Es ist Zufall, dass wir uns zum ersten „Gemischten Doppel“ im Münchner Fotostudio Meister Eder treffen – einen Tag nachdem Schauspieler Gustl Bayrhammer seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Einmal mussten wir Gespräch und Shooting coronabedingt verschieben, beim zweiten Anlauf hat es Mitte Februar nun also geklappt, 2G+ versteht sich. Das sei an dieser Stelle explizit festgehalten. Wir, das meint die Unternehmerin Tijen Onaran und die Fotografin Andrea Heinsohn, die nicht nur eine fruchtbare Arbeitsbeziehung, sondern vor allem eine langjährige Freundschaft verbindet. Beides wird Thema dieses Interviews sein.
Frau Heinsohn, Frau Onaran, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Treffen?
AH: Das war vor etwa fünf Jahren. Eine Freundin und ich waren auf der Suche nach einem Frauen-Netzwerk. Das Treffen, das sie gefunden hatte, war in einem Restaurant in Berlin. Am Ende sind wir nicht rein, weil wir dachten, es sei eine private Veranstaltung (lacht). Wirklich kennengelernt habe ich Tijen also erst in Hamburg, als ihre Events in Unternehmen stattgefunden haben.
TO: Andrea habe ich immer im Couple mit Gila erlebt. Sie war fast jedes Mal dabei. Als sie mir erzählt hat, dass sie gar nicht in Hamburg lebt, sondern im Alten Land und extra für die Events in die Stadt fährt, hat mich das gecatcht. Irgendwann hat Andrea dann in einem Nebensatz fallen lassen, dass sie Fotografin ist. Das fand ich spannend.
Wie ging es dann weiter?
AH: Ich hatte immer meine Kamera dabei und habe Fotos gemacht, die ich Tijen auch geschickt habe.
TO: Als wir uns kennengelernt haben, stand ich noch ganz am Anfang. Andrea hat mich auf die Idee gebracht, meinen Events einen professionellen Charakter zu verleihen. Ich habe ihre Bilder dann auf Facebook hochgeladen.
AH: Die Frauen, die diese Veranstaltungen in ihren Unternehmen organisiert und umgesetzt haben, waren sehr stolz darauf. Für mich war es schön, diese Entwicklung zu sehen.
TO: Mit den Unternehmen kamen die Event-Abteilungen. Es wurde auf einmal so richtig, richtig professionell. Dass wir heute die Diversity-Brand in Deutschland sind, konnte damals niemand ahnen. Andrea aber hat es gesehen.
Gestartet ist Tijen Onaran 2014 in Berlin. Zu Beginn kam zu ihrem Stammtisch etwa ein Dutzend Frauen. Ihre zweite Station war Hamburg. Schnell brachte sie erst 20 Frauen zusammen, bald darauf 50, 100, 150. Inzwischen führt Onaran, gemeinsam mit ihrem Mann Marco Duller-Onaran, das Unternehmen Global Digital Women mit heute 18 Mitarbeiter*innen.
Gila Freudenthal, die Freundin, die Andrea Heinsohn anfangs immer zu den Veranstaltungen begleitete, lebt und arbeitet heute in England. Sie sind immer noch freundschaftlich verbunden.
AH: Irgendwann haben wir Tijens Bildsprache entwickelt und sie für unterschiedliche Magazine adaptiert. Ich habe ihr geholfen herauszufinden, wie sie posieren soll, welche Klamotte funktioniert – und sie darin bestärkt, stolz auf das zu sein, was sie macht. Das war es, was ich in Bildern von ihr sehen und fühlen wollte.
TO: Ich erinnere mich daran, dass du einmal zu mir kamst und mir sagtest, jemand habe Flyer ausgelegt. Das waren keine Werbeveranstaltungen, ich wollte Frauen zusammenbringen. Du warst die Einzige, die mir das gesagt hat, und dafür war ich sehr dankbar. Du hast mich verstanden, ohne dass ich etwas sagen musste.
Wann ist aus dem professionellen Miteinander eine Freundschaft gewachsen?
TO: Du hattest damals einen Blog, die „Wardrobe Stories“, für den du Frauen und ihre Kleiderschränke porträtiert hast. Ich hatte dich natürlich gestalkt und geschaut, was du sonst noch so machst. Und, OMG, ich hatte so sehr gehofft, dass sie mich mal fragt! Hat sie irgendwann auch.
AH: Das war toll, das mache ich auch immer noch. Aber leider viel zu selten.
TO: In dieser Zeit haben wir angefangen, auch privat etwas zu unternehmen. Ich habe Andreas Mann und ihre drei Kinder kennengelernt. Marco, ich und unsere Hunde haben in ihrem Haus übernachtet und dort längere Zeit auch mal gewohnt.
