Das Internet als Vertriebskanal ist aus dem Absatzinstrumentarium nicht mehr wegzudenken. Gerade nach dem Scheitern der reinen Verkaufsaktivitäten über das Internet, auch E-Commerce genannt, fokussieren viele Anbieter das Web als zusätzlichen Vertriebskanal. Unter dem Schlagwort Multichannel-Marketing bemühen sich Unternehmen daher heute, stationäre und Online-Aktivitäten in Einklang zu bringen. Auch wenn die Umsätze noch nicht so kräftig sprudeln wie gewünscht, bekommen die Online-Umsätze zunehmend Gewicht: Immerhin orderten in Deutschland im Jahr 2001 bereits insgesamt 12 Millionen Kunden Waren im Wert von 4,3 Milliarden Euro.
Franchise-Systeme in der Defensive
Doch ausgerechnet Unternehmen, die sich dem außerordentlich absatzorientierten Konzept des Franchisings verschrieben haben, scheuen häufig vor diesem Vertriebsweg zurück. So bestätigt ein Sprecher des Deutschen Franchiseverbandes e.V. in Berlin: „Die Franchisebranche tut sich beim Thema Online-Shops derzeit noch schwer, obwohl es bereits erfolgreiche Beispiele wie obi@otto gibt.“ So schafften beispielsweise Vom Fass und Baby One ihre bereits bestehenden Online-Shops wieder ab. Der eine, weil die Partner nicht mitzogen, der andere weil der Dienstleister in die Knie ging.
Auch große oder etablierte Systeme wie Quick-Schuh, PC Spezialist oder Marc O´Polo trauen sich derzeit noch nicht an das Thema. Lediglich Produkte können angeschaut, ein Katalog oder mal ein einzelnes Produkt können bestellt werden. In der Regel wird aber auf die stationären Shops vor Ort verwiesen. Zwar lassen sich längst nicht überall Online-Shops angliedern – wie beispielsweise bei einigen Dienstleistungen – aber 37 Prozent der immerhin über 800 Franchise-Systeme in Deutschland sind im Handel tätig und damit prädestiniert für den Verkauf über das Web.
Wo liegen also die Gründe für den häufig zögerlichen Einsatz des E-Commerce? Nach Expertenmeinung lassen sich insgesamt drei Ursachen nennen:
– mangelnde Marketingkompetenz
– rechtliche Regelungen und
– finanzielle Aspekte.
Schwache Marketing-Kompetenz
Das Centrum für Franchising und Cooperation (F&C) fand bereits im Jahre 2000 im Rahmen einer Zufriedenheitsanalyse von Franchise-Nehmern heraus, dass es um die Marketing-Kompetenz in den Systemzentralen nicht gut bestellt ist. Zwar waren nur 5 Prozent der befragten 520 Franchise-Nehmer aus 16 Systemen wirklich unzufrieden mit ihren Systemzentralen, aber mit einer durchschnittlichen Zufriedenheit von 3,65 (bei einer 7-Skala) bei den Dienstleistungen rund um die nationale Werbung stellen die Franchise-Partner dem Geber in Sachen Marketingkompetenz eine eher schlechte Note aus.
Daher kann es nicht verwundern, dass die Wichtigkeit des Multichannel-Ansatzes in vielen Zentralen schlicht noch nicht erkannt wurde. Denn unabhängig von den möglichen finanziellen Rückflüssen für das eigene System, erwarten Kunden heute nicht nur eine Online-Präsenz, sondern bei entsprechenden Produkten und Dienstleistungen auch einen Online-Shop im Web. Das heißt, der Onlineverkauf wird auch zu einem unverzichtbaren Marketing-Instrument, um die Bekanntheit zu steigern und das eigene Profil zu schärfen.
Rechtliche Hürden
Den Franchise-Gebern muss man allerdings zugute halten, dass Online-Shops auch an rechtlichen Hindernissen scheitern. Denn sobald die Franchise-Zentrale einen Internetshop aufbaut, verkauft sie automatisch in das Verkaufsgebiet des Franchise-Nehmers. Gerade wenn dieser einen vertraglich fixierten Gebietsschutz hat, stellt ein Online-Shop zunächst eine Vertragsverletzung dar, wie unter anderem das Landgericht Berlin feststellte. Obwohl die neue Gruppenfreistellungsverordnung vergleichsweise liberal ist, hört der Spaß automatisch dann auf, wenn Umsatz im Gebiet des Franchise-Partners abgeschöpft wird.
