus Wein, Zigaretten und Seafood gemalt. (© Lara Freiburger)

Der gebürtige Hamburger Fabian Freytag ist Kind einer Architektenfamilie. Er gilt als einer der originellsten Interior Designer des Landes und gewann 2023 den ersten Preis beim Best of Interior Award. Die DNA seines Studios, mit Sitz in Berlin und einer Dependance in München, bezeichnet er als “nostalgisches Flimmern”, sich selbst beschreibt Freytag als Freigeist und antiautoritär. 


ME: Nach acht Jahren bei der Bundeswehr hatte ich vermutlich genug von Systemkonformität und Jahrzehnte alten Vorschriften. Vielleicht trage ich darum jetzt einen inneren Rebellen in mir und bei David ist es irgendwie ähnlich. Das ist sicherlich auch Teil unseres Erfolgs, wenn man das selbst so sagen darf. Ich bin mir sicher, hätten wir uns immer eingegliedert und alles gemacht wie die anderen, wären wir immer vernünftig gewesen und hätten nur auf den Kopf gehört, wären nie auch mal drüber gewesen, dann wären wir nicht da, wo wir heute sind. Das ist Teil unserer Geschichte. Und ja, für manche sind wir eben zu laut, zu abgefahren, zu exzentrisch. 

Was macht Ihnen mehr Spaß: etwas zur Perfektion zu treiben oder etwas dagegenzusetzen? 

ME: Wenn du es anders machst, musst du auch liefern. Sonst ist es halt scheiße. 

FF: Es muss schon sitzen. Aber was für Bauchkribbeln bei Kreativen sorgt, ist die Idee, nicht das Resultat. Das ist subjektiv. Konform zu sein und etwas wie alle anderen zu machen, ist Verschwendung von Lebenszeit. Was die Perfektion angeht: Du wirst niemals mit einer perfekten Umsetzung eine schlechte Idee kompensieren. Das ist ausgeschlossen. 

ME: Wir sind als Agentur ja selbst ganz oft imperfekt, wir streben emotional nach dem bestmöglichen Ergebnis, nicht nach dem perfekten Prozess. Wer bei uns und mit uns arbeitet, weiß das in der Regel auch, geht sonst zu einer anderen Agentur. 

Was kann Werbung von Interior Design lernen, was Interior Design von Werbung? 

FF: Fabian Freytag Studio ist die 1:1-Übertragung einer Agentur auf die Innenarchitektur. Meine gesamte DNA habe ich aus der Werbung geklaut, weil die Vorbilder in der Architektur alle schrecklich sind. Nur ein Beispiel: Bei einem Werbefilmdreh müssen alle nett zueinander sein, weil sie nur einen Tag Zeit haben, um ein richtig geiles Ergebnis zu erzielen. Auf Baustellen hingegen wird sehr viel gepöbelt. 

ME: In Teilen ist meine Antwort eine Beobachtung von Matthias von Bechtolsheim, die viel in mir gearbeitet hat. Wir waren Abendessen und er meinte sinngemäß: ,Wir bekommen ein Briefing und in spätestens zwölf Monaten gehen wir live. Der Architekt macht heute Entwürfe, die, wenn es schnell geht, in zwölf bis 48 Monaten umgesetzt werden und dann 20, 50 oder 100 Jahre lang halten müssen.’ Wir können uns etwas von diesem langen Atem abschauen, wie große Visionen gedacht und die Spannung hochgehalten wird. 

FF: Es sind unmenschlich langgezogene Prozesse. Der Innovationskiller ist immer die Behörde. Deswegen bin ich auch nicht in der Architektur gelandet. Das Schöne an der Innenarchitektur ist die Mischung aus Agentur und Architektur. 

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.