Welche Eigenschaft schätzen Sie an der anderen?
TO: Andrea kennt den Wert harter Arbeit. Auch sie hat mit ihrem Mann gemeinsam ein Unternehmen aufgebaut. Sie gibt mir das Gefühl, dass sie alles im Griff hat und ich mich zu 180.000 Prozent auf sie verlassen kann. Durch meinen Job bin ich nun mal stark eingebunden, nicht immer verfügbar. Auch dass das nicht ausgesprochen werden muss, ist super.
AH: Ich finde an Tijen toll, dass sie ehrlich und loyal ist. Und sie scheut sich nicht, laut zu sagen, wenn etwas mal gar nicht lief. Dadurch macht sie Frauen, Männern und allen anderen Menschen Mut.
Sie haben ganz unterschiedliche Rollen, die eine eher vor der Kamera, die andere lieber hinter der Kamera. Würden Sie gerne ab und an tauschen?
AH: Auf gar keinen Fall. Ich bin ein Mensch, der gerne im Hintergrund bleibt und – vielleicht flüsternd – seine Beobachtungen teilt. Ganz unaufgeregt. Ich würde niemals auf die Bühne gehen wollen, niemals.
TO: Sie ist meine Spindoktorin.
Und würde Ihnen die Bühne fehlen, Frau Onaran?
TO: Wenn ich Menschen nicht mehr dafür begeistern könnte, sich für Diversity einzusetzen oder sichzumindest dafür zu interessieren, würde mir definitiv etwas fehlen. Natürlich könnte ich meiner Arbeit Wirkung verleihen. Aber: Wenn mir Leute schreiben, dass ich sie motiviere, dann ist das schon mein Energie-Booster.
Inwieweit kann man als öffentliche Person überhaupt die Kontrolle über das eigene Bild behalten?
TO: Ich würde schon sagen, dass du es zu 70 Prozent selbst in der Hand hast, wie Menschen dich wahrnehmen. Mir hat mein Branding eine wahnsinnige Emanzipation und Unabhängigkeit gegeben.
AH: Fotos sind einfach wichtig. Wir leben in einer Social-Media-Welt. Jede*r braucht Bilder. Ich habe es zu meiner Aufgabe gemacht, Frauen zu sagen, dass sie ruhig weiblich sein und toll aussehen dürfen – und eben keine männlichen Posen einnehmen müssen, mit denen sie sich nicht wohlfühlen.
Der Begriff Reverse Mentoring basiert darauf, dass beide Seiten voneinander lernen. Geht das einfacher, wenn jede*r eine eigene Karriere hat?
TO: Eine Freundschaft basiert immer auf gegenseitigem Mentoring, weil man im Idealfall gemeinsam wächst. Die meisten Freundschaften und meiner Meinung nach auch Partnerschaften zerbrechen daran, dass eine*r mit der Weiterentwicklung des Gegenübers nicht mitkommt oder der anderen Person die Weiterentwicklung nicht zugesteht.
AH: Wenn man etwas hat, weiß oder kann, dann hilft und unterstützt man den anderen. Man sollte sich aber auch fragen, was man zurückbekommt. Tijen hat beispielsweise einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich selbstbewusster verhandele.
Männer haben Seilschaften, Frauen ein Netzwerk, sagt man. Was haben Sie?
TO: Ich liebe meinen Female Squad. Wenn Frauen sich schätzen, in sich ruhen und zusammenarbeiten, ist die Energie wahnsinnig.
Braucht man Ihrer Meinung nach klassische Mentor*innen überhaupt?
AH: Ich bin ganz einfach aufgewachsen, meine Eltern haben sich früh getrennt. Meine Mutter hatte anderes zu tun, als mit mir über Mentor*innen und Diversität zu sprechen, sie hat in erster Linie geguckt, dass der Kühlschrank voll ist.
TO: Ich habe mir meine bewusst gesucht. Silvana Koch-Mehrin war meine erste Mentorin und heute ist es zum Beispiel Ann-Kristin Achleitner. Nicht weil sie Achleitner heißt, sondern weil ich ganz viele Interviews gelesen habe und ihre Denke spannend fand. Ich wollte diesen Menschen kennenlernen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft, ein gemeinsames Projekt 2022?
TO: Andrea hat das Cover für meinen neuen Podcast „Aufsteiger*innen – über den Mut, Erste*r zu sein“ geschossen, der am 3. März startet.
AH: Und dann natürlich viele Events, die uns dann wieder auf neue Ideen bringen.
Dieses Interview erschien zuerst in der März-Printausgabe der absatzwirtschaft.