Frank Dopheide startet Purpose-Agentur human unlimited

Am 02.02.2020 startet Frank Dopheide seine neue Agentur human unlimited im Düsseldorfer Medienhafen. Achtung: Frank war zuletzt Sprecher der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group und damit auch der oberste Boss der absatzwirtschaft. Wir sind also nicht objektiv. Sollte Ihnen dieses Interview deshalb irgendwie spanisch vorkommen: fragen Sie ihn einfach selbst dopheide@humanunlimited.de
Frank Dopheide hat große Pläne: "Wir kümmern uns um drei Themen: Purpose, CEOs und die Energetisierung." (© Dopheide)

Der Begriff Purpose wird momentan inflationär benutzt. Du gründest nun eine Agentur, die sich auf dieses Thema fokussiert. Warum?

FRANK DOPHEIDE: Mir ist aufgefallen, dass die Wirtschaft mit ihrer Konzentration auf Profit und Shareholder Value den Großteil der Menschen verloren hat. Nummer eins: die eigenen Mitarbeiter. 60 Prozent der Angestellten haben keine Bindung mehr an den Laden, für den sie arbeiten. Nummer zwei: die Kunden, die nur noch dahin gehen, wo sie etwas am günstigsten bekommen. Und Nummer drei – und das ist der gefährliche Teil – die gesellschaftliche Akzeptanz.

Hat das für Unternehmen denn spürbare Konsequenzen?

Wir hatten auf dem Bankengipfel [eine Veranstaltung des Handelsblatts im September 2019, Anm.d.Red.] Larry Fink, den größten Investor der Welt, er verwaltet 6,9 Milliarden Dollar und ist in jedem DAX-Konzern investiert. Larry hat am Abend vor dem Gipfel alle DAX-CEOs zu sich gerufen und eine Stunde über Purpose geredet. Da ist mir aufgefallen: Für die großen Investoren ist nicht mehr die Digitalisierung die Gefahr, ist auch nicht mehr China die Gefahr, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz. Sinkende Akzeptanz ist bedrohlich, weil unkalkulierbar, und insofern schauen die großen Investoren jetzt auf das Thema Purpose und fordern, dass Unternehmen in Zukunft neben Profit und Umsatz auch Social Value dokumentieren.

Was wäre denn so ein Social Value?

Dieser Wert könnte bemessen, wie viele Arbeitsplätze ein Unternehmen geschaffen hat, was seine Produkte für die Welt getan haben und wie nachhaltig es handelt.


human unlimited

Start: 02.02.2020
Feste Mannschaft: Acht Köpfe, darunter Designer, Storyteller, Researcher, Strategen, Projektmanager, Soziologen
Geschäftsmodell: Purpose in 100 Tagen samt Kommunikationsprogramm für den CEO und Energetisierungs-Fahrplan
Kosten für den Kunden: 200.000 Euro
Zielzahl Kunden: maximal zehn Kunden. Wenn einer raus geht, kann der nächste rein.

Startkunden: Bayer 04 Leverkusen, Kienbaum, Media Pioneer Publishing, Telekom Deutschland, UniCredit, Xella



Du hast eben selbst gesagt, dass Kunden dahin gehen, wo sie etwas am günstigsten bekommen.Glaubst Du, dass der Social Value den Menschen wichtiger ist als der Preis?
Ja. Guck Dir die Millennials an. Die kriegst Du nicht mehr für Gehalt. Die kriegst Du auch wegen Greta & Co für bestimmte Angebote nicht mehr. Es gibt eine gesellschaftliche Wertewende. Weil jetzt der Druck auch von den großen Investoren kommt, kann sich etwas bewegen. Die Unternehmen haben sich endoptimiert. Sie haben alles outgesourct, was sie outsourcen konnten. Und sie haben ein Problem, weil sie die Menschen verloren haben. Wie willst Du einen führen, wenn keiner da ist? Wie willst Du einem etwas verkaufen, wenn es keinen mehr gibt? So, und deshalb brauchen Unternehmen jetzt eine neue Leitidee.

