Um zu erkennen, welche Marketing-Maßnahmen auch nach Abschaffung der ZugabeVO gefährlich werden können, ist eine Systematisierung der im Zusammenhang mit der ZugabeVO in Rede stehenden Maßnahmen notwendig, da schon kleine Unterschiede großen Einfluss auf die rechtliche Bewertung haben können. Denkbar sind hier folgende Verkaufsstrategien, die nachfolgend einzeln behandelt werden:
- die Zugabe
- die Werbegabe
- die Probegabe
- das Koppelungsgeschäft
- das Vorspannangebot
- Das Parkhaus bietet seinen Kunden unentgeltliche Autowäsche an.
- Der Käufer eines Motorrads erhält unentgeltlich einen Helm.
- Ein Stromunternehmen gewährt Bonuspunkte für Strom, wenn Eintrittskarten für bestimmte Veranstaltungen bezogen werden (keine kostenlose Nebenware).
- Wertverhältnis zwischen gekaufter Ware und Vergünstigung.
- Person des Kunden (privater Verbraucher oder Kaufmann).
- Art der Vergünstigung (Geldzuwendungen üben grds. einen stärkeren Kaufreiz aus als Sachzuwendungen).
- der „psychologische Kaufzwang“ und
- das „übertriebene Anlocken“
- Besonders wertvolle Geschenke und Geldgeschenke generell.
- Die Ausgabe von Werbegaben im Geschäft (Bsp.: Kostenloses Frühstück im Möbelcenter, Kostenlose Blutdruckmessung in der Apotheke, Gutschein für einen Hamburger).
- Die Veranstaltung von Gewinnspielen in Zusammenhang mit dem Verkaufsgeschäft (Bsp.: Suche nach Lösungshinweisen im Ladenlokal).
- Nur verbrauchbare Waren dürfen zu Probezwecken verteilt werden.
- Grundsätzlich sollte sich die Warenprobe von der eigentlichen Ware deutlich – insbesondere mengenmäßig – unterscheiden.
- Die Verteilung von Warenproben sollte zeitlich und mengenmäßig im Rahmen gehalten werden.
- Eine versteckte Koppelung ist unzulässig, wenn branchenfremde Waren gekoppelt werden. Unerheblich ist dabei, ob diese Waren gebrauchsnah sind.
- Eine offene Koppelung ist unzulässig, wenn branchenfremde und gebrauchsfremde Waren gekoppelt werden.
- In keinem Fall darf die Preisvergünstigung der einen Ware durch eine Verteuerung der gekoppelten Ware aufgefangen werden.
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Dazu nun im Einzelnen:
Die Zugabe
Eine Zugabe liegt vor, wenn eine kostenlose oder zum Schein gering bezahlte Nebenware oder –leistung für den Fall gewährt wird, dass der Kunde eine andere Ware kauft.
Beispiele:
li>Der Hersteller von Heizkesseln gewährt umsatzabhängig Reisegutscheine.
Gegenbeispiel:
Wenn die Vergünstigung einen Kaufreiz ausübt, der geeignet ist, die Entschließung des Kunden zu verfälschen, dann ist die Zugabe wegen Ausübung eines „rechtlichen Kaufzwangs“ wettbewerbswidrig. Kriterien hierfür sind etwa:
Achten Sie also generell darauf, dass die Zugabe im Verhältnis zur Hauptware nicht allzu verlockend wirkt. Wegen des hohen Grades an zu erwartender Kundenbindung interessant und zulässig könnte hingegen die Einführung eines Prämiensystems, wie in unserem Gegenbeispiel beschrieben, sein.
Die Werbegabe
Wird die unentgeltliche Zugabe unabhängig vom Bezug einer Hauptware verteilt, so handelt es sich um eine sog. „Werbegabe“. Bei dieser scheidet ein rechtlicher Kaufzwang aus, da der Verbraucher eben die Hauptware gerade nicht kaufen muss.
