Wird das Auto die nächste große Content-Plattform? Welche Chancen eröffnen sich Marketern in den Bereichen Healthcare oder Fashiontech? Auch das Thema Datenschutz kommt im Report nicht zu kurz. Hier fünfTrends, die Marketingverantwortliche in den nächsten Monaten besonders aufmerksam verfolgen sollten:
1. Viele Screens
Das große Interesse an der Apple Watch deutet darauf hin, das Wearables weiterhin en vogue sein werden. Selbstverständlich gibt es noch viele Zweifler. Aber die gab es auch, als iPod und iPad auf den Markt kamen. Nun ist die Entwicklung in Deutschland noch nicht so weit wie etwa in den USA. Dennoch zeigt die aktuelle ARD/ZDF-Onlinestudie, dass auch in deutschen Online-Haushalten durchschnittlich 5,4 internetfähige Geräte vorhanden sind. Von diesen sind drei regelmäßig im Einsatz. Gleichzeitig nutzen laut FacebookUmfrage weltweit mehr als 60 Prozent von uns bereits mehr als nur ein mobiles Endgerät. Tendenz stark steigend – dank sich verbreitender Wearables und immer günstiger werdender Tablets. Zudem hat Facebook im letzten Quartal knapp 70 Prozent seines weltweiten Werbeumsatzes über mobile Endgeräte erzielt. Was sagt uns das? Wir müssen einen Weg finden, unsere Geschichte zu erzählen, egal welche Geräte von Verbrauchern genutzt werden. Immerhin gibt es mittlerweile alleine knapp 18.000 verschiedene Gerätetypen, die auf Basis von Android funktionieren. Schätzungen zufolge ist hierzulande erst etwa die Hälfte aller Webseiten überhaupt für die mobile Darstellung optimiert. Als Marketingprofis müssen wir uns daran gewöhnen, die gleiche Geschichte über verschiedene Formate und Plattformen zu erzählen.
Wir haben zwar kontinuierlich verschiedene Screens bei uns, der ständige Drang, diese Geräte auf Neuigkeiten zu checken wird zunehmend geringer. Schließlich bekommen wir nun alles direkt an unser Handgelenk. Das ist eine große Chance für das Marketing, denn das Einfallstor zum Konsumenten ist jetzt seine Uhr, die er wirklich permanent im Blick hat. Deshalb müssen Inhalte künftig noch besser sein als jemals zuvor. Sie müssen kurz genug sein, um auf dem Display einer Smartwatch Lust auf mehr zu machen. Wie können wir Inhalte für eine Zielgruppe entwickeln, die damit über verschiedene Endgeräte, Display-Größen und -Formate interagiert? Eine erste Möglichkeit bietet das so genannte Adaptive Design. Das ist die nächste Stufe von Responsive Design. Alternativ dazu lassen sich spezifische Inhalte für unterschiedliche Geräte entwickeln. Unternehmen, die diesen Weg einschlagen, müssen sich fragen, wie sie existierende Techniken für das Storytelling auf kleinere Screens anwenden.
2. Das Content Car
Was früher große Rechnerschränke füllte, steckt heute unter der Motorhaube: Autos sind fahrende Datenzentren mit beachtlicher Rechenpower geworden. Kooperationen zwischen Auto- und Internetriesen und die kontinuierliche Verbreitung von LTE (4G) zeigen, dass Autos bald wirklich miteinander und mit anderen Geräten vernetzt sein werden. Dazu wird Content in Zukunft auch mobil in sehr guter Qualität verfügbar sein. Daher wird es mehr Unternehmen geben, die Content speziell für den Konsum im Auto entwickeln.
Der Wettbewerb der Marken um Aufmerksamkeit wird dabei ein wichtiger Treiber für das Content Car sein. Hier öffnet sich ein neuer Werbemarkt: Wissen Marken, welches Auto gefahren wird, können sie die Fahrer gezielt und mit ortsoptimierter Werbung versorgen. Eine Porsche-Fahrerin wird dabei andere Anzeigen sehen als ein Mini-Fahrer. Nähert sich ein Fahrer beispielsweise laut Navi dem Ziel, kann das Infotainment-System ein Hotel mit freien Zimmern in der Konsumklasse des Fahrers empfehlen. Wer dann Herr über die Infotainment-Software ist, kann sich auf gute Werbe-Deals mit der Hotelindustrie freuen. Einen riesigen Sprung werden Content-Angebote machen, wenn selbstfahrende Autos massenmarkttauglich werden. Deutsche Autohersteller erwarten das etwa für das Jahr 2025, GM will schon 2017 ein Serienmodell vorstellen. Natürlich gilt: Die Smartphone Experience lässt sich nicht eins zu eins ins Auto übertragen. Deshalb müssen alle Wettbewerber neu denken und eine neue Nutzererfahrung schaffen, die ganz aus der Situation des Fahrers und der Mitfahrer entsteht.
3. Tausche Daten gegen Marketing
Auf dem Weg zum digitalen Assistenten, der wirklich relevante Unterstützung bietet, müssen Marketer vor allem zwei Herausforderungen überwinden: Sie müssen nicht nur die Technik und das Potenzial von Geodaten besser nutzen lernen, sondern auch die Präferenzen der Menschen an sich besser verstehen.
