Geld oder Sinn?! Die Jobsuchenden dieser Tage müssen sich wie in einem Italowestern der 50er Jahre fühlen. Pistole auf der Brust. Der schnurrbärtige Ganove spuckt ein schleimiges Stück Tabak auf den Boden und stellt ihnen knurrend die Eine-Million-Dollar-Frage: Was willst du wirklich?!
Und während sich die globalen Krisen zuspitzen und die Reichen immer reicher werden, fragen wir uns: Darf man in dieser Sache das Geld wählen? Ist das zu verantworten? Können wir uns dann selbst überhaupt noch in die Augen schauen? Müssten wir nicht heldenhafter sein? Für unsere Kinder und Kindeskinder die Opfer bringen, die sonst sie irgendwann für ihre Ahnen bringen müssen?
Corona bringt Menschen zum Nachdenken
Viele unserer Freunde sind als Arbeitnehmer*innen und -geber*innen Teil der aktuell stattfindenden Kündigungswelle, der sogenannten „great Resignation“. Die Corona-Krise, Job-Unzufriedenheit, die durch das Arbeiten im Homeoffice verstärkt wurde, die Unmöglichkeit der Vereinbarkeit von Job und Familie, Isolation und auch die Angst, seine Liebsten zu verlieren, hat die Menschen zum Innehalten und schließlich zum Nachdenken gebracht: Wie viel Sinn macht das, was ich hier jeden Tag tue, eigentlich? Verfolge ich noch die Ziele, die ich mir gesteckt hatte? Kann ich woanders mehr bewegen, erfolgreicher sein? Oder auch: sollte ich nicht endlich mal ein paar Monate die Füße hochlegen?
Nicht wenige von ihnen begegnen auf ihrer Gedankenreise zu alternativen Lebenswegen dem Ganoven. Doch etwas stimmt nicht an der Sache! Wer ist der Kerl? Und warum stellt er uns vor die Wahl, wo er uns doch (nur, um im Bild zu bleiben) eh abknallen wird? Denn, wer trotz Unzufriedenheit weiter im Job bleibt, leidet genauso, wie jemand, der sich für eine Sache einsetzt, aber zum Beispiel den Traum von der eigenen Familie (oder wovon auch immer die Leute träumen) damit nicht finanziert bekommt.
Die unbequeme Wahrheit: Der „Kerl“ sind wir selbst. Der „Kerl“ ist unser internalisierter „Bad Boy Kapitalismus“, der uns weismachen will, dass wir uns entscheiden müssen – in der Hoffnung, dass wir das Geld wählen, um das Spiel „as we know it“ am Laufen zu halten.
Kreativität eine der menschlichsten Fähigkeiten
Doch wir müssen uns überhaupt nicht entscheiden. Zumindest immer weniger. Je mehr Menschen dem Typen seine Knarre aus der Hand schlagen und laut „beides!“ brüllen, desto schneller schaffen wir nicht nur die öko-soziale Transformation, sondern ermöglichen immer mehr Menschen ein Leben, bei dem sich Purpose lohnt. Und eine Welt, in der die „Gutmenschen“ die (auch finanziellen) Gewinner sind (sofern sie das wollen). Und klar, auch wenn das in einigen wenigen Firmen heute schon möglich ist, geht das an anderer Stelle noch nicht so gut. Das heißt aber nicht, dass sich das nicht ändern ließe, schließlich ist eine unserer menschlichsten Fähigkeiten Kreativität.
Um das zu schaffen, müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen und Mantren wie „Geld ist unmoralisch“, „Wirklich Gutes kann man nur selbstlos tun“ aus unseren Hirnwindungen löschen. Stattdessen sollten wir uns klar machen: Wenn wir wollen, dass die Transformation vorankommt, dann müssen diejenigen, die dabei Vollgas geben, finanziell erfolgreich sein dürfen, ohne direkt moralische Zeigefinger in die Nase gebohrt zu bekommen. Dann müssen die grüne(re)n Geschäftsmodelle auf Wachstum ausgelegt sein dürfen, ohne direkt boykottiert zu werden. Nur so bekommen wir letztendlich die Verwirklichung unseres Purpose in Bahnen, die auch uns selbst guttun. Und nur das ist wirklich nachhaltig.
Jule und Lukas Bosch sind partner in life, crime & business – und kurzum als Business-Aktivist*innen tätig. Sie beraten Unternehmen zu Transformation und Nachhaltigkeit.