„Die Medien verstärken kommunikativ die qualitätsbezogene Wahrnehmung der Kunden“, formuliert die Stiftung Warentest, und meint damit nicht nur die Tatsache, dass sich Konsumenten bei ihrer Suche nach dem besten Preis-Leistungsverhältnis auf Medienberichte – die teuersten Olivenöl-Produkte sind eben nicht notwendigerweise die besten – stützen. Lebensmittelanbieter, sowie Anbieter unzähliger weiterer Produkte, bedienen sich der Medien um zur Sparsamkeit aufzurufen.
Offenbar treffen Werbebotschaften wie „Geiz ist geil“ den Puls der Zeit. Den Erfolg des eindringlichen Werbeslogans erklären viele Experten mit konjunkturbedingten finanziellen Engpässen der Nachfrager. Denkbar ist aber auch, dass sich Produktqualität und Konsumkompetenz der Verbraucher verbessern. Könnten Konsumenten nicht auch durch die eigene Konsumerfahrung und die Qualitätsvergleiche der Verbraucherinstitute gelernt haben? Ist es wirklich der leere Geldbeutel, der die noch immer wohlhabenden Deutschen veranlasst, billigere Artikel zu kaufen?
Vielleicht hat sich ja auch die objektive Qualität der billigeren Produkte verbessert? Mit dem Boom der Discounter und der verstärkten Kommunikation von Produktqualitäten durch die Verbraucherinstitute stellt sich doch die Frage, in wie weit Kunden mit preisgünstigen Produkten befriedigende Kaufresultate erzielen. Eine wissenschaftliche Studie zur Entwicklung der Preis-Qualitäts-Relation von deutschen Konsumgütern im letzten Vierteljahrhundert wirft neues Licht auf die Beantwortung dieser Frage (Fürst, Heil, Daniel 2004). Die umfangreiche Untersuchung mit mehr als 10 000 Einzelprodukttests der unabhängigen Stiftung Warentest, legt das Preis-Qualitäts-Verhältnis deutscher Konsumgüter offen.
Wie die Ergebnisse zeigen, hat sich in jüngerer Zeit, die durchschnittliche Qualität der untersuchten teuersten Produkte seit 1988 kaum geändert. Dagegen können die Marktbeobachter feststellen, dass sich die Produktqualität der jeweils billigsten Artikel deutlich bessert. Der anhaltende Trend zur Qualitätsangleichung zwischen billigen und teuren Konsumartikeln wird durch ein anderes Faktum untermauert: In jüngerer Zeit bestand für annähernd jede zweite Produktart (49 Prozent) kein Qualitätsunterschied zwischen dem teuersten und billigsten Artikel. Vor einem Vierteljahrhundert lies sich dies nur für jede dritte Produktart nachweisen. (genau: 35 Prozent).
Käufer nutzen häufig den Preis als Garant für eine entsprechende Produktqualität. Auf diese Art versuchen sie die aufgrund unvollständiger Informationen entstehenden kognitiven Dissonanzen bei der Kaufentscheidung zu reduzieren. Da die Produktqualität deutscher Konsumgüter auch bei den billigsten Artikeln auf einem befriedigenden bis guten durchschnittlichen Qualitätsniveau angekommen ist und sich stetig verbessert, stellt sich die begründete Frage: Können Konsumenten in Deutschland überhaupt über den Preisunterschied von Konsumartikeln auf deren objektiv vorhandene Qualitätsunterschiede schließen?
Als Hauptergebnis der empirischen Untersuchung lässt sich feststellen: die durchschnittliche Relation zwischen Preisunterschieden und Qualitätsunterschieden ist seit Mitte der 80er Jahre um mehr als 40 Prozent auf ein völlig ungenügendes Verhältnis erodiert. Offenbar ist der Preis bei deutschen Konsumartikeln des 21. Jahrhunderts ein schlechter Qualitätsindikator. Die verbreitete Überzeugung, dass der Konsument mit einem teureren Produkt auch eine entsprechend bessere Produktqualität erwirbt, ist wissenschaftlich nicht zu belegen, der Erwerb teurer Produkte widerspricht damit der ökonomischen Vernunft.
Somit erscheint auch der Erfolg des zuvor zitierten Werbeslogans in einem völlig anderen Licht: „Geiz ist geil“ trifft nicht nur den Nerv der Zeit, – er ist ökonomisch gerechtfertigt: Marketeers können die verstärkte Nachfrage nach billigen Artikeln als informationsdeterminierte Konsumkompetenz in einem gewandelten Preis-Qualitäts-Gefüge interpretieren. Die Qualitätsangleichung von niedrig- und hochpreisigen Konsumartikeln und die Unverlässlichkeit des Preises als Qualitätsindikator veranlassen Konsumenten zum Kauf billiger Artikel. Der hohe Discounteranteil legt den Schluss nahe, dass die Deutschen mit „Geiz ist schlau“ in hervorragender Weise das Preis-Qualitäts-Verhältnis optimieren.
Das Marketing steht vor einer neuen Herausforderung: Es muss dem Konsumenten erfahrbar und glaubhaft vermitteln, dass Geiz nicht geil oder schlau, sondern auch „teuer“ ist: Ein billiges Produkt liefert nicht den Mehrwert der Marke.
Autoren
Dr. Ronny Fürst ist Senior Consultant der internationalen Unternehmer-Beratung Droege & Comp. in Düsseldorf.
Dipl.-Kfm. Jan Daniel ist Doktorand am Lehrstuhl für Internationales Management der European Business School (ebs), Schloß Reichartshausen, Oestrich-Winkel.
Prof. Dr. Oliver Heil (Ph.D.) ist Inhaber des Lehrstuhls Marketing der Johannes Gutenberg Universität und Visitting Professor an der Anderson School of Management (UCLA) in Los Angeles.
eingestellt am 23. Dezember 2005