Bei der Diagnose Krebs steht die Welt für einen Augenblick ganz still. Dafür geht nun vieles andere sehr schnell: Therapie, Bestrahlung, Operation. Plötzlich ist man fremdbestimmt, Ärztinnen und Ärzte empfehlen die nächsten Schritte und definieren damit den neuen Alltag der Erkrankten. Neben all den Problemen und Ängsten, die Krebs für Patient*innen, ihre Freunde und ihre Familie erzeugt, bleibt eine Dimension oft außer Acht: die Angst vor Stigmatisierung. Arbeitgebern kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
So fand die Universität Leipzig in einer der wenigen quantitativen Untersuchungen zur Stigmatisierung von Krebspatient*innen heraus: Den stärksten Einfluss in Richtung höherer Stigmatisierung bei Erwerbstätigen hat das Merkmal „geringe Unterstützung durch den Arbeitgeber“.
Hier will die Publicis Groupe für Veränderung sorgen. Die französische Werbeholding, deren CEO Arthur Sadoun im letzten Jahr selbst an Krebs erkrankt war, gab auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel in Davos den Startschuss für die branchenübergreifende Initiative „Working with Cancer“. Mit ihr will Publicis das Stigma von Krebs am Arbeitsplatz bekämpfen und für mehr Unterstützung für Krebskranke werben.
„Die Absicht der Initiative ist es, möglichst viele Unternehmen davon zu überzeugen, ein Zeichen gegen das Stigma von Krebs am Arbeitsplatz zu setzen“, sagt Bettina Prange, Chief Talent Officer der Gruppe im DACH-Raum. Dafür sei ausdrücklich keine Zusammenarbeit mit der Publicis Groupe nötig. Das Versprechen gelte ausschließlich gegenüber den eigenen Mitarbeitenden. „Dies ist ein zentraler Grund dafür, dass sich neben Verbänden, Krebsorganisationen, Publicis-Kunden und -Dienstleistern auch viele Nicht-Kunden und Publicis-Wettbewerber wie WPP, Omnicom und IPG angeschlossen haben“, so Prange.
Wertschätzung und Unterstützung sollen Stigmatisierungen entgegentreten
Konzerne wie Google, McDonald’s, Unilever oder Meta haben sich im Zuge der Initiative verpflichtet, eine möglichst offene, unterstützende und gesundheitsfördernde Arbeitskultur für ihre Mitarbeitenden zu schaffen. Und auch deutsche Unternehmen wie Beiersdorf und Kärcher sind als Unterzeichner der Selbstverpflichtung gelistet. Auf Nachfrage der absatzwirtschaft, wie sich die Situation für krebskranke Mitarbeitende in ihren Unternehmen darstellt, zeichnen beide ein positives Bild.
Beiersdorf biete mit seinem Gesundheitsmanagement „seit Jahren umfassende Angebote“, die über arbeitsrechtliche Vorgaben hinausgehen. Ein betriebsärztliches Team, zu dem auch Fachärztinnen und -ärzte mit mehrjähriger Erfahrung in der klinischen Onkologie gehörten, unterstütze Betroffene mit individuellen psychosozialen Betreuungsangeboten. „Das Beratungsangebot richtet sich ausdrücklich auch an Beschäftigte, die in ihrem familiären Umfeld schwer Erkrankte haben und dadurch belastet sind“, so das Unternehmen.
Dazu könnten sich Betroffene zu praktischen Fragen wie Lohnfortzahlung, Krankengeld und Pflege von Angehörigen an die betriebseigene Sozialberatung wenden. Sie informiere über Selbsthilfegruppen, ambulante oder stationäre Einrichtungen, Kliniken, behördliche Institutionen und Beratungsstellen zur weiterführenden Beratung. Außerdem berate sie Führungskräfte in besonderen Situationen, zum Beispiel wenn Mitarbeitende psychische Probleme im Zusammenhang mit der Wiedereingliederung nach Langzeiterkrankungen bekommen.
„Unsere Mitarbeitenden nehmen die Angebote unseres Gesundheitsmanagements sehr gut an – diese sind stets sehr schnell ausgebucht. Die hohe Nachfrage und auch Rückmeldungen im Rahmen unserer Angebote spiegeln das Gesundheitsbewusstsein unserer Mitarbeitenden und Wertschätzung wider“, erklärt Beiersdorf.
Angebote für krebskranke Mitarbeitende haben Signalwirkung
Wertschätzung ist auch für Mitarbeitende von Kärcher überaus wichtig, gibt das Familienunternehmen an. „Erkrankte spiegeln häufig zurück, dass sie die regelmäßige und persönliche Betreuung, den wertschätzenden Umgang und die Hinweise, was es für Möglichkeiten gibt, sehr gut finden“, erklärt Kärcher gegenüber der absatzwirtschaft. Bereits vor dem Beitritt zur „Working with Cancer“-Initiative habe das Unternehmen Maßnahmen entwickelt, um die Mitarbeitergesundheit zu fördern, welche sukzessive implementiert und regelmäßig evaluiert würden.
Zu den Maßnahmen gehörten eine gesundheitsgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen, flexible Arbeitszeitmodelle während der Behandlung sowie die Beratung und Unterstützung bei der Wiedereingliederung von Mitarbeitenden in das Arbeitsleben nach schwerer und längerer Krankheit durch das betriebliche Eingliederungsmanagement. Dazu sei die psychosoziale Einzelberatung zur Bewältigung psychischer Probleme sehr wichtig. „Unsere Arbeitsmedizin ist auch stark auf die psychische Gesundheit unserer Mitarbeitenden ausgerichtet“, so Kärcher.
Diese Beispiele zeigen, über wie viel Spielraum Arbeitgeber bei der Unterstützung ihrer Mitarbeitenden verfügen. Gerade wenn es darum geht, Menschen zu halten oder zu umwerben, können Angebote wie diese einen Unterschied im Wettbewerb ausmachen. Damit zeichnen sie sich nicht nur als attraktiven Arbeitgeber aus, sondern geben auch das deutliche Signal: Wir stehen zu euch – auch in schwersten Zeiten.