„Für immer geschlossen – für immer im Herzen!“. Handgeschrieben hängt der Abschiedsgruß an der verbarrikadierten Eingangstür der seit Mittwoch geschlossenen Kaufhof-Filiale in Essen. Im Kaufhof an der Hamburger Mönckebergstraße ist die Botschaft an der Tür weniger emotional, aber genauso klar: „Filiale dauerhaft geschlossen“.
Start der Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof
Es ist unübersehbar: Bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) rollt jetzt die lange angedrohte Schließungswelle. 37 Warenhäuser würden in diesen Tagen dicht machen, sagte am Donnerstag der GKK-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl der Deutschen Presse-Agentur. Weitere sechs Filialen hätten noch eine Gnadenfrist bis Januar. Die Warenhausschließungen sind Bestandteil des Sanierungskonzeptes des letzten verbliebenen großen deutschen Warenhauskonzerns nach dem erfolgreichen Abschluss des Insolvenzverfahrens. Mit rund 130 verbleibenden Warenhäusern hofft der Konzern, schnell wieder in die schwarzen Zahlen zurückzukehren.
Rund 3200 Beschäftigte verlieren Ettl zufolge dadurch ihren Job. Ein Unternehmenssprecher wollte sich am Donnerstag nicht zu den Schließungen äußern.
Galeria Karstadt Kaufhof fehlt Städten als Anziehungspunkt
Ob in Hamburg oder Essen, Braunschweig oder Fulda, Landau oder Witten: Wo immer die Läden schließen, beginnt damit für die betroffenen Städte der Ernstfall. Denn in den Einkaufsstraßen fällt damit ein wichtiger Anziehungspunkt weg. Um die Attraktivität der Shopping-Meilen zu bewahren, muss schnell eine neue Nutzung für die Warenhaus-Immobilien gefunden werden.
Aussichtslos ist das nicht, glaubt der Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE. „Die Schließungsfilialen liegen fast alle an guten, urbanen Standorten, die Entwicklungspotenzial haben“, meint er. In den meisten Fällen werde es dort auch in Zukunft wieder neue Geschäfte geben, aber in deutlich geschrumpftem Ausmaß. Der Flächenbedarf bei den klassischen innerstädtischen Einzelhandelsangeboten von der Mode bis zur Unterhaltungselektronik habe seinen Höhepunkt überschritten. Stattdessen müssten andere Nutzungen gefunden werden.
Neue Nutzungsformen vs. „Monokultur des Handels„
In gewisser Hinsicht sei das auch eine Besinnung auf die Vergangenheit. „Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Innenstädten viel mehr gemischte Nutzung als heute. Erst nach dem Krieg entstand die Monokultur des Handels“, betont Stumpf. „An den Warenhausstandorten, für die jetzt eine neue Nutzung gefunden werden muss, wird das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen. Es wird viel mehr gemischte Nutzung mit Handel, Dienstleistern, Büros und auch Wohnen geben.“
Architektur wird zur Herausforderung
Eines der größten Probleme ist dabei, dass die klassischen Warenhäuser mit ihren großen, oft fensterlosen Flächen schon von ihrer Architektur her ohne große Umbauten kaum für andere Nutzungen verwendbar sind. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung PwC über das Schicksal von 52 seit 2009 geschlossenen Warenhäusern ergab, dass über 80 Prozent von ihnen im großen Stil umgebaut oder sogar abgerissen werden mussten.
Versuche, an den ehemaligen Warenhausstandorten weiter auf reine Einzelhandelslösungen zu setzen, waren der Studie zufolge selten erfolgreich. Ein großer Teil der Neueröffnungen scheiterte. Viel erfolgreicher waren Konzepte, die Einzelhandelsangebote im Erdgeschoss mit Büros und Wohnflächen in den Obergeschossen verbanden, manchmal auch kombiniert mit Hotels oder Pflegeheimen.
Individuelles Zukunftskonzept für jeden geschlossenen Standort gefragt
Für jedes Haus müsse ein individuelles, auf den Standort zugeschnittenes Zukunftskonzept gefunden werden, meint Stumpf. Die aktuellen Schließungen hält der Branchenkenner letztlich für unvermeidbar – auch ohne die Corona-Krise. „In Deutschland gibt es nur noch Platz für maximal 100 Warenhäuser im derzeitigen Format. Die Schließungen, die wir jetzt sehen, wären so oder so gekommen – nur nicht so schnell.“
Von Erich Reimann, dpa
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