Denn gerade die Standortanalyse, die zu Anfang durch den Franchise-Geber für den Partner durchgeführt wird, um sicher zu gehen, dass genügend Kaufkraft im Absatzgebiet vorhanden ist, wird möglicherweise durch aktive Zusatzverkäufe in das jeweilige Verkaufsgebiet ad absurdum geführt. Franchise-Berater Reinhard Wingral bringt es auf den Punkt: „Der Internetverkauf kostet den Franchise-Nehmer zunächst Umsatz.“ Also stellt der Systemgeber im Zweifel das Marketing hintenan, nicht nur zum Erhalt des Umsatzes, sondern auch um keinen Konflikt mit den Partnern heraufzubeschwören.
Bei den Systemen, die dennoch einen Online-Shop aufgebaut haben, kristallisieren sich grundsätzlich zwei Verfahrensweisen heraus: Zum einen werden häufig potenzielle Kunden über das Internet direkt an den jeweiligen Partner vermittelt oder aber beim Verkauf über Internet wird eine Provision für den Franchise-Nehmer im jeweiligen Verkaufsgebiet fällig.
So bekommt der TUI Reisecenter-Partner, wenn der Kunde sich im Internet für sein Reisebüro zur Abwicklung entscheidet, eine pauschale Provision in Höhe von fünf Prozent. Dennoch waren die TUI-Franchise-Partner im Anfang zunächst verunsichert. Doch es zeigte sich, dass der Reisekonzern mit dem Onlineshop neue Kunden gewann, die sonst nicht ins Reisebüro gekommen wären. Insofern sorgt das Internet für Zusatzumsatz, von dem alle partizipieren können.
Provisionen nicht immer praktikabel
Auch die größte europäische Verbundgruppe für TV, Video, HiFi, Telecom, PC/Multimedia und Elektro, Electronic Partner (EP), der in Europa derzeit über 6 000 selbstständige Einzelhändler angehören, führt seinen Partnern die Provisionen aus Umsätzen in den jeweiligen Vertragsgebieten zu.
Im EP-Netshop kann online gekauft und bezahlt werden mit anschließender Lieferung der Ware durch die Post oder aber die Kunden bestellen im Netz und holen dann die Ware beim Fachhändler in ihrer Region ab.
Inzwischen machen rund 500 EP-Geschäfte mit, so dass eine deutschlandweite Abdeckung gegeben ist. Konflikte werden dadurch vermieden, dass die Händler bei reinen Online-Käufen prozentual am Umsatz beteiligt sind, indem jeder Online-Auftrag über die Postleitzahl des Kunden automatisch dem nächstgelegenen EP-Netshop-Händler zugewiesen wird. Außerdem hält die Verbundzentrale noch ein kleines Schmankerl bereit, denn die Händler bekommen bei Teilnahme am EP-Netshop zu geringen Kosten, nämlich 50 Euro im Monat, einen eigenen, professionell gestalteten Online-Shop, der ihnen am Ende wieder hilft, noch besser zu verkaufen.
Allerdings ist eine Zurechnung von Provisionen nicht immer sinnvoll und möglich, insbesondere im Einzelhandel, wenn mehrere Partner innerhalb eines Verkaufsgebietes agieren und sich daher die Provision nur schwer auf ein einzelnes Geschäft herunterrechnen lässt. Eine interessante Alternative hat daher „Tee Gschwendner“ (ehemals „Der Teeladen“ )entwickelt: Das Vorzeigesystem aus Meckenheim hatte im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Relaunch der Läden den Online-Shop nach fast dreijähriger Testphase, an der sechs Partner beteiligt waren, endgültig in Betrieb genommen.
Internet als Marketingaufwand
Das Erstaunliche dabei: Der Tee wird online von der Zentrale in alle Winkel der Bundesrepublik versendet, aber die betroffenen Partner erhalten dafür keine Provision oder Ausgleich. Die Zentrale vereinbarte lediglich, dass auf jeder Rechnung, die an den Kunden rausgeht, die drei für ihn nächstgelegenen Läden aufgeführt werden. Die Einnahmen aus dem Shop selber gehen aber und das ist das entscheidende Argument für den Partner, in den gemeinsamen Werbepool des Systems. Da das Internet an sich als Marketingmaßnahme gewertet wird, fließen die Einnahmen folgerichtig wieder ins Zentralmarketing des Systems mit dem Ergebnis, dass Tee Gschwendner online für Kunden präsent ist und seinem Marketingauftrag gegenüber seinen Partner gerecht wird, ohne sich in einem Konflikt zu zerreiben.
