Die Gründe liegen in einer Reihe längerfristiger Trends wie der Globalisierung, der Forderung der Investoren nach Rendite und Konzentration auf Kerngeschäfte, der vielbeschworenen Nachfolgekrise im Mittelstand und auch in den Auswirkungen der Gründerwelle. Da „feindliche“ Übernahmen sehr selten sind, wird auch der geplante Übernahmekodex der Bundesregierung an diesem Trend nichts ändern. Die Ergebnisse der Mercer-Umfrage besagen, dass sich die derzeitige Zurückhaltung bei Fusionen und Übernahmen (Merger & Acquisitions, kurz M&A) vor allem aus zwei sehr kurzfristigen Aspekten erklärt: Einerseits bremst die Flaute am Börsenmarkt und andererseits locken die verbesserten steuerlichen Bedingungen des nächsten Jahres.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass sich die Unternehmen immer häufiger mit der Frage beschäftigen, ob eine aus Unternehmenssicht strategisch interessante oder notwendige Fusion auch an der Börse honoriert wird. Im letzten Jahr war oftmals bereits die Ankündigung von Fusionsplänen mit einem kräftigen Kursverfall verbunden, von dem sich der Unternehmenswert auch nach der Fusion häufig nicht mehr erholte. Viele Akquisitionen wurden in der Vergangenheit als Fehlschlag gewertet, weil die Börse den Wertgewinn durch die Fusion nicht nachvollziehen konnte, sie den Unternehmen eine erfolgreiche Integration der erworbenen Gesellschaft nicht zutraute oder schlicht den Kaufpreis als zu hoch befand. Mehr und mehr ist die Steigerung des Unternehmenswertes heute die entscheidende Messlatte, an der Erfolg oder Misserfolg einer Fusion oder Übernahme gemessen werden.
Der Integrationsprozess wird nach wie vor als gefährlichste Klippe bei Unternehmenszusammenschlüssen gesehen. Unter den befragten Unternehmen, die sich gerade in einem Integrationsprozess befanden, zeigten sich die Geschäftsführungen generell am optimistischsten über den Erfolg ihrer Fusion. Je tiefer in der Hierarchie nachgefragt wurde, desto kritischer wurden die Meinungen über den Erfolg des Zusammenschlusses. In der Belegschaft folgt auf die Verunsicherung der ersten ein oder zwei Wochen meist ein großer Motivationsschub. Wenn jetzt eine klare Führung, greifbare Perspektiven und erreichbare Ziele ausbleiben, kann sich dieser Motivationsschub aber leicht ins Gegenteil verwandeln.
Der Blick darf bei der Zusammenführung von Unternehmen aber nicht zu sehr nach innen gerichtet werden. Dies belegt eine Aussage, wie sie in der Mercer-Befragung häufiger zu hören war: „Wir beschäftigten uns zu sehr mit uns selbst. Der Integrationsprozess begann, uns den Blick auf unsere Kunden zu verstellen.“ Die Entwicklung einer Vision und einer dazu passenden Organisation muss deshalb laufend durch engen Kundenkontakt nach außen abgesichert werden. Dies geschieht am besten durch ein gezieltes Management ausgewählter Schlüssel- bzw. Zielkunden.
Peter Baumgartner, Geschäftsführer von Mercer Deutschland, resümiert: „Erfolg bei Mergers & Acquisitions hat nur, wer aus dem Zusammenschluss klar nachvollziehbare Wertsteigerungen errechnen kann, bei der Akquisition nicht zuviel Geld zahlt, seine Strategie in eine überzeugende Vision umsetzt und zügig einen zunächst auf die wesentlichen Aspekte begrenzten Integrationsprozess einleitet.“ Und das schaffen laut Statistik immer mehr Unternehmen: Nach einer bereits mehrmals wiederholten Mercer-Untersuchung aus den USA galten in den 80er Jahren knapp 40 Prozent aller großen Übernahmen nach zwei Jahre als gelungen. Zehn Jahre später waren es bereits deutlich mehr als 50 Prozent.
Kompakt: Zehn Thesen zu wertorientierten Fusionen und Übernahmen
1. Die M&A – Rallye geht weiter
Die Entwicklung zu immer mehr Fusionen und Übernahmen ist ungebrochen und wird von zahlreichen Trends in Deutschland und Europa unterstützt. Daran kann auch die derzeitige Zurückhaltung im M&A-Markt nichts ändern. Gerade in Deutschland werden aus Konjunktur- und Steuergründen viele Übernahmeprojekte von diesem auf das nächste Jahr verschoben.