Und deshalb die neue Agentur?
Genau. Wir kümmern uns um drei Themen: Das eine ist Purpose, also: Was ist der Grund für ein Unternehmen? Das zweite Thema: Wenn wir den Grund haben, muss ihn jemand in die Welt bringen, das ist der CEO. CEOs müssen ganz anders kommunizieren als bisher. Nämlich wie Menschen und nicht wie Funktionsträger. Das müssen sie lernen.

Zwischenfrage: Können CEOs das?
Manche sind talentiert. Aber es gibt viele, und die kommen meist aus dem juristischen und CFO-Kontext, bei denen man denkt, sie seien Autisten. In Zeiten wie diesen, in denen die Transformation und die Unsicherheit so groß sind, ist Kommunikation ein Wettbewerbsvorteil.

Und das dritte Thema?
… ist die Energetisierung. Also wie in aller Welt Unternehmen ihre eigenen Leute noch energetisieren können. Human unlimited heißt auch deshalb human unlimited, weil sich der Mensch dadurch von Tieren unterscheidet, dass er sich und seine Welt verändern kann. Menschen können an die absurdesten Dinge glauben. Also ich zum Beispiel glaube, Schalke könnte Meister werden. Wenn die Menschen den Glauben an das eigene Handeln verlieren, an das, was sie Tag für Tag tun, dann ist alles weg. Dann ist Commitment weg, dann ist Kreativität weg, dann ist Empathie weg, dann ist Risikofreude weg, dann ist Ideenreichtum weg. Darum beschäftigen wir uns auch damit, was Unternehmen ändern müssen, damit die Menschen den Glauben, an das, was sie tun, wiederfinden. Und damit, wie sie das gut kommunizieren, gut erzählen, denn die Menschen lieben Storytelling.

Warum glaubst Du, dass die McKinseys, Boston Consultings und andere Beratungen das nicht können?
Weil sie zu schematisch denken, weil sie prozessorientiert, weil sie noch „Human Resources“ denken – als wären wir eine Ressource, die man bauen kann. Sie vergessen alle die Verletzlichkeit, Empfindlichkeit, Ängstlichkeit. Wir glauben, der Mensch ist „the next big thing“. Wir müssen den Menschen wieder zurück in die Wahrnehmung nehmen. Nummer eins den Kunden, Nummer zwei den Mitarbeiter, Nummer drei die Gesellschaft.

Hat überhaupt jedes Unternehmen einen Purpose?
Die UN hat 17 kluge Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert und wenn ein Unternehmen keins davon auch nur irgendwo berührt, sollte es sich Fragen stellen. Unternehmen müssen sich selbst infrage stellen und sie müssen es anders tun als bisher. Es ist eben nicht eine Rechenformel, es ist nicht Optimierung, es lässt sich eben nicht in einer Excel-Tabelle und mit Powerpoint-Charts lösen. Deshalb glauben wir, braucht es eine neue Form von Angebot, die es so bisher nicht gibt – mit Leuten, die eigentlich aus der Kreativität kommen, die Empathie und Kommunikationsfähigkeit haben, die bestimmte Dinge visualisieren, verbalisieren und damit greifbar machen können.

Wieso brauchen Unternehmen eine Agentur, um ihren Purpose zu finden? Wenn sie ernsthaft eine Sehnsucht nach Sinn verspüren, müssten sie doch in der Lage sein, eben diesen Sinn zu formulieren.
Das ist ein bisschen wie Paartherapie. Also: Du hast schon etwas in Dir, aber Du brauchst einen, der von außen draufguckt, und ein bisschen sortiert und Dinge anstößt, damit du deinen eigenen Weg findest.

Dieser Interview ist auch in unserer aktuellen Print-Ausgabe absatzwirtschaft 01-02/2020 erschienen. Diese und weitere Ausgaben oder ein kostenloses Probeabo der absatzwirtschaft können Sie hier bestellen.

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“