Im deutschen Fußball läuft es derzeit alles andere als gut. Nachdem schon die Männer im vergangenen Winter ihre WM-Teilnahme verpatzt hatten, haben jetzt auch noch die Frauen versagt. Und leider ist der deutsche Fußball auch beim Thema Nachhaltigkeit nicht sonderlich leistungsstark.
Vor einem Jahr hatte die DFL erstmals Nachhaltigkeitskriterien für die 1. und 2. Bundesliga formuliert, zum Beispiel sollen die Vereine ihren CO2-Fußabdruck berechnen. Das ist kein Hexenwerk und am nötigen Kleingeld für Dienstleister sollte es auch nicht mangeln. Gleichwohl meldeten bei einer aktuellen Umfrage des Bayerischen Rundfunks nur 20 von 36 Clubs Vollzug. Besonders peinlich: Ausgerechnet Bayern München, Rekordmeister und wertvollste deutsche Fußballclub-Marke, antwortete nicht. Man hat wohl Wichtigeres zu tun, als sich mit der Zukunft des Planeten zu befassen.
Vorbild FC St. Pauli: Für den Nachhaltigkeitspreis nominiert
Ganz anders der FC St. Pauli. Der hat vergangenen Samstag zwar nur ein 0:0 gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth geschafft, ist jedoch für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Schon 2018 begann der Zweitligist mit der Suche nach einem Ausrüster für fair und umweltfreundlich produzierte Trikots. Weil, wie der Verein feststellte, „kein externer Anbieter den Kriterien des FC St. Pauli vollumfänglich gerecht werden konnte“, übernahm dieser die Produktion kurzerhand selbst. Seit 2021 ist die Kollektion DIIY, angelehnt an „Do it yourself“, auf dem Markt. Und das ist nicht alles: St. Pauli hat sich auf das Ziel “Zero Waste” verpflichtet, will seine Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren und wird noch in diesem Jahr seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Nimm das, FC Bayern!
„Football for Forests“: Gute Idee, magere Bilanz
Nachhaltigkeit und Fußball schließen sich nicht aus – das sollte auch die Initiative „Football for Forests“ beweisen. Nie gehört? Genau das ist das Problem. Die Idee ist durchaus clever: Vereine sollen nicht nur auf dem Spielfeld wetteifern, sondern auch beim Klimaschutz. Per App können Fans ihre Lieblingsmannschaft wählen und deren Tore mit Geldspenden belohnen. Die werden zur Renaturierung von Regenwald eingesetzt. Die aufgeforsteten „Pitches“ sind jeweils so groß wie ein Fußballfeld. Je besser die Teams und je engagierter die Fans, desto höher steigt der Club in der „Wald-Renaturierungsliga“.
Das Projekt wird sogar vom Auswärtigen Amt unterstützt. Trotzdem fällt die Bilanz kläglich aus: Gerade einmal 56 Pitches wurden seit Gründung der Initiative im Jahr 2022 renaturiert. Bei LinkedIn hat sie, Stand Mittwoch, 459 Follower und bei Facebook 971. Wie wäre es denn damit, Marketing-Profis ins Boot zu holen, die wissen, wie man eine Kampagne launcht? Nur so eine Idee.
Sneaker aus Reisleder, Wolle oder Traubentrester
Sportartikelhersteller haben längst entdeckt, dass Nachhaltigkeit ihnen neue, lukrative Marktchancen eröffnet. Puma und Nike haben Sportschuhe mit 20 Prozent wiederverwendetem Plastik im Programm, Adidas wirbt mit einem Recycling-Anteil von mindestens 50 Prozent. Das ist ein Anfang – aber nichts gegen die Sneaker der Berliner Manufaktur Kulson: Deren Sohlen bestehen aus Kautschuk, der zu 70 Prozent recycelt ist, die Obermaterialien aus Rindsleder oder, wie beim Modell „vegan one“, aus Reisleder.
Noch ambitionierter: Das Münchner Start-up Monaco Ducks, das seine Sneaker aus Traubentrester (einem Nebenerzeugnis der Traubensaft-Herstellung), Wolle und recycelten Gummi herstellt. Die Gründer haben sich überdies zum Ziel gesetzt, bis 2025 einen komplett kreislauffähigen Turnschuh zu entwickeln. So viel Konsequenz hat ihren Preis, aber offenbar auch ihren Markt: Kulson besteht seit 2018, Monaco Ducks seit 2014. Für den Fußballplatz sind die edlen Teile natürlich viel zu schade, aber die meisten Sneaker geraten mit Sport ja ohnehin nicht in Berührung.
Frühere Kohledynastie setzt auf „enkelfähige“ Investments
Der Gründer von Monaco Ducks übrigens, Carl Warkentin, ist einer der Speaker auf dem „Enkelfähig Summit“, der am 7. und 8. September in Duisburg stattfindet. Die Konferenz verdient nicht nur deshalb Aufmerksamkeit, weil dort neben Warkentin auch Promis wie Eckart von Hirschhausen und Wissenschaftler*innen wie Maja Göpel auftreten. Interessant ist auch der Veranstalter: Haniel. Haniel? Bei ruhrgebietsaffinen Leser*innen des Green Wednesday klingelt jetzt was: Das Familienunternehmen war im 19. Jahrhundert ein großer Spieler im Kohlebergbau und hielt unter anderem die Gutehoffnungshütte mit der Zeche Franz Haniel (später Prosper-Haniel).
Schnee von gestern. Heute ist Haniel eine Investmentgesellschaft und beteiligt sich vorzugsweise an Clean-Tech-Start-ups und nachhaltig orientierten Unternehmen; der Begriff „enkelfähig“ dient als Leitidee für den Umbau des Portfolios. Haniel-CEO Thomas Schmidt will enkelfähiges Wirtschaften sogar zu einer Unternehmer-Bewegung ausbauen, Publicis entwickelt den Begriff derzeit zur Marke. Von der Kohledynastie zur grünen Vorzeige-Familie – das ist eine ungewöhnliche Transformation und womöglich ein gewisser Ausgleich für die Klimasünden der Vergangenheit.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!