2. Divergenzen der Stakeholder führen zur schwankenden Unternehmensbewertung
Die Steigerung des Unternehmenswertes ist die entscheidende Messlatte für den Erfolg von M&A. Aber Aktionäre und Unternehmen haben sehr verschiedene Erwartungshaltungen, die ihre unterschiedlichen, legitimen Interessen widerspiegeln. Mit einer gewissen Divergenz in der Erwartungshaltung muss daher gerechnet und umgegangen werden. Ein Abbau der Unterschiede in der Erwartung könnte jedoch zu mehr gegenseitigem Verständnis und zu einer ausgewogeneren, weniger stark schwankenden Unternehmensbewertung führen.
3. Strategie, Deal und Integration müssen als Einheit verstanden werden
Die M&A-Strategie bestimmt den Deal (die Transaktion), vor allem seinen Preis, und die Art der Integration. Die Integration bestimmt im Nachhinein den Erfolg des Deals. Nur ein durchgängiges, integriertes M&A-Management kann diese Zusammenhänge sicherstellen.
4. Keine zwei Fusionen sind gleich
Die Strategie hinter einem Deal bestimmt, was erreicht werden kann und muss. Und sie definiert den individuell richtigen Weg zum Erreichen dieser Ziele. Beispielsweise ist die Strategie hinter einem defensiven Aufkaufen von Marktanteilen eine ganz andere als die hinter dem Erwerb von F&E-Kapazitäten. Entsprechend sind auch die Wege der Umsetzung vollkommen unterschiedlich.
5. Der Deal bestimmt die Erwartungshaltung
Unrealistisch hohe Kaufpreise, die von der Strategie nicht mehr gedeckt werden, führen in der Folge zu überhöhten Erwartungshaltungen der Investoren, denen das Unternehmen nicht mehr gerecht werden kann. Bei geplanten Übernahmen darf die in der ersten Strategiephase erarbeitete Preisvorstellung nicht nachträglich nach oben korrigiert werden.
6. Die Integration entscheidet über das HR-Potenzial
Der Integrationsprozess ist nach wie vor der gefährlichste Stolperstein bei Fusionen und Übernahmen. Kommunikation, Einbindung und Motivation der Mitarbeiter sind genau so wichtig wie das Erreichen der operationalen Synergien. Die Konkurrenz wartet meist schon auf die bei Fusionen verunsicherten Mitarbeiter.
7. Es gibt keinen Merger of Equals
Dass zwei Unternehmen zusammen eine komplett neue Unternehmenskultur aufbauen, ist illusorisch. Es gibt immer einen Übernehmenden und einen Übernommenen. Dies zeigen alle Erfahrungen und Erfahrungsberichte aus vergangenen Fusionen.
8. Erreichbare Ziele fördern den Erfolg
Erfolgreiche Fusionen und Übernahmen benötigen einen klaren und realistischen Erfolgsmaßstab, der eng mit den strategischen Zielen verbunden ist.
9. Geschwindigkeit ist wichtig, aber nicht um jeden Preis
Eine schnelle Integration ist wichtig, indem sie die Phase der Unsicherheit (die oft Geld-, Kunden- und Mitarbeiterverluste bedeutet) reduziert und das Unternehmen wieder schnell zur Normalität zurückbringt. Aber Geschwindigkeit ist kein Wert an sich. Wo die Kommunikation, die kulturelle Integration und die menschlichen Aspekte Opfer des Geschwindigkeitsrausches werden, kann das Resultat ein schnelles Desaster sein. Wenn die Integration in der Firmenspitze zur Selbstverständlichkeit geworden ist, fängt sie auf der Sachbearbeiter-Ebene erst an.
10. Der Kunde ist ein wichtiges Korrektiv
Fusionen und Übernahmen werden ohne die Kunden geplant und häufig auch ohne die Kunden durchgeführt. Ein den Integrationsprozess begleitendes gezieltes Kundenmanagement kann als zusätzliches Steuerungsinstrument deutlich die Gefahr verringern, am Markt vorbei zu agieren.
Weitere Infos unter www.mercer.de