Diese Incentives bilden einen zunehmend wichtigen Pfeiler der Vertriebsstrategie für Autos. Die Phantasie kennt dabei keine Grenzen. Neben den schon klassischen Rabatten, Produktzugaben, überhöhten Preisen für Gebrauchtfahrzeuge, reduzierten Sondermodellen, günstigen Finanzierungs- und Leasingangeboten gibt es ständig neue Gags. Es gibt 1000 Liter Sprit gratis, die Versicherung wird für ein Jahr übernommen, ein Fahrrad als Zugabe, eine Reise in den Süden und so weiter, und so fort. Eine Studie von Simon-Kucher & Partners vom August 2003 belegt Herstellerrabatte von 25 Prozent und mehr gegenüber dem Listenpreis. Der „Preisruin“ kennt scheinbar keine Grenzen.
Die entscheidende Frage ist natürlich, ob sich diese kostspieligen Kaufanreize rechnen. Welche Wirkung haben diese auf den Verkauf insgesamt? Wie sind die Konsequenzen für Zulieferer, Hersteller und Handel einzuschätzen? Welche Strategie steckt dahinter? Was bleibt unterm Strich übrig?
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass Rabatte für seine Marke nicht in Frage kommen. Auch VW-Lenker Bernd Pischetsrieder macht klar, dass sich Volkswagen nicht an einer Rabattschlacht beteiligen will. Dem setzt Rick Wagoner, Chef von General Motors, deutlich andere Töne entgegen. Er senkt die Preise massiv, um das Volumen möglichst konstant zu halten. In einer Branche, in der es lange Jahre versäumt wurde, Produktionskapazitäten zu begrenzen oder Überkapazitäten abzubauen, könnte dies in der Tat für Massenhersteller der günstigere Weg sein. Doch auch diese müssen einen hohen Preis dafür bezahlen. Drastisch gesunkene Margen, Verluste in Rekordhöhen und Imageeinbußen könnten für den einen oder anderen das Aus schneller bringen als bisher geahnt. Denn es trifft in Deutschland vor allem die Volumenhersteller wie Fiat, Opel und Ford. Die Premiumhersteller können mit ihren starken Marken diesem Trend meist erfolgreich trotzen und die Preise etwas stabiler halten.
Eine überzeugende Strategie ist hinter all dem nicht zu erkennen. Das Verhalten erscheint eher als konkurrenzgetriebene Reaktion auf Konsequenzen aus vergangenen Fehlern. Und auch hier stehen die Vereinigten Staaten wieder Pate für eine Entwicklung, die von den Herstellern zum Teil selbst verschuldet ist und diese nun mit voller Härte trifft. Oder glaubt man wirklich, dass die Käufe aufgrund der Preisanreize echte Mehrnachfrage und nicht nur „Borgen von der Zukunft“ bedeuten? Doch das würde heißen, dass die eigentliche Krise noch aussteht! Es wird zu einer weiteren Bereinigung und Reduzierung der Autohändler kommen. Weitere Hersteller und Marken – vornehmlich die heute schwachen – werden verschwinden oder geschluckt. Zusätzliche Kostensenkungen sind nötig, um die schwindende Ertragskraft der Unternehmen zu stärken. Der Druck auf Zulieferer und alle Elemente der Wertschöpfungskette wird zunehmen.
Die Stahlbranche ist hier bereits einen Schritt weiter; die Überkapazitäten sind weitgehend abgebaut; der Markt ist bereinigt. So könnte auch die Aussage des CEO von Arcelor, Guy Dollé, Vorbildcharakter für die Autobranche haben: Keine Preissenkungen – auch wenn Volumenrückgänge hingenommen werden müssen.
Was bleibt als Lösungsweg? Auf jeden Fall sollte die europäische Autoindustrie einen Preiskrieg nach amerikanischem Muster vermeiden. Kapazitäten müssen vor allem im Volumenmarkt drastisch gesenkt werden. Und die Preispolitik muss klüger werden. Die Wirkungen bestimmter Maßnahmen sind im Hinblick auf Marktanteil und Wirtschaftlichkeit gründlicher zu prüfen und zu bedenken. Es wird zuviel aus der Hüfte geschossen. Dabei geht es nicht nur um Millionen, sondern mittelfristig um das Schicksal von Marken und Unternehmen.
Über den Autor: Prof. Dr. Hermann Simon, Chairman von Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants, dankt Dr. Markus Hofer für anregende Diskussionen zum Thema.