Zudem führt Karen Gajewski, Geschäftsführerin für Franchiseentwicklung bei Tee Gschwendner, als Erfolgsfaktoren für das Gelingen eines Online-Shops „das rückhaltlose Vertrauen der Partner in die Systemführung sowie die gläserne Transparenz des Franchise-Gebers gegenüber seinen Partnern“ ins Feld. Sobald die Partner das Gefühl haben, es werde an ihnen vorbei ein Vertriebsweg aufgebaut, möglicherweise sogar mit anderen Preise, wie damals Yves Rocher, sei das Scheitern vorprogrammiert.
Auch Manfred Maus, Aufsichtsratsvorsitzender der OBI AG, betont, dass Franchising in eine Vertrauenskultur eingebettet sein muss. Das heißt auch: Nicht Hierarchie, sondern Demokratie ist beim Baumarktriesen angesagt. Aber Obi belässt es nicht beim Vertrauen, denn die Obi-Franchise-Nehmer werden unmittelbar am Ertrag des obi@otto-Shops – proportional zu ihren jeweiligen Umsätzen – beteiligt. Die Partner freut es, denn der Online-Shop konnte im letzten Jahr bereits 140 Millionen Euro umsetzen. Zudem nutzt man die Internetpräsenz um auf den nächstgelegenen Obi-Markt hinzuweisen, denn in aller Regel wolle der Kunde gerade Baumarktartikel dann doch noch einmal in Augenschein oder die Hand nehmen.
Internet als Verkaufsplattform
Aber selbst wenn die Partner noch nicht unmittelbar am Internetbusiness beteiligt sind, schaffen es einige Systemzentralen, ihren Partnern die Notwendigkeit des Verkaufens im Internet schmackhaft zu machen. So bietet die Spielwarenverbundgruppe Vedes seinen Partner als Benefit lediglich die Suche des nächstgelegenen Vedes-Händlers über die zentrale Website. Die im Online-Shop erzielten Umsätze verbleiben jedoch noch in der Zentrale und sollen für den Ausbau weiterer Internet-Aktivitäten verwendet werden. Denn ohne den Vedes-Shop käme der Umsatz, der online getätigt wird, anderen Spielwarenanbietern im Netz zugute, ist sich Stephan Bercher, Geschäftsführer der Vedes Online GmbH, sicher. „Wir sehen den Vedes Online-Shop nicht als reine Verkaufsplattform, sondern auch als Infotool für den Kunden, der sich in aller Ruhe, die nötigen Informationen über die Welt der Spielwaren beschaffen kann. Ob er dann online bestellt oder in eines der 400 Vedes-Fachgeschäfte vor Ort geht, ist in diesem Falle sekundär, wichtig ist, dass er die Marke Vedes auf allen Vertriebskanälen wiederfindet“, so Bercher weiter. Dennoch steht die Zentrale der Genossenschaft unter einem erheblichen Druck, denn ähnlich wie die Franchise-Partner fürchten auch die Genossen um ihren Umsatz.
Sich dessen bewusst gründete Europas größter Einzelhändler für Tiernahrung und -zubehör, die Fressnapf Tiernahrungs GmbH, Ende 2000 eigens eine Online AG, an der die Franchise-Partner Anteile halten können. Aktuell wurde der Online-Shop wieder geschlossen. Das Modell ist aber betrachtenswert, denn über 200 Franchise-Nehmer hielten 25 Prozent des Aktienkapitals der Gesellschaft, waren also unmittelbar beteiligt. Zusätzlich sicherte sich die Fressnapf-Systemzentrale allerdings mit einer Vereinbarung ab, in der die Partner mit ihrer Unterschrift die Online-Aktivitäten ausdrücklich billigten und den Gebietsschutz auf den stationären Kanal beschränkte. Insofern hat sich der Fressnapf-Geschäftsführer Torsten Toeller auch vertraglich abgesichert. Dabei bleibt bei allen Online-Aktivitäten, dass die wirtschaftlichen Interessen des Franchise-Nehmers nicht übermäßig beeinträchtigt werden dürfen.