Wie werden Entscheidungen getroffen, wie formen sich Angewohnheiten, wann reagieren Menschen positiv, wann negativ auf Anregungen? Sobald digitale Dienste in der Lage sind, Empathie zu simulieren, können sie zu wertvollen Lieferanten von Informationen und Angeboten werden. Denn erst dann fügen sie sich unaufdringlich in unser Leben ein.
Eine Voraussetzung dafür sind auch vollständige Datensätze über unser Verhalten. Aber wollen wir wirklich unsere „Benutzerrechte“ an Apple und Google überschreiben? Nein, und genau dafür gibt es spannende Ansätze wie die von Data Fairplay, einer Online-Plattform, über die Menschen ihre Stammdaten selbst eingeben und ganz gezielt vermarkten. Der Anreiz: Unternehmen bezahlen den Nutzer für die Bereitstellung der Daten. Gezieltes Opt-in statt kompliziertem Opt-out.
Zäune sind normalerweise dazu da, Menschen vom eigenen Grund fernzuhalten. Nicht so Geofences. Das sind virtuelle Zäune, die Ladengeschäfte rund um ihre Präsenz ziehen können. Laufen Fußgänger in den eingezäunten Bereich, schickt der Zaun automatisch eine Nachricht auf ihr mobiles Gerät. Damit lassen sich sehr gezielt Angebote unterbreiten. Kreativ genutzt kann das in den Innenstädten eine witzige Nutzererfahrung ergeben, die uns ein bisschen ans Ostereier suchen erinnert. Auch hier sind Angebote dann besser, wenn sie personalisiert sind.
4. Respektiere deinen Nutzer – auch wenn er keine Ahnung hat
Erst im Oktober attestierte die EU-Statistikbehörde den Deutschen beschämenden Internet-Dilettantismus. Gleichzeitig waren viele Nutzer über das Bewegungsprofil empört, das Google Maps ungefragt anlegt. Nutzer fürchten sich vor dem, was sie nicht verstehen. Technologieunternehmen sind dafür inzwischen sensibilisiert und reagieren kommunikativ darauf.
Facebook hat 2014 einen blauen Datenschutz-Dino eingeführt, um Nutzer über ihre Möglichkeiten zur Steuerung ihrer Privatsphäre aufzuklären. Mit Entwicklern des Tor-Netzwerks hat es zudem eine Proxy-Server freundliche Version der Seite entwickelt, falls Nutzer unerkannt darauf zugreifen wollen. Das Netzwerk hat verstanden, dass es seinen Nutzern mehr Kontrolle geben muss, um vertrauenswürdig zu bleiben. Mehr Unternehmen werden nachziehen.
Gute Online-Marketer werden diese Bedürfnisse stärker respektieren. Wenn Browser- oder App-Einstellungen darauf hinweisen, dass ein Nutzer bestimmte Arten des Trackings ablehnt, sollte man davon absehen. Und zwar auch dann, wenn noch Schlupflöcher übrig sind und die Daten theoretisch erreichbar wären. Die Sensibilität für Online-Privatsphäre ist gestiegen. Wer das nicht respektiert, geht Image-Risiken ein, die langfristig erheblich schaden.
5. „Ich bin nicht auf Facebook“
Ad-Blocker sind so beliebt wie nie zuvor, ausgerechnet bei der für Marken so attraktiven Zielgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Nicht wenige Online-Medien rufen etwas verzweifelt dazu auf, die Ad-Blocker doch bitte abzuschalten, sonst kommt doch kein Geld rein und sonst gibt es bald keinen Content mehr. Viele Nutzer interessiert das nicht. Für Online-Marketer wird es schwer werden, diese ablehnende Haltung zu überwinden. Facebook hat bereits reagiert und will werbendem Content weniger organischen Platz im Newsfeed einräumen.
Alle Trends brauchen einen Ort, an dem sie sich kristallisieren können. Für die deutsche digitale Bohème gibt es die re:publica, für den Liebhaber mobiler Gadgets gibt es den Mobile World Congress und für AntiDigital Natives gibt es den digitalen Detox-Urlaub. Werbung blockieren reicht ihnen nicht, sie blockieren gleich ihre ganze digitale Existenz mit fehlendem Empfang in abgelegenen Regionen beim Meditieren und Handwerken. In den USA gibt es bereits ein vielbeachtetes Unternehmen, dass sich sehr erfolgreich unter dem Motto „Disconnect to Reconnect“ um solche organisierten Trips in Tech-Wüsten kümmert. Technologie ist so omnipräsent geworden, dass sich „Ich bin nicht auf Facebook“ zu einem echten Lifestyle-Statement mausert. Der echte Hipster braucht kein iPhone mehr – er entsagt dem Smartphone gleich ganz. Vielleicht muss sich Tech-Marketing radikal verändern: Weg von Innovationskommunikation hin zu Marken, die echte menschliche Erfahrungen ermöglichen. In jedem Fall entwickelt sich eine Branche, die die Bedürfnisse der Technologie-Entsager im Visier hat.