Allerdings sind hier gleichwohl zwei Aspekte zu beachten, unter denen Werbegaben wettbewerbswidrig sein können und zwar
Kurz zusammengefasst dürfen die Werbegabe und die äußeren Umstände ihrer Vergabe nicht so beschaffen sein, dass der Verbraucher sich entweder aus Anstand oder Peinlichkeit verpflichtet fühlen könnte, einen Kauf beim Werbenden zu tätigen oder durch ein Übermaß von Vorteilen zum kritiklosen Kauf verleitet wird.
Schließlich dürfen Verbraucher auch nicht in Situationen „verstrickt“ werden, bei denen sich der Kauf der Ware praktisch aufdrängt.
Vermeiden Sie also im Rahmen Ihrer Werbemaßnahmen:
Die Probegabe
Bei Probegaben scheidet ein rechtlicher Kaufzwang und auch ein psychologischer Kaufzwang aus, denn der Verbraucher muss nichts kaufen, um die Probegabe zu erhalten und er nimmt auch die Mühe und das Risiko einer Erprobung auf sich, so dass Anstands- oder Peinlichkeitsgefühle nicht aufkommen. Da es jedoch wettbewerbswidrig ist, die eigentliche Ware, die üblicherweise verkauft wird, zu verschenken, muss bei Probegaben der Erprobungszweck erkennbar sein. Andernfalls wird die Marketingaktion schlicht als ein unzulässiges Verteilen der Hauptware interpretiert.
Kriterien für die Erkennbarkeit des Erprobungszwecks sind:
Das Koppelungsgeschäft
Ein Koppelungsgeschäft liegt vor, wenn mehrere Waren oder Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis angeboten werden. Für die Frage der Zulässigkeit muss dabei danach unterschieden werden, ob auch die Einzelpreise genannt sind (sog. „offene Koppelung“) oder nicht (sog. „verdeckte Koppelung“).
Eine verdeckte Koppelung ist wettbewerbsrechtlich problematisch, weil sie den Preisvergleich zwischen miteinander in Konkurrenz stehenden Waren erschwert bzw. unmöglich macht. Dem Schutz der Preisvergleichsmöglichkeit des Verbrauchers wird im Deutschen Wettbewerbsrecht große Bedeutung beigemessen. Die PreisangabenVO etwa dient nahezu ausschließlich diesem Schutz. Eine offene Koppelung ist daher weit weniger problematisch, da Preisvergleiche weiter möglich sind. Allerdings besteht hier die Gefahr einer Preisverschleierung, weil etwa die eine Ware besonders günstig angeboten werden kann, während die Differenz wieder bei der Bemessung des Preises für die andere Ware ausgeglichen wird, so dass der Verbraucher nur einen scheinbaren Vorteil hat. Zudem müssen auch bei der offenen Koppelung die zusammen angebotenen Waren ein Mindestmaß an Gebrauchsnähe aufweisen (Bsp: Teetasse und Tee, Tischdecke und Servietten, Tabakspfeife mit Tabak), da ansonsten unzulässige Vorspannangebote vorliegen (vgl. dazu unten).
Zu beachten ist daher:
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Tabakpfeife und Tabak dürfen daher offen, nicht jedoch versteckt gekoppelt werden, da diese Waren branchenfremd, jedoch gebrauchsnah sind.
Das Vorspannangebot
Das Angebot „2 rustikale Brettchen 1,10 Euro beim Kauf von 500 Gramm Tschibo-Kaffee“
stellt ein typisches unzulässiges Vorspannangebot dar. Hierbei werden Waren gekoppelt, die miteinander Nichts zu tun haben. Sie sind branchen – und gebrauchsfremd (s.o.). Derartige Koppelungen sind generell zu vermeiden.
Fazit
In der für den Juristen nicht gerade untypischen kleinlichen Differenzierung von verschiedenen Zugabeformen entscheidet sich auch nach Abschaffung der Zugabeverordnung die Frage, was im Bereich des Marketing erlaubt ist. Von einer „freien Bahn“ für das Sales-promation wird man auch nach Abschaffung der ZugabeVO nicht sprechen können.