Im wahrsten Sinne des Wortes virtuelle Shops
Lösungen bieten hier auch technische Helfer, die helfen, den Umsatz zuzuordnen: So genannte Collaborative Selling-Programme (zu deutsch: gemeinsames Verkaufen), also webbasierte EDV-Lösungen, ermöglichen dem Franchise-Partner, seinen „eigenen“ Internetshop zu führen. Die Endkunden glauben zwar, sie würden von der zentralen Website des Franchise-Systems zum jeweiligen E-Shop des Franchise-Partners geleitet. De facto ist dieser aber weiterhin mit der Systemzentrale verbunden, die dann bei Kauf der Ware durch den Kunden die Rechnungsstellung und Auslieferung vornehmen kann.
Genauso ist aber denkbar, dass der Kunde eine Bestellung auslöst, so dass das Warenwirtschaftssystem eine Auslieferung an den jeweiligen Partner vornimmt, bei dem der Kunde sich dann das Produkt wiederum im Laden abholen kann. Der Franchise-Nehmer muss also kein großes Bestellwesen haben oder etwaige Logistik organisieren und dennoch fällt dem Partner der Umsatz zu.
Egal ob Collaborative Selling-Lösung oder der systemweite Web-Shop: Allen Lösungen gemeinsam ist letztlich, dass die Abwicklung der Leistung oder die Zustellung der Ware überwiegend zentralseits erfolgt. Karen Gajewski betont. „Die Partner sind meistens gar nicht in der Lage administrativ und logistisch die Auslieferung der online bestellten Waren zu leisten, insbesondere dann, wenn das Bestellvolumen stark anwächst und weitere Mitarbeiter für den Versand nötig werden.“
Hinzu kommt, dass die Kunden im Internet einen einheitlichen Standard für alle Geschäfte
in der Bedienung und Belieferung erwarten, den in der Regel nur die Zentrale leisten kann. Dies gilt ganz besonders, wenn der Franchise-Geber bereits im Ausland aktiv ist.
Zu wenig Investitionsmittel
Für die Zentrale ist die Auslieferung dagegen ein Klacks. Neben dem Lager, aus dem die Tee Gschwendner-Partner bedient werden, gibt es noch ein kleines Lager für die Endkundenbestellungen, von dem aus über die bereits vorhandene Logistik die Waren ausgeliefert werden.
Aber selbst wenn Verbundgruppen oder Franchise-Systeme die Organisation des Internetkaufs im Griff haben, bleibt immer noch ein Problem: Collaborative Selling-Lösungen und Online-Shops sind natürlich nicht umsonst zu haben. Es geht nicht, ohne richtig „Geld in die Hand zu nehmen“, wie Gajewski betont.
Das ist aber ein weiterer Knackpunkt in Systemen. Viele Franchise-Zentralen sind chronisch unterfinanziert und diese Investition, die leicht im sechsstelligen Eurobereich liegen kann, amortisiert sich auf absehbare Zeit nicht so rasch. Trotzdem ist der Aufbau des Internetvertriebsweges aber im Rahmen des zentralen Marketings und seiner Pflicht zur Weiterentwicklung des Systems zwingend eine Aufgabe des Gebers. Dennoch scheinen sich viele Systemgeber bei dem Gedanken zu beruhigen, dass die Zeit für E-Commerce noch nicht reif ist.
Fazit
Aber letztlich sieht nicht nur Tee Gschwendner das Online-Geschäft zunächst unter Marketinggesichtspunkten. Die Kunden möchten auf verschiedenen Absatzkanälen abgeholt
werden. Wie gesagt, die Systemzentralen haben immerhin schon kraft ihrer Funktion die Aufgabe, alle möglichen Marketing-Instrumente zur Verfügung zu stellen oder auszuschöpfen zur Entwicklung und Stärkung der Marke.
Für die Franchise-Systeme kann es also nicht darum gehen, Tee zu trinken und abzuwarten, denn Möglichkeiten gibt es mittlerweile viele, wie Franchise-Nehmer und -Geber gütlich miteinander auskommen können und trotzdem nicht die Chance des Multichannel-Management verpassen müssen.
Autor: Christian Thunig
eingestellt am 20. Januar 2003