Marken-Award 2023 – Die Finalisten: Retro-Feeling mit Fisherman‘s 

Bis zur Verleihung des Marken-Award am 16. August in Düsseldorf stellen wir die neun Finalisten in drei Kategorien vor. Heute: Fisherman’s, nominiert in der Kategorie „Markenführung“.
markenaward-Fischermans-Friend-1
Aus „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“ von 1996 wurde "Sind sie zu stark?" im Jahr 2022. (© CFP Brands)

Retro-Werbung liegt im Trend. Gerade ist der „Kleine Hunger“ von Müller-Milch nach dreijähriger Pause auf den Bildschirm zurückgekehrt. Die Hamburger Biermarke Astra lässt ihre Kultkampagne „Was dagegen?“ von 1998 wieder aufleben. Auch Henkel und Unilever surfen auf der Nostalgie-Welle und legen Kampagnen aus den 80er Jahren neu auf; Henkel mit einem Remake des ikonischen Perwoll-Spots aus den 80er Jahren, Unilever mit dem Langnese-Werbesong „Like Ice in the Sunshine“ in einer neuen Interpretation von Nico Santos. Selbst Raider, das doch eigentlich seit 1991 Twix heißt, feiert gerade ein Comeback. Auch Fisherman’s Friend hat sich 2022 seiner Werbewurzeln besonnen

Die Pastillen-Marke setzt auf das Retro-Prinzip, um sich in der jungen Zielgruppe erfolgreich neu auszurichten. Mit dem Ergebnis hat sich die Marketing- und Vertriebsgesellschaft CFP Brands, in der neben Fisherman’s auch Marken wie Ricola, Mentos und Chupa Chups zusammengeschlossen sind, für den Marken-Award 2023 beworben. Fisherman‘s wurde von der Jury in den Kreis der Finalisten in der Kategorie „Markenführung“ gewählt. 

Für diese Kategorie können sich Marken mit einer hervorragenden Strategie und nachweisbarem Erfolg bei einer von ihnen definierten (Kommunikations-)Maßnahme bewerben. Das können strukturelle Cases wie der Aufbau von Markenarchitekturen, erfolgreiche Kundenprojekte oder 360-Grad-Kampagnen sein. 

Fisherman‘s Friend spricht die Gen Z an 

An den Slogan „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“ aus dem Jahr 1996 dürften sich viele aus der Generation 40+ noch erinnern. Doch tatsächlich hatte ihn Fisherman’s bis zum Revival 2022 rund 15 Jahre lang nicht mehr verwendet. Stattdessen wurde durch wechselnde Claims, Creatives und Kommunikationsbotschaften die Positionierung und der Markenkern nach und nach verwässert, wie das Unternehmen heute selbst einräumt.  

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Der aktuelle Werbespot

Innerhalb der rückläufigen Kategorie der Atemerfrischer verteidigte Fisherman’s im Volumen der verkauften Einheiten zwar seine Führungsposition, verzeichnet aber dennoch eine negative Entwicklung. Die Corona-Pandemie trug durch weniger gewordene Anlässe für Atemerfrischer ihren Teil dazu bei. Die Marke sah sich 2022 zudem mit der Herausforderung einer zunehmend alternden Kernkäuferschaft konfrontiert, insbesondere bei den umsatzträchtigen Heavy Usern – die mehrheitlich zur Generation 60+ gehören. 

Alter Werbeclaim beleidigt Konsument*innen  

Möglicherweise war der alte Werbeclaim auch deswegen in der Versenkung verschwunden, weil er potenziellen Kund*innen suggerierte, dass sie zu schwach für das beworbene Produkt seien: „Früher haben wir unsere Konsumenten beleidigt, heute versuchen wir ihnen unsere Produkte auf die Zunge zu legen“, sagt Marketing Director Dirk Hohnberg. Dafür geht die Marke dorthin, wo ihre potenzielle Nachwuchskundschaft – also die 18- bis 39-Jährigen – schon sind, etwa zu „Rock am Ring“, zum „Wacken Open Air“ und auf andere Festivals – und natürlich ins Netz.  

Das tut sie mit dem abgewandelten (verkürzten) Claim: „Sind sie zu stark?“ Dieser fungiere als „kommunikativer Anker“, der einerseits auf dem alten, gelernten Claim aufsetzt, aber innerhalb der jungen Zielgruppe neu verankert wird. 

Als „disruptive Entscheidung“ bezeichnet der Marketingchef zwei Weichenstellungen bei der Neupositionierung der Marke: Fisherman’s hat dem zentralen Marketingkanal der Vergangenheit, dem TV, den Rücken gekehrt und seine neue Kampagne vollständig inhouse entwickelt: „Wir haben Anfang 2022 eine ausschließlich digitale und auf Bewegtbild fokussierte Kampagne gestartet und diese ganz ohne Kreativagentur umgesetzt“, so Hohnberg. Unterstützung hatte die Marke gleichwohl – und zwar vom Rapper Materia, der im neuen Spot nicht nur als Markenbotschafter auftritt, sondern gleich auch noch die Idee dazu beigesteuert hat. 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Marteria x Fisherman’s Friend: Behind The Scenes

Der Musiker und Social-Media-Magnet sagte einmal in einem Interview, dass er niemals Werbung machen würde – außer für eine Marke: Fisherman’s Friend. „Da sind wir natürlich hellhörig geworden“, erinnert sich Hohnberg. Der vom Musiker und Hobby-Angler miterdachte und auf Teneriffa entstandene Spot wurde zum Kernstück der Digital-Kampagne. „Nur Marterias Idee, ein Kamerateam und eine Menge Wasser waren nötig, um einen Spot zu kreieren, der perfekt auf unsere strategisch übergreifenden Ziele einzahlt“, so der Marketingleiter. 

Höchster Awareness-Wert in zehn Jahren

Der Kampagnenspot mit dem fischenden Rapper knüpft auch an die Ursprünge der kleinen Pastillen an, die englischen Fischern einst als Mittel gegen einen rauen Hals galten. Sie werden bis heute von der Familie ihres Erfinders James Lofthouse produziert. Das Unternehmen sitzt in Fleetwood an der englischen Westküste und wird in fünfter Generation geführt. Jährlich fast 60 Millionen Packungen in mittlerweile 14 Geschmacksrichtungen werden in Deutschland von CFP Brands vertrieben. Die Sorten reichen von fruchtig über Schoko bis zum klassischen Menthol. Vor allem die neueren Fruchtsorten kommen gut an beim Nachwuchs: „Wir bekommen oft das Feedback, dass neue Kund*innen überrascht über unsere Vielfalt sind“, sagt Marketing Director Hohnberg.  

markenaward-Fischermans-Friend-2
Die kleinen Pastillen galten bei englischen Fischern einst als Mittel gegen einen rauen Hals.

Die Zahlen belegen den Erfolg der Neupositionierung: Fisherman’s Friend gelangte in die Köpfe der jungen Zielgruppe. Die Marke erreichte den höchste Awareness-Wert der letzten zehn Jahre, sie stieg in der Zielgruppe zum bekanntesten Atemerfrischer auf und fand 320.000 neue Käufer*innen.  

Zu stark sind „sie“ also nicht. 

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.