Von Armin Hingst
Wir reiben uns manchmal selbst die Augen, wenn wir die Marktforschungs-Zahlen für unser Management aufbereiten, so stark ist seit 2015 unser Wachstum“, beschreibt Marketingleiter Torsten Matthias die aktuelle Lage beim Tiefkühlkosthersteller Frosta. Derartige Wachstumszahlen, wie man sie vielleicht von Start-Ups kennt, waren bis vor wenigen Jahren alles andere als absehbar für die AG mit Sitz in Bremerhaven und weiteren Produktionsstandorten im Elbtal, im Rheintal und in Polen. Damals wähnte man sich strategisch auf dem richtigen Weg, doch so rechte Erfolge wollten sich kaum einstellen. Erst seit kurzem zahlt sich aus, dass das Frosta-Management cool geblieben ist.
Keine Aromazusätze, keine Geschmacksverstärker, keine Stabilisator-Zusätze
„Dabei dachten wir schon 2002, wir hätten alles richtig gemacht“, blickt Matthias zurück. Schon damals nämlich setzte Frosta auf eine neue, mit Transparenz und Nachhaltigkeit operierende Produktpolitik, um aus „der Sandwichposition im Markt zwischen den großen Konzernmarken und den preiswerten Discounter-Angeboten“ herauszukommen. Die hatte nämlich den Marktanteil erheblich gedrückt. Frosta war zuvor in den neunziger Jahren noch Marktführer bei den tiefgekühlten Komplettgerichten gewesen. Das war seinerzeit auch nicht ü
berraschend, hatten die Entwickler des Unternehmens doch die „Technologie für Tiefkühlfertiggerichte erfunden“, wie Matthias berichtet. 2002 aber setzte die Talfahrt ein, die Frosta unbedingt stoppen wollte. Nicht nur kommunikativ, sondern mit einer rund-erneuerten Produktpalette bei der Eigenmarke: Das Frosta-Reinheitsgebot war geboren. Keine Aromazusätze, keine Geschmacksverstärker, keine Stabilisator-Zusätze, so lautete der Kern des Gebots. Was einfach klingt – sozusagen Kochen wie Zuhause, mit frischen Zutaten und ohne Zusätze – das ist für einen Lebensmittelhersteller allerdings mit hohen Investitionen verbunden. Neue Verfahren mussten gefunden, Teile der Produktion gar neu errichtet werden. Matthias: „Wir wollten, dass sich die Produktion dem Lebensmittel anpasst, nicht mehr umgekehrt.“ Das Reinheitsgebot brachte enorm viel Furore nicht nur in der Fachpresse mit sich. Auch Umfragen bestätigten: Über 80 Prozent der Verbraucher hielten das neue Bekenntnis für glaubwürdig, und über 90 Prozent gaben an, Frosta-Produkte kaufen zu wollen. Bei vielen war das wohl eher ein Lippenbekenntnis, denn die Kunden zeigten Frosta völlig überraschend die kalte Schulter.
Erstmalig Verluste in Frostas Firmengeschichte
Statt zu steigen, sank der Marktanteil weiter, so trugen 2003 nur noch knapp 17 Prozent aller verkauften TK-Fertiggerichte das Frosta-Logo, 2002 waren es noch über 20 Prozent. Veränderte Kommunikation – so war der Frosta-Koch Peter aus der TV-Werbung verbannt worden –, vor allem aber eine unsensible Preispolitik, das machten die Frosta-Strategen im Nachhinein als Gründe für die Flaute aus, wie Torsten Matthias sagt. „Mit dem Packungspreis von über drei Euro hatten wir zudem damals eine magische Grenze überschritten.“ Das Handelsblatt zitierte 2009 den Betriebsratsvorsitzenden Jürgen Schimmelpfenning mit den Worten: „Sie können aus einem VW nicht einfach so einen Mercedes machen.“ Der zurückgehende Absatz hatte Folgen, Frosta machte erstmals in der Firmengeschichte Verluste. Mitarbeiter mussten gehen, der Vorstand wurde ausgewechselt. Firmengründer Dirk Ahlers stieg wieder ein und brachte seine Kinder Felix und Friederike mit. Felix Ahlers, nun fürs Marketing zuständig, hatte Ende der 80-er Jahre im Pariser „Le Bristol“ Koch gelernt, bevor er Volkswirtschaft in Paris und dann MBA in Chicago studierte. Die Leidenschaft für gute Zutaten wollte er auch in der Lebensmittelindustrie nicht aufgeben – so hielt die Eigentümerfamilie selbst in den schwierigen Jahren nach der Umstellung am ursprünglichen Kurs fest.